Die Dame von Welt

Kurzprosa zum Thema Musik

von  Regina

Nicht, dass sie tanzte. Aber er sah, dass sie seine Musik mitempfand. Sie stand in der Nähe der Bar und wiegte ihre schlanke Gestalt nur leicht in den Hüften. Die strahlende Fliederfarbe ihres eleganten Kostüms ließ sie ungewöhnlich erhaben erscheinen. Später stieg ihm der Neroliduft ihres Parfüms zu Kopf und inspirierte ihn dazu, ihr seinen nächsten Song zu widmen. Was er nicht ganz verstand, war, dass sie zwischen mehreren Sprachen hin- und herwechseln konnte und dabei offensichtlich jedes Mal in eine andere Persönlichkeit schlüpfte, wie wenn jemand ein Kleid an- und auszieht. Für ihn war Sprache fest mit seinem Charakter verbunden und keineswegs beliebig austauschbar. Trotzdem berührten ihn ihre Erscheinung und ihr Geist im tiefsten Grund seiner Seele. Ihr Beruf als Dolmetscherin führte sie an viele Orte. Sie kannte sich in Diplomatenkreisen aus und ihre Ernährung bestand aus den Delikatessen der Welt. Ihr nächster Flug war bereits gebucht und sie brauchte keinen Begleiter, möglicherweise erst recht keinen, dem es egal gewesen wäre, wohin die Reise ging. 
Im Lauf der Zeit klang seine Musik immer melancholischer und resignierter. Der Blues hatte ganz und gar von seinem Wesen Besitz ergriffen. Nur dieses eine Mal wäre er es gewesen, der sich freiwillig hätte binden wollen.

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Kommentare zu diesem Text


 Nachtpoet (28.09.14)
Texte von dieser Kürze mag ich sehr, denn sie laden zum Ergänzen ein, sowohl am Anfang als auch am Ende.

Gelungen! LG Ralf

 Regina meinte dazu am 28.09.14:
Danke, danke.

 AZU20 (28.09.14)
Beim Lesen erfasste mich auch der Blues. LG

 AlmaMarieSchneider (28.09.14)
Kurz und reich an Bildern. Ich mag solche Texte.

Liebe Grüße

Alma Marie

 Regina antwortete darauf am 28.09.14:
Danke, oh, mehrere von euch sind voll des Lobes (errötend).
Graeculus (69)
(28.09.14)
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 Dieter_Rotmund (29.09.14)
Bin tot, von der fast schon grotesk-übergroßen Flut von Adjektiven erschlagen.

 Regina schrieb daraufhin am 29.09.14:
Ich habe schon von Totschlag-Argumenten gehört, aber nicht von totschlagenden Adjektiven.
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