Nostalgie nach der Gegenwart (Übersetzung)

Gedicht

von  Watsche

Ist es nur meine Eigenheit,
Oder trifft es die Anderen auch so hart?
Ich vermisse nicht die Vergangenheit,
Doch mich quält Nostalgie nach der Gegenwart.

Als wöllte ein Mönch zum Herrn,
Hat aber nur Zutritt zum Abt,
So will auch ich Zutritt zur Gegenwart,
Habe ihn nie ohne Mittler gehabt.

Als hätte ich etwas verbrochen,
Oder nicht mal ich, sondern sie,
Auf einer Wiese liegend verspüre ich
Nach lebendigem Grund Nostalgie.

Niemand wird uns je trennen,
Doch halte ich dich in den Armen,
Umarme ich dich voller Sehnsucht,
Als stiehlt man dich ohne Erbarmen.

Wenn ich boshafte Worte vernehme,
Von einem Freund, der abfiel vom Rechten,
Suche ich kein Surrogat,
Vermisse nur ihn, den Echten.

Was war, das war. Alles zum Besten.
Doch mein Geheimnis, mit dem ich mich schinde,
Ist Nostalgie nach einer Gegenwart,
Die eintrifft, doch die ich nie finde.

-Andrei Andrejewitsch Wosnessenski (1933-2010)


Anmerkung von Watsche:

Es handelt sich hierbei um eine Übersetzung eines Gedichtes von Andrei Andrejewitsch Wosnessenski. Ich habe lange gezögert, bevor ich es wagte, mich am Werk eines so großen Poeten zu vergreifen.
Das Gedicht hat im Original einen sehr eigenen, unregelmäßigen Rhythmus, den ich beizubehalten versuchte. Auch das Reimschema entspricht dem des Originals. Vier Strophen habe ich aus sprachlichen und ästhetischen Gründen weggelassen. Ansonsten habe ich, wenn es möglich war, Wort für Wort zu übersetzen versucht. Ich hoffe sehr, dass meine Übersetzung, trotz all ihrer Unzulänglichkeiten, der Schönheit des Werkes ein klein wenig gerecht wird und sie dem ein oder anderen Leser zu zeigen vermag.

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Kommentare zu diesem Text

g.penn (35)
(13.03.16)
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 Watsche meinte dazu am 16.03.16:
Freut mich sehr, dass es dir gefällt!
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