Noch mehr Schmerz

Erzählung zum Thema Angst

von  Alias

In der Nacht kommt der Schmerz wieder, diesmal von einer neuen Seite. Vom Magen her oder tiefer. Er ist so schlimm, dass ich mich auf den Boden werfe und Heulkrämpfe kriege, und dabei bin ich doch so stark, was Schmerzen ertragen angeht. Doch diese kann sogar ich nicht mehr ertragen. Mein Mann muss meine Tochter anrufen, sie kommt und tröstet mich, sie hat mir ein großes Kissen mitgebracht, damit ich meine Beine darauf legen kann. Es wird besser. Ich kann am Abend sogar mit Freunden auf dem Balkon feiern. Sagen wir mal so, früher konnte ich besser feiern...

Aber am nächsten Morgen ist es schlimmer als je zuvor. Ich schreie vor Schmerzen. Meine Tochter bringt mich ins Krankenhaus, dort legt man mich an einen Tropf, der permanent schmerzstillende Mittel in mich hineinlaufen lässt. Aber die Schmerzen bleiben, werden erst nach Stunden allmählich schwächer. Diese Schmerzen gönne ich meinem ärgsten Feind nicht, sage ich zu meiner Schwester. Du hast doch gar keine Feinde, meint sie.
Nein, ich habe keine Feinde, doch, einen habe ich, den Krebs. Und ich habe gelbe Augen, es kommt wohl von meiner Bauchspeicheldrüse, sie hat sich entzündet. Um mich herum redet man von Operation, aber auch davon, dass mein Körper zu geschwächt ist. Kann es sein, dass meine Organe ihrer Tätigkeit einstellen? So schnell? Vor drei Wochen ging es mir noch relativ gut, ich habe Freunde besucht, ein fast normales Leben geführt, das Hospiz schien in weiter Ferne zu sein, und auch das Dahinvegetieren unter der Morphiumpumpe konnte ich mir kaum vorstellen. Ich habe das alles verdrängt. Wollte nichts Genaues über meine Krankheit wissen, habe keinen Kontakt gesucht zu Leidensgenossen. Aber jetzt auf einmal ist es da, in greifbarer Nähe, und ich habe Angst, hilflose Angst...

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