Vorbereitung zur Praxis

Beschreibung zum Thema Meditation

von  LotharAtzert

Eigentlich habe ich mich immer als Außenseiter gesehen. Selbst das Zuhause war mir fremd. Heute, wo ich verstehe, warum das so sein musste, bin ich froh darüber, daß es mir höchstens einmal halbherzig glückte, mich irgendwo für kurze Zeit anzupassen. Denn durch das Nichtdazugehören erwuchsen mir erst die Fragen nach dem Warum allen Hierseins.

Meine Eltern suchten nicht, jedenfalls keine geistig Klärung. Dazu muß man sich nämlich Unwissenheit eingestehen und das taten sie nie. Sie begnügten sich mit dem in ihrem Umkreis Vorgefundenen. Mir aber fehlte die Klarheit, wie die Luft zum Atmen und ich spitzte die Ohren, sobald ich diesbezüglich irgendwen irgendwo irgendwas sprechen oder vermuten hörte.
So hörte ich als Kind hier und da Namen nennen, wie Sigmund Freud, C.G.Jung, Friedrich Nietzsche, Hesse, Laotse, Buddha und einige andere. Manchmal waren es auch Kalenderblätter mit einem Spruch. Warum die mir unmittelbar bedeutsam schienen, wusste ich garnicht, erkläre mir das aber heute durch die Art und Weise, WIE die Namen der Personen von anderen genannt wurden, nämlich mit großem Respekt. So beschloß ich, alles das zu lesen, was mein Herz schneller schlagen ließ, damit ich irgendwann vielleicht Klarheit erlangte.
Ein Buch nach dem andern verkonsumierte ich, aber meine Hoffnung wurde nicht erfüllt. Das  lag nicht am Gelesenen, ( - gut, mit Freuds Theorien vermochte ich nicht viel anzufangen, mit Jung und dem Taoteking schon mehr ...) sondern an mir, der ich einfach nicht wusste, wie man von der Theorie in die richtige Praxis kommen konnte - wie man also anfing, den Geist zu klären. Und so sperrte ich noch weiter die Ohren auf, um zu hören, wo denn entsprechende Meister persönlich aufgesucht werden könnten, um durch sie vielleicht eingeweiht zu werden in irgenwelche verborgenen Weisheiten.

Eines Tages fiel mein Blick unweit des Frankfurter Universitätsgeländes auf ein Plakat, worauf ein Vortrag angekündigt wurde, den ein gewisser Pir Vilayat Inayat Khan halten sollte - seines Zeichens Oberhaupt eines Sufi-Ordens. Eigentlich ... der Islam war mir fremd geblieben, aber einen Meister der mystischen Tradition trifft man nicht alle Tage und so ging ich einfach mal hin.
Ein stattlicher, ja schöner Mann mit zwei ebenso schönen Ehefrauen erwartete uns, die etwa vierzig bis fünfzig meist jüngere Menschen - ich erwähne es nur, weil das Äußere - zwei Frauen für einen Mann -  mich damals stark beeindruckte. (- hören und sehen kann man Pir Vilayat Inayat Khan übrigens auch auf Youtube)
Was der Pir im Einzelnen mit seiner sanften, eindringlichen Stimme erzählte, weiß ich heute nicht mehr, aber wir sangen dann mit ihm gemeinsam ein Sufi-Mantra und ich kann nur sagen, daß ich nie wieder so schnell in einen tranceähnlichen Zustand fiel, wo ich vermeinte, sämtliche Glocken aller Kirchen im Umkreis Frankfurts würden sturmgläutet - dabei waren es nur unsere fünfzig  heisere Anfängerstimmchen.

Ein nicht unerheblicher Nebeneffekt war, daß ich damals dort meinem zukünftigen Arbeitgeber Wolfgang Jünemann vom Irisiana-Verlag erstmals begegnete, der heute "Windpferd" heißt. Doch sowohl für ihn, als auch für mich war die Sufi-Praxis nicht das, wonach uns verlangte. Auch lernten wir uns erst auf dem nächsten Seminar kennen.

