Unsichtbar

Kurzprosa zum Thema Tod

von  Regina

Dieser Text gehört zum Projekt    Texte vom Tod.
Ermattet und geschwächt gab das Ich den Kampf ums Überleben auf und ließ mit einem dramatisch laut erklingenden Akkord den physischen Körper los. Dort stand der Hermaphrodit als eine unsichtbare Ganzheit, die sich nicht ins irdische Leben begeben kann, weil hier die Entscheidung für eine befristete Existenz in einem Männer- oder Frauenkörper gefordert ist. Vor der Zeugung und während des Todesprozesses aber  erscheint er und verschlingt als feinstoffliche männliche Ergänzung die Frau, als weibliche den Mann. Manche Jenseitsforscher, die den Hermaphroditen kennen, haben aus seinem Vorhandensein den voreiligen Schluss gezogen, es gäbe den Menschen zweimal, einmal in einem weiblichen und ein zweites Mal in einem ganz genau entsprechenden männlichen Körper. So entsteht Literatur über Dualseelen oder Seelenpartner. Auch die Idee von der romantischen Liebe, die man als unsterblich göttliche preist, hat hier ihren Ursprung.  Aber das ist Täuschung. In der physischen Welt kann es keine vollkommene Symmetrie geben, denn dann würde sie stillstehen, was sie auf keinen Fall tut. Möglich wäre allenfalls, dass ein anderer Mensch diesen die eigene Wesenheit ergänzenden Eigenschaften sehr nahe kommt. Letzten Endes aber bleibt der unsichtbare Hermaphrodit in jedem Menschen allein, so ich mich denn nicht irren sollte. Über die Maßen staunend wanderte mein Bewusstsein nun auf völlig neuen Wegen. Die anderen Menschen waren mit ihren alltäglichen Verrichtungen beschäftigt und nahmen nicht wahr, dass ich das Tor zum Jenseits schon passiert hatte, bevor ich wieder zurückkehrte.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (08.11.14)
Gern und interessiert gelesen. LG

 LotharAtzert (08.11.14)
Salmakis hieß die Nymphe, die dem Sohn von Hermes und Aphrodite zwangseinverleibt wurde - nämlich als der an ihrer Quelle ein Bad nahm, wo sie sich unsterblich in ihn verliebte - er leider nicht in sie - und dem Zeus anschließend solange auf den Senkel ging, bis der sie zusammenpackte, was jenem wiederum aufstieß ... Ein wunderbarer Mythos von großer, tragischer Tiefe.
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