Der Augenblick des Wanderers

Szene zum Thema Meer

von  SapphoSonne

Sie flogen tief um mich herum und schrien ihre Entrüstung durch die klare Luft. Die Möwen waren die Ersten an diesem Morgen, die in mein Bewusstsein drangen und mich veranlassten die Augen zu öffnen. Ich lag im weichen Sand knapp unterhalb des Deiches.  Über mir der blassblaue Himmel, an dem der Morgen pastellfarbene Streifen von Rot zeichnete. Ich wandte den Kopf ein wenig nach links und sah direkt in ihr Antlitz. In die leuchtenden Augen der aufgehenden Sonne. 

Der Strand dampfte. Die Feuchtigkeit der Nacht wurde hinaufgesogen in den klaren Tag. Das leise Plätschern der Wellen untermalte den Rhythmus des Traumes, der langsam aus meinem Kopf wich. Schatten einer anderen Welt, die sich nach einem wilden Kampf sanft in die Unterwelt zurückzogen. Ich war jetzt hier. An diesem Strand, in dieser Welt, in diesem Leben.

Ich erhob mich. Sand glitt mir durch die Finger, durch die Zehen. Jeder Schritt versank und knirschte. Das Meer rief mich mit einem leisen Schmatzen. Blaugrau wie die Sehnsucht in meinen Augen zog es mich hinein. Ich legte meine Kleidung ab und stieg in die kühlen Fluten.

Schon während der ersten Schritte kroch die Kälte über meine Haut. Mit langen Fingern kletterte sie an mir herauf, um mich zuumschließen, als ich ganz in die Wellen tauchte. Ich ließ mich in ihnen treiben, bis hinab auf den Grund. Spürte die Bewegung der See wie ein Streicheln auf jedem Zentimeter der Haut. Luftperlen rollten über sie und blieben an den aufgestellten Härchen haften. Meine Konturen lösten sich auf und ich verschwamm in dem Gefühl mich zu verlieren.

Atemnot zwang mich zum Auftauchen. Ich streifte mir das Wasser aus dem Gesicht und riss Mund und Augen auf. Das Wasser glitzerte, die Luft strömte kühl und klar in die Lungen. Die Teile fügten sich wieder zusammen, wurden ein Ganzes und von einer Gänsehaut überzogen. Einen Augenblick lang genoss ich die Welt aus dieser Perspektive. Nahm die Ruhe und den Frieden in mich auf, füllte die Depots mit dem Glück dieses Moments, der nur mir gehörte.

Die Sonne stieg höher. Verwandelte ihre Farbe in flüssiges Gold, als ich wieder trockenen Sand unter den Füßen hatte. Ich stieg in meine Jeans. Hemd und Jacke behielt ich in der Hand, bis der sanfte Wind mir die Wassertropfen von der Haut geleckt hätte.

Ich atmete tief durch und machte mich dann auf den Weg. Verließ den Strand und folgte dem Pfad in die Dünen.

Ein neuer Tag war angebrochen.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (01.10.14)
Eine Meerjungfrau, die zum Menschen wurde?

 SapphoSonne meinte dazu am 01.10.14:
Meerjungfrau, Meerjungmann... wer weiß das schon? ;)
LG Sappho
AbrakadabrA (45) antwortete darauf am 14.11.14:
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LancealostDream (49)
(01.10.14)
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 SapphoSonne schrieb daraufhin am 01.10.14:
Danke schön, freut mich, dass du so in den Text und die Fluten eintauchen konntest. :D
LG Sappho
Patrix (65) äußerte darauf am 18.01.15:
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 SapphoSonne ergänzte dazu am 19.01.15:
Wow, dankeschön für deinen tollen Kommentar :)
Die Möwen haben mir erzählt, dass du da warst.
LG Sappho
Festil (59)
(19.01.16)
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 SapphoSonne meinte dazu am 26.01.16:
Schalk wird am Schopf gepackt und in den kühlen Fluten untergetaucht. Dann bleibt er lange frisch ;)
Herzlichen Dank für deine Handwerkerlyrik. Freue mich das meine Worte deine Fantasie anregten.
LG Sappho
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