Damals die Haut

Kurzgeschichte zum Thema Liebe, vergangene

von  RainerMScholz

Illustration zum Text
(von RainerMScholz)
Sie sitzen zusammen in ihrer ehemaligen Stammkneipe und starren sich, verwundert den anderen hier getroffen zu haben, in die Augen, verlegen zuerst, dann immer vertrauter, ein Gefühl aus der Vergangenheit rekapitulierend, als gelte es, ein Band zu knüpfen, von dem sie beide wissen, dass es längst zerrissen war, verbrannt und in alle Winde zerstreut. An den beschmierten und fleckigen Wänden hängen Schwarzweißfotografien von Lemmy, Wattie, den Typen von Discharge, Thirsty, Cronos von Venom, Autopsia, den Sängerinnen von Beauty Case... Die Beleuchtung hängt halbherzig von der Decke, die Kerze auf dem Tisch ist abgebrannt. Die weibliche Bedienung steht gelangweilt in der Ecke und inspiziert ihre schwarzlackierten Fingernägel.
Nach den üblichen Floskeln, dem Austausch von belanglosen Höflichkeitsformeln und den Erkundigungen nach dem zwischenzeitlichen Werdegang oder auch nicht, entwickelt sich das Gespräch in folgende Richtung:
„...und die Brüste mochte ich am liebsten, so weich und zart – so jung -, und wenn meine Hand sich  über ihnen schloss, dann...und dann glitt ich tiefer und tiefer, um wieder zurück zu züngeln über den Bachnabel hinweg bis zu diesen Rundungen.“
Sie lächelt.
„Was noch?“
„Lass mich überlegen. Von hinten war super. Und von vorne. Im Stehen. Im Wald. Im Auto. Aber diese Brüste...“
„Was noch?“
„Hallo Bedienung, noch zwei Äppler, bitte.“
Er steckt sich eine weitere Zigarette an und gibt auch ihr Feuer.
„Ja, ich weiß nicht. Was noch?“
Er macht eine Pause. Die Bedienung kommt mit dem Apfelwein und rechnet sofort ab. Er bezahlt und nimmt das Wechselgeld entgegen.
„Was noch?“, wiederholt er spielerisch ihre Frage und bläst den Rauch an die Decke.
„Ja, was hat dir noch an mir gefallen?“, insitiert sie.
„Ihre Brustwarzenhöfe waren ganz groß und rosig, die Spitzen nicht so hart wie bei dir, eher wie  unheimlich sanftes und körperwarmes Softeis. Und ihre Beine...Und wenn sie lächelte...“
„Was? Wer?“
„Sie war eine wirklich liebe Frau.“
„Wer denn? Wovon redest du, verdammt nochmal.“
„Na, Anette eben.“
„Was meinst du mit 'Anette eben', du blödes Arschloch?“
„Und wie gesagt, ihr Körper, ihre Brüste, ihre Grazie - der Sex mit ihr war sagenhaft.“
„Ich dachte...wieso...“
Er nimmt einen Schluck aus dem gerippten Äpplerglas, drückt die Zigarette im vollen Aschenbecher aus, steht auf, schiebt den Stuhl zurück an den Tisch und sieht sie an.
„Was dachtest du, hm? Was denn?! Also, mach`s gut.“
Er geht. Krachend schallt The Exploited aus den Boxen. Krachend fliegt die Tür hinter ihm ins Schloss. ...said Maggie one day.



© Rainer M. Scholz

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