Raub der Flammen

Kurzprosa zum Thema Tod

von  Regina

Dieser Text gehört zum Projekt    Texte vom Tod.
Es klang nach zusammenbrechenden Balken und fallendem Gemäuer, aber auch schrille Stimmen mischten sich in den Lärm, von dem ich schlagartig aufwachte. Im Aufstehen roch ich brenzlige Luft und ich rannte ans Fenster. Schließlich stellte ich fest, dass es unser Haus war, das Feuer gefangen hatte. „Wir müssen hier raus“, rief ich meinem Mann zu, der sich schlaftrunken in den Kissen räkelte, um sich auf die andere Seite zu werfen und wieder einzuschlummern. Nachdem ich die notwendigste Kleidung übergestreift hatte, riss ich das jüngere Kind aus dem Bett und trug es ins Freie. Haus, Mann und älterer Sohn fielen den wilden Flammen zum Opfer.
„Waren sie verheiratet?“ fragte mich der Kommissar später.„Nein, nur auf dem Papier“, antwortete ich, „mein Mann war zwar körperlich anwesend, aber ansonsten nicht wirklich an meiner Seite. Geistig weilte er mit einer zerbrechlichen Selbstüberschätzung  im Land der Illusionen und der Träume, nur meine Sinne schärften sich im Inferno dieser Nacht zu ekstatischer Wachheit.“ Sehr wohl verstand ich des Kommissars nächste Frage: „Haben Sie denn das Feuer überlebt?“ „Nein“, gab ich zu, „auch meine Wände brannten nieder, bis auf den Grund.“  „Und hat Ihre Tochter ein Trauma davongetragen?“ wollte er noch wissen. „Ja“, erwiderte ich, „sie rennt durch die Welt wie ein aufgescheuchtes Wild und sucht nach einem, der rettet, was zu retten ist, anstatt der eigenen Apokalypse im Tiefschlaf die kalte Schulter zu zeigen. Aber ihr Vater wäre der Meinung gewesen, dass das Leben am besten zu meistern sei, wenn man in jeder Situation gelassen bleiben würde.“  So lautete das Gespräch, das ich dem Ermittler zu Protokoll gab.

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Kommentare zu diesem Text

Inis (48)
(09.10.14)
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 Regina meinte dazu am 10.10.14:
Ich glaube, dass man nur verstehen muss, dass das Gespräch mit dem Kommissar sich nicht auf die konkrete Bedeutung des ersten Teiles bezieht, sondern auf die im übertragenen Sinn gemeinte. Dann ist es doch nicht konfus, Oder?
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