Teil 25

Roman

von  AnastasiaCeléste

Ein energisches Hämmern hallte durch die Wohnung. Ave setzte den kühlsten Gesichtsausdruck auf, den er sich in den letzten Jahren aneignen konnte.
Er ließ sich ein wenig Zeit, bevor er zur Eingangstür ging und sie langsam öffnete.
Er blickte in vier Gesichter, die ihm durchaus bekannt waren. Zwei der Männer kannte er schon seit seinem ersten Tag unter Corvins Fittichen. Die anderen beiden kannte er flüchtig vom Sehen. Sie waren noch nicht sonderlich lange in diesem Geschäft. Wahrscheinlich mit den gleichen Versprechungen angelockt, wie er selbst vor langer Zeit.
Die Männer waren einen Moment lang überrascht und irritiert, als sie Ave erkannten. Sofort senkten sie ihre Waffen, die Schussbereit in ihre Händen lagen.
„Ave, wir wussten nicht dass du hier wohnst“, stammelte einer der Jüngeren.
„Schon gut“, unterbrach er ihn und sah ihren Anführer auffordernd an.
„Bist du allein?“ wollte dieser wissen.
„Nein. Mein Bruder ist hier“, gab Ave, ohne eine Miene zu verziehen, an.
„Ist er gechippt?“, fragte wieder der Gleiche.
„Nein, bislang noch nicht. Aber er ist bereit, sich ins System aufnehmen zu lassen“, erklärte Ave und trat ein Stück von der Tür weg, um ihnen zu symbolisieren, dass sie eintreten dürfen.
Während die vier Männer den Flur entlang Richtung Wohnzimmer gingen, entging Ave nicht, dass sie sorgfältig Ausschau hielten. Jede offene Zimmertür nahmen Sie in Augenschein.
Ave hatte zwar seinen Status bei den Männern, aber hier zeigte sich ganz deutlich, dass dieser ihm wenig nütze, in einer solchen Situation.
Er hatte seinen jüngeren Bruder gebeten im Wohnzimmer zu warten. Als die vier ungebetenen Gäste eintraten, saß Asher ganz ruhig auf dem Sofa und blickte die Eindringliche verbittert an.
Sein Fluchtreflex spannte seine Nerven bis aufs Äußerste. Er hatte das Gefühl, alles was er war, was ihn ausmachte, würde er hier in diesem Raum verlieren. Sein Leben, seine letzte kleine Einbildung von Freiheit.
Ein Blick zu seinem Bruder, sagte ihm, er solle sich beruhigen. Ave war in diesem Moment selbst ein Haufen Elend. Nur nach außen hin wirkte er auf seinen Bruder stark und ruhig.
Ave ging der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass er seinen Bruder hier geradewegs zur Schlachtbank geführt hatte.
Der Älteste der Männer baute sich vor Asher auf und spulte seinen üblichen Text ab. „Sind sie gewillt, sich freiwillig einen Chip einsetzen zu lassen?“ „Ja“, antwortete Asher gequält. „Werden sie Widerstand leisten?“ „Nein“, versprach er und hatte ein ganz anderes Szenario vor dem inneren Auge.
Sofort begann ein anderer, Ashers Daten aufzunehmen. Dieser hielt ihm einfach nur seinen Ausweis vor das Gesicht, während er die Vorbereitungen für die Mini-OP verfolgte.
Der Typ, der die Injektionskanüle vorbereitete las dem, der die Daten aufgenommen hatte, die Chipnummer vor, der der andere sofort auf seinem Formular vermerkte. Ein weiterer Typ kam mit ihm auf Augenhöhe, bevor das Blitzlicht einer Kamera ihm in den Augen brannte. Damit war das unheilvolle Band geknüpft.
Ave stand mit verschränkten Armen im Türrahmen und kämpfte gegen den Impuls an, seine Waffen zu ziehen und das zu tun, wofür er ausgebildet worden war. Es wäre so einfach gewesen. Das Überraschungsmoment hätte ihm viel Zeit eingebracht. Aber es war zu riskant und Asher wäre in Gefahr gewesen. Zwecklos - Sie waren nur vier von einer langen Liste.
Asher starrte seinen Bruder ausdruckslos an, als er die kalte metallische Kanüle im Nacken spürte. Einen Sekundenbruchteil später durchstach ihre scharfe Spitze seine Haut und schob sich, scheinbar unendlich weit, darunter.
Es war ein unangenehmes Gefühl, das ihm einen Schauer über den Körper jagte. Seine Haare auf den Armen stellten sich auf, wie bei einer Katze in Abwehrhaltung.
Asher spürte, wie der Kerl den Kolben herunterdrückte und somit den winzigen Chip einsetzte. Dann war der Spuk vorbei. Als niemand mehr an ihm rumwerkelte spürte er einen dicken, warmen Blutstropfen seinen Nacken hinunterrinnen, wo er unter seinem Shirt verschwand.
Während er nur verschwommen so etwas wie „Danke für Ihre Kooperation“ vernahm, kam der nächste Teil Ihres Besuchs.
„Ave, ich frage nur ungern, aber ich muss das tun“, gab der Anführer-Typ zu. „Dürfen wir uns hier kurz umsehen?“ Ave nickt. „Natürlich.“ Er wies ihm den Weg in den Flur. Die Tür zum Bad, zur Küche und zu Ashers Raum stand offen.
Zwei von Ihnen machten nur einen Schritt in die Räume hinein, sahen sich um, und kamen wieder zurück.
Je näher Sie Cats Raum kamen, desto angespannter wurde Ave.
Als er die Tür zu ihrem Raum öffnete, hoffte er, dass Asher nichts Auffälliges übersehen hatte.
In Windeseile hatte er die zwei Regale leergeräumt, auf denen sie Schminkzeug, Schmuck und ein paar Bücher stehen hatte.
Selbst das Bett hatte er noch abgezogen, sodass nur noch eine triste, weiße Bettdecke und ein Kissen zu sehen waren.
Fein säuberlich ausgerichtet, sah es komplett unbenutzt aus. Ave war überrascht und erleichtert, als die Männer mit wenig Interesse wieder abzogen. Ein letzter Blick in sein eigenes Zimmer und die Truppe verließ die Wohnung.
Ave ging zurück ins Wohnzimmer.
„Sie haben nichts in Cats Zimmer bemerkt. Gut gemacht“, lobte er seinen kleinen Bruder, der nur nickte.
Ave sah prüfend aus dem Fenster. Niemand war zu sehen. Als er sich umdrehte, sah er den Blutstreifen im Nacken seines Bruders.
Asher blieb weiterhin still. Erst als Ave aus dem Bad ein nasses Tuch geholt hatte, mit dem er ihm das Blut aus dem Nacken wischte, bedankte sich Asher leise. „Wir müssen Cat da rausholen.“ Ave nickte. „Wir müssen noch ein bisschen warten. Sie werden sich noch in den Nachbarhäusern befinden. Aber ich mach das schon.“ Er klopfte seinem Bruder auf die Schulter. „Tut mir leid“, sagte Ave leise und sank in den Sessel gegenüber von Asher.
Die Minuten schienen sich endlos hinzuziehen. Erneut warf Ave einen prüfenden Blick aus dem Fenster. Die Gegenüberliegenden Fenster waren Dunkel. Kein Vorhang bewegte sich, kein helles Gesicht war in Ihnen auszumachen.
Vorsichtig schlich Ave durch das Treppenhaus. Die Tür zum Hinterhof öffnete er zunächst nur einen Spalt, um noch einmal zu prüfen, ob alles ruhig war.
Wenige Sekunden später war er am Wagen. „Cat, ich bin es, Ave“ sagte er leise, bevor er den Kofferraum aufschloss.
Ihm blinzelte eine völlig aufgelöste junge Frau entgegen. Die Arme um den Körper geschlungen, hatte sie sich zusammengerollt, in Erwartung des Schlimmsten.
Ihr Make-Up war verlaufen von den Tränen, die ihr in einer Welle von Angst über das Gesicht geflossen waren.
„Beruhig dich und komm da raus“, flüsterte er bestimmt, während er ihr half, aus dem Kofferraum zu klettern.
Er zog sie neben sich her, zurück in die Wohnung.
Als Asher die schwarzen Streifen auf Ihrem Gesicht sah, war all sein Kummer über sich selbst verzogen. „Geht’s dir gut?“ war seine erste aufgeregte Frage. Cat nickte. „Es ist alles in Ordnung. Ich hatte nur ein bisschen Panik da drin“, erklärte sie eilig, bevor sie sich mit ihrem Strickjackenärmel über die Wangen wischte, um jegliche Spuren zu beseitigen. Während sie sich neben ihn setzte, erhaschte sie einen Blick auf seinen freien Nacken. Betroffen legte sie ihm eine Hand auf den Arm.
Die kleine Gruppe versank in ein ernüchtertes Schweigen. Erleichtert darüber, dass die Sache glimpflich ausgegangen war, besorgt, weil sich die Schlinge immer enger zuzog.

