Zufälle und andere Merkwürdigkeiten

Kurzprosa zum Thema Freundschaft

von  monalisa

Ich traf dich zufällig, doch eigentlich trafst du mich. Unsere Welten berührten einander kaum. Du schlugst irgendwo auf zwischen Schulterblättern, hochgezogen in einer Geste der Ratlosigkeit, und Magen, der sich mir um- und umdrehte, und offenen Händen, offen, um dich aufzufangen und warmzuhalten. Was du erzähltest war mir so fremd. Ich verstand es nicht, nicht mit dem Kopf.
Du trafst mich mit großer Wucht, deine Worte hatten dunkle, hungrige Augen und waren zugleich des Hoffens müde, irgendwann satt zu werden; waren so voller Zärtlichkeit und Grausamkeit, gewalttätig, hart und hilflos zugleich.
Ich musste dich mögen, obwohl ich wusste, dass ich mich auf einen Hexentanz einließ, für den ich weder Teufel genug noch ausreichend Engel war. 

'Wie hältst du das aus?, frage ich dich heute wie damals. 'Wie kann ein Mensch all das aushalten?'

Du zuckst die Schultern: 'Weiß nicht. Ist auch nicht wichtig – wie und ob überhaupt. Es geht immer tödlich aus', lachst du mir spöttisch ins Gesicht und kickst gegen mein Schienbein, als würde da meine Betäubung sitzen, als ließen sich Ernst, Trauer und Bestürzung einfach so wegschnipsen. Mein schmerzverzerrtes Grinsen lässt dich schallend auflachen, zuerst, dann später in meine Arme fallen und all den Dreck ausatmen, der sich nicht nur in deiner Lunge angesammelt hat, und schließlich rinnt er dir aus Augen und Nase und ich halte ganz still, obwohl ich völlig durchgeweicht bin und schrecklich friere.

Wir trinken Tee mit einem ordentlichen Schuss Rum und wärmen uns auf, und du erzählst mir von ihm, der Liebe deines Lebens.
'Er mag dich', sagst du, 'das weiß ich genau', und dabei kicherst du, wie ein albernes Gör. Und ich denke, dass ich dich immer so sehen möchte. 
Du sagst: 'Er mag dich!', nicht, 'er würde dich mögen', und das zeigt mir, dass er immer noch bei dir ist, bei dir sein wird bis zu deinem letzten Atemzug und darüber hinaus, um dich dort in Empfang zu nehmen, wohin er dir vorausgegangen ist.

Du hast keine Angst vor dem Tod, sagst du, obwohl du das Leben auch nicht so übel findest. Jetzt, in Momenten wie diesem, da sich der Schmerz wie ein Kätzchen zusammengerollt hat, in deinen Armen schläft wie in einem Körbchen. Du weißt, dass er sich jederzeit wie ein Tiger gebärden und dir das Herz herausreißen kann. Jetzt tut er es nicht, er schnurrt sanft und hat ein weiches Fell voller warmer Erinnerungen an das Leben, von dem du dich schon ein gutes Stück entfernt hast.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (31.10.14)
Freundschaft kennt viele Gemeinsamkeiten. Die größte ist das Teilen von Schmerzen. Du hast dafür treffende Bilder und Metaphern gefunden, Mona, die schönste steckt in den letzten drei Zeilen.

Liebe Grüße
Ekki

 monalisa meinte dazu am 31.10.14:
Herzlichen Dank, lieber Ekki, in Prosatexten bewege ich mich noch ein wenig unsicher, weshalb mir dein Kommi besonders wertvoll ist. Es freut mich sehr, dass du besonders das Bild am Ende so positiv erwähnt hast. Du verstehst es wirklich, einen aufzubauen.

Liebe Grüße,
mona
Inis (48)
(31.10.14)
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 monalisa antwortete darauf am 31.10.14:
Vielen herzlichen Dank für deinen Kommi, ich ganz überrascht von dem positiven Echo zu meinem text und freue mich sehr darüber.
Liebe Grüße,
mona

 JDvGoethe (31.10.14)
Hi monalisa, was zum Nachdenken anregt und Gefühle anspricht erreicht Hirn und Herz. Dein Text erreicht sogar die Seele...
Gruß
JDvG

 monalisa schrieb daraufhin am 31.10.14:
Dankeschön, freut mich auf so angenehme Weise deine Bekanntschaft zu machen.

Liebe Grüße,
mona

 Nachtpoet (01.11.14)
Der Text liest sich wie eine Tragikkömmödie, aber scharfkanntiger und zugleich poetischer! Der Text ist sehr einfühlsam, gar nicht plump - was bei dem Thema schnell passieren kann - und der Text ist, wie soll ich sagen, gut durchfühlt! Deswegen wirkt der er auf mich sehr realistisch und wie gesagt, sehr poetisch! SEHR GUT HINBEKOMMEN!


Liebe Grüße
Ralf

 monalisa äußerte darauf am 01.11.14:
Vielen Dank, Ralf, deine Worte freuen mich sehr :).

Liebe Grüße,
mona
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