Marthas Ku(h)dammbummel

Text zum Thema Alltag

von  modernwoman

Martha hat heut Ausgehtag. Sie hat sich richtig schnieke gemacht und will den Kudamm - sie betont dabei das Wort, dass es sich wie Kuh anhört und sie ist der Meinung, dass sich dort eine Menge blöder Kühe rumtreiben - unsicher machen. Da es ziemlich kühl ist, zieht sie ihren Kaninchenmantel an, der auf Nerz getrimmt ist. Ein buntes Tuch um den Hals und einen feschen kleinen Hut auf ihren zu einem Dutt gedrehten Haaren. Na ja, vornehm geht eben die Welt unter. Schlüsselbund, Geldbörse mit Ausweis, ihr altes Motorolahandy und eine kleine Dose Pfefferspray - man weiss ja nie - wandern in ihre bauchige Handtasche, die auf den ersten Blick wie Kroko aussieht. Nun noch ein wenig einnebeln mit der Allzweckwaffe Kölnisch Wasser und fertig ist Martha und zum Abmarsch bereit.

Sie hat Glück. Gerade kommt sie an der Bushaltestelle an, da ist auch schon ihr Bus da. Sie steigt ein und setzt sich auf den freien, etwas erhöhten Platz hinter dem Fahrer. Der Bus fährt an und Martha schaut sich neugierig um. Die meisten Fahrgäste sind sehr jung, scheinen aber fremdgesteuert zu sein. Ihre Blicke hängen wie gebannt auf den Displays ihrer Smartphones und ihre Finger vollführen auf dem Display wilde Wisch- und Klopfbewegungen. Kopfschüttelnd dreht Martha ihren Kopf in Fahrtrichtung, setzt sich gerade hin und atmet tief durch. Sie findet es schade, dass Karla, die eigentlich mitkommen wollte, kurzfristig abgesagt hat. Aber sie wird sich auch allein amüsieren. Das jedenfalls hat sie sich fest vorgenommen.

Am Europa Center steigt Karla aus. Eigentlich wollte sie zuerst ins Cafe Eisgrün nach Halensee. Aber der Bus in diese Richtung ist ihr vor der Nase weggefahren und sie hat jetzt Appetit auf ein schönes Eis. Im Europa Center gibt es ein Cafe, in dem man Eis2Go kaufen kann. Sie hat nämlich keine Lust, sich am Wasserklops hinzusetzen. Pistazie, Walnuss, Erdbeer - genau die richtige Mischung für Martha, um in die richtige Freizeitstimmung zu kommen. Die Sonne scheint und das Eis schmeckt ihr. Sie bleibt kurz bei den Pflastermalern stehen und schaut ihnen zu. Sie hat mal gehört, diese jungen Leute sollen alles Studenten aus der Kunsthochschule sein. Na ja, ihre Bilder sehen auch sehr professionell aus. Wird dann wohl stimmen, was man ihr erzählt hat. Vor den Stufen zur Gedächtniskirche zeigen ein paar Jungen akrobatische Moves, begleitet von hämmernden Rhythmen. 

Gemütlich schlendert Karla die Strasse entlang, überquert einige Querstrassen  und ehe sie es sich versieht, steht sie schon am Adenauerplatz. Sie überlegt kurz, ob sie ihren Schneider besuchen soll, der ganz in der Nähe in der Brandenburgischen Strasse sein Geschäft hat. Dabei tritt sie in Gedanken dicht an die Fahrbahn und bekommt einen Riesenschreck, als eine LKW-Hupe aufbrüllt. Der LKW, der noch die Grünphase erwischen will, tritt ordentlich aufs Gas und durch Luftzug fliegt Marthas schickes kleines Hütchen vom Kopf und auf die Fahrbahn. Gerade will Martha hinterher, da hupte wieder und ein Pkw braust heran. Sicher will auch er noch über die Kreuzung, ehe die Ampel umschaltet. Dabei überrollt erzuerst mit rechten Vorder- und gleich darauf mit dem Hinterrad das Hütchen. Da liegt es nun und ist platt wie eine Flunder.

Ein Radfahrer, der ebenfalls an ihr vorbei fährt, schaut auf auf die Stofflunder, die einmal ein Hut war, dreht sich zu Karla und ruft lachend:

"Na Muddan, den brauchste woll nich mea uffzubüjeln, wa."

Dann dreht er den Kopf und radelt weiter. Martha schaut nach links, ob noch was kommt. Da die Strasse gerade frei ist, eilt sie zu ihrem Hut, ergreift ihn und steckt ihn in ihre Handtasche. Plötzlich ist ihr die Lust am Flanieren vergangen. Sie biegt in die Wilmersdorfer Strasse ein, läuft bis zur Kantstrasse und nimmt dort die U-Bahn Richtung Spandau. Am Mierendorfplatz steigt sie aus. Als sie die Treppe zur Strasse hochgeht, kommt ein junger Mann die Treppe runtergerannt. Plötzlich rutscht ihm die Trainingshose bis auf die Knie runter und er macht einen Überschlag. Jemand schreit erschrocken auf. Martha ist stehengeblieben und schaut nach unten, ob der junge Mann sich vielleicht verletzt hat. Dieser jedoch erhebt sich langsam, biegt seinen Körper nach rechts und links, wobei er die nach unten gerutschte Trainingshose wieder an ihren Platz befördert. Eine ältere Dame, die daneben steht, fragt, ob er sich etwas getan hat. Er schüttelt den Kopf und geht seines Weges. Martha setzt sich an der Haltestelle auf eine Bank wartet dort auf ihren Bus. Wenn sie zu Hause ist, wird sie Karla eine Menge zu erzählen haben.

Cornelia Warnke

P.S. Die Geschichte mit dem Hut am Kudamm ist real. Das ist vor langer Zeit Winis Oma passiert. Wini hat mir freundlicherweise gestattet, den Vorfall in meine Geschichte einzubauen.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (09.02.15)
Bin gerne mitgebummelt. Da soll einer sagen, der Alltag sei langweilig.

LG
Ekki
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