Kaffee am Kranzler Eck

Text zum Thema Ehrgeiz

von  Straßenköter

Frau B.
Frau B. war eine Patientin mit Schienbeinbruch. Operative Versorgung, 20kg Teilbelastung. Nur Frau B. war nicht die Fitteste, war etwas rundlicher und sehr eigensinnig.
Frau B. erster Aufenthalt bei uns gestaltete sich so, dass sie täglich mit mir diskutierte, was denn jetzt 20kg Teilbelastung seien. Ich erklärte es ihr jeden Tag von neuem, und sie diskutierte und so weiter. Bis ich die Schnauze voll hatte. "Frau B., Butter bei die Fische, machen Sie was Sie wollen, aber wenns *knack* macht, haben Sie das Problem, nicht ich!" Die Diskussionen hörten auf, Frau B hielt die Teilbelastung ein - wir verstanden uns prächtiger als vorher.
Mit der Zeit wurde die Teilbelastung erhöht. Einen Tag vor Entlassung durfte sie voll belasten. Noch bevor ich ihr die freudige Botschaft überbringen konnte, ist das passiert, was nie passieren sollte. Das Material war ermüdet, und als sie aufstand machte es *knack*. Damit endete die Geschichte.

Anfang 2014 hatte ich an einem Samstag Dienst und eine Aufnahme. Der Name kam mir bekannt vor. Ich ging hin um zu gucken, und sie da - Frau B. Mehrfach operiert, nur am weinen und glücklich mich zu sehen. Ich bot ihr an, die Therapien zu übernehmen, verordnete alles was nötig war und los gings.
Nun kannte ich Frau B. ja schon. Und die endlosen Diskussionen fingen wieder an. Oft war ich frustriert, weil wir deshalb nicht vorran kamen. Auch weil sie sich bei mir ausweinte, dass die Schwestern gemein seien. (Auf dieser Station sind sie wirklich oft ruppig - Schwester rabiata von der alten Schule)
Das Problem war, das die Kniee sich nicht strecken ließen, um einen aufrechten Stand zu ermöglichen, die Füßen haben durch langes Liegen Fehlstellungen entwickelt und ich sah -ehrlich- keine Chance in 3-5 Wochen Reha viel zu reissen. Langfristig über ein halbes Jahr gesehen, vielleicht, aber in so kurzer Zeit kaum. Ich besprach das mit dem Arzt und erklärte es auch Frau B. Sie weinte wieder, aber ich tröstete sie damit, dass uns noch 2 Wochen blieben.
In diesen zwei Wochen haben wir geschufftet, um ihr den Gang am Rollator über kurze Strecken zu ermöglichen. Ich verbot ihr streng, das alleine zu üben, weil es einfach sehr wackelig war. Sie entgegnete, dass sie das doch kann. Mir platzte ein wenig der Kragen. "Frau B., wenn Sie sicher laufen und ICH damit zufrieden bin,  kommen Sie vorbei, und ich spendiere uns einen Kaffee im Kranzler Eck" Kurz danach wurde sie entlassen. Sicher laufen ist anders, aber für die Wohnung ausreichend.

Sie ruft regelmäßig bei unserer Psychologin an, lässt mir einen Gruß bestellen, und sagt, dass wir bald Kaffee trinken werden.

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Kommentare zu diesem Text


 Fuchsiberlin (21.12.14)
Na, dann hoffe ich doch für beide Beteiligten, dass es diesen Kaffee im Kranzler-Eck geben wird.

Eine Frage noch: Warum ausgerechnet das Kranzler-Eck? Hat dies eine bestimmte Bewandtnis?

Liebe Grüße
Jörg

 Straßenköter meinte dazu am 21.12.14:
Na mal sehen, was daraus wird.

Nein, hat keine Bewandtnis, war nur das Erste, was mir durch den Kopf schoss :)
Graeculus (69)
(21.12.14)
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 Dieter_Rotmund (21.12.14)
"Schienbeibruch"? "Butte bei die Fische"?
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