Zur gleichen Zeit waren die Aufstände im nördlichen Teil der Stadt im vollen Gange.
Ein paar Tage zuvor geriet eine Gruppe aggressiver Jugendlicher mit ein paar von Corvins Wachleuten aneinander. Sie waren nicht gechippt und forderten an einer der Straßensperren Durchlass. Aus dem verbalen Gefecht wurde in kürzester Zeit ein Gemetzel. Die jungen Leute schienen auf einen Kampf vorbereitet, aber eine einzelne Schusswaffe und ein paar Messer konnten nicht viel ausrichten, gegen ein ganzes Heer gut ausgebildeter Leute, mit präzisen Feuerwaffen.
Einer nach dem Anderen ging tödlich verletzt zu Boden, bis niemand von ihnen mehr stand.
Dieses Szenario war der Auslöser für weitläufige Unruhen im gesamten Norden.
Weitere starben, weil irgendwo jemand die richtigen Knöpfe gedrückt hatte. Jeder, der den Straßensperren in feindlicher Absicht zu nahe kam, wurde ohne lange Diskussion eliminiert. Leute die einen Chip trugen fielen um, wie die Eintagsfliegen, wurden beiseite gekehrt und weggebracht, als würde man Müll entsorgen.
Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die ganze Stadt vollkommen außer Kontrolle geraten und endgültig Krieg ausbrechen würde.
Dieses bedrohliche Szenario würde unausweichliche Realität werden, sofern keine unwahrscheinlichen Wunder passieren würden.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (01.01.15)
Das Ende gefällt mir gut, weil es deutlich zeigt, wozu absolute Kontrolle führt. Naja, die NSA und die CSU sieht das vielleicht anders...
1000sternenjäger (63) meinte dazu am 10.03.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram