Cicero auf schwankendem Grund

Essay zum Thema Frieden

von  loslosch

Iniquissimam pacem iniustissimo bello antefero (Cicero, 106 v. Chr. bis 43 v. Chr.; Ad familiares). Den äußerst ungerechten Frieden ziehe ich dem äußerst ungerechten Krieg vor.

Widerspruchsvolle Thesen im Gesamtwerk eines großen Schriftstellers finden sich nicht selten. Schon allein deshalb, weil ein schöpferischer Geist im Verlauf einer langen produktiven Phase seine Weltsicht modifiziert, wenn nicht stark verändert. Diese Sentenz wirkt wie eine pazifistische Botschaft, ist aber wohl nicht konsequent zu Ende gedacht. Es soll vermutlich die Aussage eines am Konflikt Unbeteiligten sein. Im Prinzip gibt es keinen "gerechten" Krieg; denn immer leiden auch Unschuldige, insbesondere in Kriegen der Gegenwart. Als extrem ungerechter Krieg lässt sich ein unprovozierter Angriffskrieg bezeichnen. Als extrem ungerechten Frieden empfinden wohl alle unterlegenen Völker das Ergebnis eines verlorenen Krieges. Nicht von ungefähr spricht man vom Friedensdiktat (oder Diktatfrieden), das die Besatzer dem Verlierer aufdrücken. Die im antiken Spruch gegenübergestellten Alternativen sind in der geschichtlichen Realität so nicht darstellbar.

Beispiel Tibet: Ein äußerst ungerechter Frieden, den die chinesischen Besatzer dem Volk der Tibeter aufgezwungen haben. Vor der Alternative, einen Krieg gegen das übermächtige China zu führen, der keinesfalls ein äußerst ungerechter gewesen wäre, standen die Ureinwohner Tibets Ende der 1940er Jahre nicht. Und die Indianer Nord-, Mittel- und  Südamerikas? Die Ureinwohner Australiens? Die sibirischen Burjaten, Jakuten und Tschuktschen?

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (06.08.14)
Ein ungerechter Friede hält nicht und ein ungerechter Krieg hält nicht das, was er verspricht.

 loslosch meinte dazu am 06.08.14:
OStR frischbier 1960 zu den primanern: wo wären Sie heute, wenn deutschland den krieg gewonnen hätte? das allgemeine schweigen brach er: in swerdlowsk, murmansk, tscheljabinsk ...

 niemand (06.08.14)
Es ist allemal besser seinen Arsch, wenn auch in Grenzen,
gänzlich zu behalten, als diesen total zu verlieren und ins Grenzenlose abberufen zu werden. Das nur mal
sati(e)risch und nebenbei Mit herzlichen Grüßen, Irene

 loslosch antwortete darauf am 06.08.14:
fazit: der eroberer müsste die besiegten ausmerzen, bis zum letzten mann. soll schon vorgekommen sein! lo
B-Site (30)
(06.08.14)
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 EkkehartMittelberg (06.08.14)
Ein äußerst ungerechter Friede ist nie von Dauer. Aber ein äußerst ungerechter Krieg kann einen noch ungerechteren Frieden zur Folge haben.

 loslosch schrieb daraufhin am 06.08.14:
auf eine totalvernichtung aber folgt der "friedhofsfrieden".
Graeculus (69)
(06.08.14)
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 loslosch äußerte darauf am 06.08.14:
interessant ist der angesprochene gleitende übergang vom verteidigungs- zum präventionskrieg. in den 1970er/1980er kursierte in NATO-kreisen der begriff der "vorneverteidigung". im SPIEGEL las ich damals, die tippsen auf der hardthöhe seien bei der niederschrift errötet.
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