Kasimir und der halbgegrillte Fisch

Groteske

von  IngeWrobel

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Mein Freund Korbinian lud mich zum Essen ein. Er wohnt in einem schönen Reihenhaus mit Garten. Dort, wo die Terrasse in den Garten mündet, hat Korbinian eine Stelle zum Grillen eingerichtet. Sein Grillplatz ist frei von störendem Bewuchs, damit der Rauch gut abziehen kann, wenn Korbinian grillt.
Von allen Nachbarn ist der Platz gut einzusehen und befriedigt mitunter den nachbarlichen Voyeurismus, wenn das Fernsehprogramm mal wieder Uninteressantes bietet.
 
Korbinian grillt oft. Sehr zum Ärger seiner Nachbarn, denen der Geruch des leckeren Grillguts Appetit und sie neidisch macht, oder der Rauch, je nach Windrichtung, sie eiligst ihre Fenster schließen lässt und sie von ihrem Balkon vertreibt.
 
An einem schönen Samstagnachmittag hatte meine junge Freundschaft mit Korbinian eine neue Marke erreicht, denn ich war zum Grillen eingeladen.

Ich liebe Tiere. So sehr, dass ich Vegetarierin geworden bin. Ein Haustier ist in meiner Wohnung nicht gestattet, aber bei Freunden und Bekannten bin ich als Tiersitter beliebt. Ich wusste, dass Korbinian einen Hund hat – und freute mich darauf, ihn kennenzulernen.
Am Samstag dann lernte ich Kasimir kennen, einen ganz bezaubernden Schnauzer, der mich freundlich begrüßte. Wir gingen in den Garten, in dem Kasimir unangebunden herumflitzen konnte, weil ein Gartentürchen den einzigen Ausgang zur Straße versperrte.

Korbinian zeigte mir das Grillgut, eine ausgewachsene ausgenommene Lachsforelle, deren Augen mich traurig ansahen. Nachdem ich Korbinian davon überzeugt hatte, dass ich auf keinen Fall diesen Fisch essen würde, fanden wir in der Küche Gemüse, das sich zum Grillen eignete und das ich essen wollte.

Als die Grillkohle die nötige Hitze entwickelt hatte, bat mich Korbinian, Kasimir an die Leine zu legen. Er sollte als noch junger und unerfahrener Hund nicht zu nah an den Grill geraten. Funkenflug und heiße Spritzer konnten nicht ausgeschlossen werden, und Kasimir hatte den Grillaktivitäten seines Herrchens bisher noch nie beigewohnt.

Ich nahm die Leine, um sie an Kasimirs Halsband zu binden. Der kleine liebe Kerl sprang fröhlich an mir hoch und um mich herum, sodass sich die Leine um seinen Hals legte. Ich hatte das freie Ende der Hundeleine am Gartentor befestigt. Nun wollte ich Kasimir befreien, aber er lief wie in Panik vor mir her. Bei jedem Schritt legte sich die Leine fester um seinen Hals und er flüchtete in die falsche Richtung. Als ich ihn erreichte, lag Kasimir still und reglos im Gras.
Von den umliegenden Balkonen drangen plötzlich erregte Stimmen an mein Ohr: „Sie hat den Hund getötet!“ „Das arme Tier – wie blöd kann man nur sein!“ „Wo ist denn das Herrchen ... warum tut der denn nichts!“

Das Herrchen stand, wie zu einer Salzsäule erstarrt, am Grill und blickte auf seinen strangulierten Hund.
Korbinians Hände steckten in dicken Grillhandschuhen und die rechte Hand hielt eine Grillzange fest umklammert, die wiederum einen halbrohen Fisch umklammerte. Dann fiel sein Blick auf mich.
Ich erwachte schlagartig aus meiner Paralyse. Unter diesem Blick und den Kommentaren der entsetzten Zuschauer verließ ich wie der Blitz den Garten ... und verschwand aus Korbinians Leben.

Ob auch Kasimir an diesem Tag aus seinem Leben verschwand oder gerettet werden konnte, hab ich nie erfahren. Eine zweite Einladung zum Grillen gab es nicht.

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Kommentare zu diesem Text


 solxxx (23.01.15)
Unter diesem Blick und den Kommentaren der entsetzten Zuschauer verließ ich wie der Blitz den Garten ...
Das hättest Du besser nicht getan, denn das sah nach einem Schuldgeständnis aus. Kasimir hat eindeutig Suizid begangen und alle glaubten, Du wärst es gewesen. Tst, tst, tst LG Alfred

 IngeWrobel meinte dazu am 23.01.15:
Ja, es ist ein Schuldeingeständnis. Ich, Blondine Senta, habe erneut eine Katastrophe heraufbeschworen ... und wieder ist ein Fisch involviert. Vor Jahren beförderte mein "Karpfen blau", der in Wahrheit ein Koi war, meinen Gatten in die Klapsmühle - und nun das! Irgendwie hab ich kein Händchen für Männer mit Tieren... *verzweifelt kuck*
Dank Dir fürs *chen,
Inge : )
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