Das war bei  einem amerikanischen Zen-Meister, Roshi Kapleau, dessen Werk "Die drei Pfeiler des Zen" damals starke Wirkung in Westeuropa entfaltete. Seine Methode des "Zazen" - halbstündliches Sitzen im Wechsel mit schweigendem Gehen, zwei Tage lang - bei Schläfrigkeit gab's einen (schmerzlosen) Schlag mit dem Stock zwischen die Schulterblätter, was tatsächlich  die Konzentration förderte.
Zu dem Zeitpunkt war Frankfurt so etwas, wie das spirituelle Zentrum Deutschlands: Teestuben entstanden, heidnische Things, im Middle Earth gabs allerhand Devotionalien, sowie tausende von Bücher, LSD-Professoren wie der kürzlich in Donegal verstorbene Hans Hinrich Taeger
gaben sich die Klinke in die Flowerpower-Hand, Indien-Shops verkauften zu Sitar-Klängen Firstflush-Darjeelings, Hippiekleidung und überall schweelte der süße Duft von Sandelholz. Krishnapeoples zogen in langen Gewändern durch die Straßen, sangen, von Zimbeln begleitet "Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna Krishna, Hare Hare; Hare Rama ..." Das Brahma Kumaris lehrte den Raja-Yoga, königlich zwischen den Banken. Bei ihnen lernten Staunende den Unterschied zwischen Brahma, Brahman und Atman - aber all das vermochte nicht meinen Geist zu klären. Im Gegenteil - wie Salzwasser vermehrte es den Durst.

Das Ganze währte nur knapp vier Jahre. Es fiel rasch in sich zusammen, wie alles, was nicht der Ordnung des Himmels entspricht. Heute erinnert nichts mehr an diese bunte Hippie-Zeit. Die Mainmetropole ist jetzt "stylish" und "in" - dh. fester denn je in der Hand des Großkapitals und der Mafia - Bankfurt eben.

Dann aber kam Ole Nydahl - ich erwähnte ihn bereits in "Was Flügel verleiht". Witzigerweise überlebte er einen Fallschirmabsprung, bei dem sich der Schirm nicht öffnete. Nachdem Ole vom tibetischen Vajrayana-Orden der Kagyudpas und dessen Oberhaupt, SH. d. 16. Gyalwa Karmapa schwärmte, der in Kürze nach Kopenhagen käme, begann er unmittelbar von dem zu sprechen, was ich so lange suchte: Den Einstieg zum Praktizieren, und zwar durch die vier Betrachtungen, die den Blick auf die Lehre richten helfen.

"- Der erste Punkt der Betrachtung: Die Kostbarkeit der menschlichen Geburt, die schwer zu erlangen und leicht zu zerstören ist. Viele günstige Faktoren und Verdienste müssen zusammenkommen, bis man Mensch wird, wozu nicht bloß die geeigneten Eltern am bestimmten Ort in der entsprechenden Zeit gehören, sondern vor allem das Mitgefühl mit anderen Wesen ...

- Der zweite Punkt der Betrachtung: Tod und Vergänglichkeit. Obwohl diese menschliche Geburt also viele Möglichkeiten des Wachstums gestattet, ist die zur Verfügung stehende Zeit knapp bemessen, so daß wir nichts auf morgen verschieben können. Wenn wir sterben, was jeden Moment geschehen kann, verwandeln wir uns in einen Leichnam und dann ist alles zu spät.

- Der dritte Punkt der Betrachtung: Karma - Ursache und Wirkung. Alles Verursachte hat Folgen, auch über den Tod hinaus, ja die Taten bestimmen sogar, als was wir wiedergeboren werden. Denn was man aussendet, das kehrt unweigerlich zuletzt wieder zum Verursacher zurück. Wir kennen das aus "Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück."

- Der vierte Punkt der Betrachtung: Leiden. Um das durch Unwissenheit, Gier und Haß bedingte, stetig wiederkehrende Leiden zu beenden, praktizieren wir das, was bewußte Klarheit, Mitgefühl und Weisheit entstehen läßt.
Je klarer diese vier Punkte werden, umso unerschütterlicher wird unsere Motivation.
  "

Die vier werden als Stütze am Anfang jeder Meditation kurz in die Erinnerung  gerufen. Danach erst beginnt die eigentliche Praxis. Man kann sie jedoch auch einzeln, oder alle vier zusammen zur Meditationsgrundlage machen, solange, bis die Motivation kräftig genug für tiefergreifende Praktiken wird.
Das Hören der vier Punkte verursachte bei mir so etwas, wie eine Initialzündung.

 externer Link Ole Nydahl, Tod und Wiedergeburt

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Kommentare zu diesem Text


 harzgebirgler (22.01.18)
bei mir hat heidegger was initiiert
das mich auf gänzlich andre wege führt'.

abendgrüße
h.

 LotharAtzert meinte dazu am 23.01.18:
Aber doch ists Axiom:
Alle Wege führn nach Rom!

Gruß und Dank
L.
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