Der große Krieg (Eine Annäherung)

Text zum Thema Krieg/Krieger

von  Nachtpoet

Der österreichische Kaiser dachte, dass er dem Volk eine Vergeltung für den ermordeten Erzherzog und seine Gattin schuldete.

Der deutsche Kaiser dachte dass mit den Serben jetzt aufgeräumt werden - und dass das Schwert nun entscheiden müsse.

Der deutsche Reichskanzler dachte, dass man Frankreichs Angriff zuvorkommen müsse.

Der russische Zar dachte, dass er seinen Bündnispartner Frankreich nicht alleine lassen dürfe.

Der junge Soldat dachte, dass er dann wohl für's Vaterland kämpfen müsse um dem Gegner eine Lektion zu erteilen.

Die jubelnen Kriegsteilnehmer dachten, dass sie spätestens Weihnachten wieder zu Hause wären.

Die Waffenhersteller dachten, dass die Konflikte mit modernen Kriegsmaschinen wohl schnell entschieden sein würde.

Die Offiziere dachten, je mehr Granaten wie möglich in kürzester Zeit auf den Gegner niederregnen, desto eher käme man aus dem Stellungskrieg heraus.

Die deutschen Chemiker dachten, dass ein Gasangriff den Sieg spätestens jetzt beschleunigen würde.

Die Generäle dachten, wenn der Stellungskrieg jetzt schon so viele Opfer gefordert hat, dann muss er bis zum letzten Mann weitergeführt werden, sonst wären die ganzen Toten ja umsonst gewesen.

Nach und nach dachten zig andere Staaten, den Krieg schnell beenden zu können, indem sie ihren Bündnispartnern beistehen.

Dass nach Kriegsende von über 15 Millionen Toten die Rede war, das hätte vorher keiner gedacht.


Anmerkung von Nachtpoet:

Anlässlich des Ausbruchs des ersten Weltkrieges vor 100 Jahren habe ich mich intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Eine Antwort auf das "Warum?" Fällt mir trotzdem immer noch schwer.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (28.09.14)
Als alles vorbei war, sagte der alte Wilhelm II dann am Soldatenfriedhof im Angesicht der Gräber: "Das habe ich nicht gewollt."

 Nachtpoet meinte dazu am 28.09.14:
Das glaube ich ihm sogar! Dank dir Regina. LG

 AZU20 (28.09.14)
Krieg ist die schlechteste aller Möglichkeiten, aber der Mensch ist halt ein Tier und kann nicht damit aufhören. LG

 Nachtpoet antwortete darauf am 28.09.14:
Stimmt, aber ich würde eher sagen, dass das Kriegführen ihn vom Tier unterscheidet.

Danke und LG Ralf

 AZU20 schrieb daraufhin am 28.09.14:
Na, schau mal auf die staatenbildenden Insekten. LG

 Nachtpoet äußerte darauf am 28.09.14:
Ok, ich gebe zu, das ist eine Ausnahme.
Graeculus (69) ergänzte dazu am 28.09.14:
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 AZU20 meinte dazu am 28.09.14:
Das stimmt. Der Mensch sollte vielleicht die Bonobos zum Vorbild nehmen. LG
Graeculus (69) meinte dazu am 28.09.14:
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 AZU20 meinte dazu am 28.09.14:
Denke ich aber doch auch. LG
Graeculus (69)
(28.09.14)
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 Nachtpoet meinte dazu am 28.09.14:
Ja, aber selbst DAS kann nicht der alleinige Grund für den Krieg sein. Man hat fast den Eindruck, dass man unbedingt die neuen Kriegs-Maschinen ausprobieren wollte, egal wie. Irgendwie lag Krieg in der Luft.

Dank dir! LG
Graeculus (69) meinte dazu am 28.09.14:
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 TrekanBelluvitsh (28.09.14)
Es gibt die Theorie, dass man auf Seiten der deutschen Generalität schon mit genau so einem Krieg gerechnet hat. Allerdings ist das bisher nur eine These. Eine entsprechende Studie steht - soweit ich weiß - noch aus.

 Nachtpoet meinte dazu am 28.09.14:
Danke! Das ist interessant. Aber auch hier stellt sich ja die Frage nach der Begründung dieser Annahme.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 28.09.14:
Es geht dabei um einen oft übersehenen Tatbestand. Im Kaiserreich herrschten große innere Spannungen. Das kann man z.B. daran erkennen, dass der Reichstag von 1913 sich - aus Sicht der Herrschenden - zum überwiegenden Teil aus nicht staatstragenden Parteien zusammensetzte, angefangen bei der SPD, aber auch dem Zentrum und Teilen der Liberalen traute man nicht.

Es war dann wieder die alte Leier vom äußeren Feind, der die inneren Probleme überdecken sollte, obwohl man ahnte, was ein Krieg bedeutete.

(Exkurs: Die Weimarer Republik erbte eben auch diese Probleme vom Kaiserreich.)

Aber wie gesagt, das ist nur eine These und als alleiniges Erklärungsmuster sicher nicht ausreichend.
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