Der Karneval und die Gebildeten unter seinen Verächtern*

Ansprache zum Thema Fasching/Karneval

von  EkkehartMittelberg

Ihr Muffel wollt den Fasching meiden,
ihr könnt ihn auf den Tod nicht leiden.
Mit saurer Miene schaut ihr zu,
Verweigerung, das ist der Clou.

Ich kann die Abstinenz verstehen,
man lässt die Narren einfach gehen.
Was soll euch Massenmummenschanz?
Seid ihr doch Masken, immer, ganz.

Doch wer im Leben eine Nacht
gelöst am Rheine hat verbracht,
der weiß die Lockerheit zu schätzen,
mögt ihr doch grinsen, feixen, ätzen.

Ich sage es euch frank und frei,
ein Griesgram ist mir einerlei.
Wir Narren lachen kostenlos,
was kümmert uns ein Trauerkloß!

© Ekkehart Mittelberg, Februar 2015


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

*Die Überschrift ist eine Anlehnung an Friedrich Daniel Schleiermacher: „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“ (1799).

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (16.02.15)
Oh, verkleiden ist toll, durfte ich doch mal als Grinch und als Mumie auftreten. Jeder Schauspieler wird mit Begeisterung von Masken erzählen. Aber Karneval ist etwas anderes...

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Danke, Trekan. Ja, Karneval ist etwas anderes... . Er spiegelt die Gesellschaft mit humorlosem Witz auf Bestellung und bewundernswerter Kreativität. Ich suche mir das Beste heraus.

 FRP (16.02.15)
Nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Gefangenschaft entlassen und vor die Alternative gestellt, ob er dort am Rhein bleiben sollte, oder
zu Muttern - allerdings auch mithin zu den Russen - zurückzugehen, entschied mein Vater sich nach einigen "närrischen" Erlebnissen mit Rheinländern für die weniger schlimme Alternative. Und sein jüngster Sohn würde lieber eine Woche Straflager in Leipzig absolvieren, als 1 Stunde Karneval.

Es ist dieser - aus meiner Sicht - ganz und gar alberne Humor ohne jedweden Grund - wir sind lustig, weil es jetzt "Zeit" ist. Mir absolut wesensfremd. Unverständlich. Meinem ganzen Wesen antagonistisch gegenüber stehend. Lieber ein Jahr Sibirien als eine Woche Rheinland zum Karneval.

Das Gedicht ist sehr gelungen, und ich fühle mich und meines Muffel-gleichen gut erfasst Gegen den Karneval habe ich nichts, insofern er mich unbehelligt lässt. Würde mich 1 sogenannter Chef oder Vorgesetzter zwingen, in der Faschingszeit dienstlich ins Rheinland zu reisen; würde ich schon im Zug dafür sorgen, dass ich bei Ankunft gleich inhaftiert werde. Der Begriff "Sicherheitsverwahrung" bekäme endlich einmal wirklichen Sinn. Aber wahrscheinlich würde ich gleich wieder entlassen werden, denn es ist ja Karneval, da kann man schon mal ein Auge zudrücken.
Müsste ich dann einen Jekken mit ner Keule strecken. Sache dann checken.

Als Kind habe ich die Rosenmontagsumzüge jedoch im Fernsehen gesehen, so nach dem Motto: Schau an, die verrückten Wessis; was die alles für Unsinn veranstalten. Da lobe ich mir doch unsere Pionier-Nachmittage.

Mit humorlosen, nein - trotzdem: humorvollen - Grüßen aus Leipzig

 TassoTuwas antwortete darauf am 16.02.15:
FRP warum so boshaft über ein landschaftliches Brauchtum über dessen geschichtliche und gesellschaftliche Hintergründe du offensichtlich nicht informiert bist.
Und da du deine schöne Pionierzeit ins Spiel bringst, hier wird niemand zum Mitmachen gezwungen, im Gegensatz zu so Spaßveranstaltungen, genannt Volkskammerwahlen, zu denen die Hausgemeinschaften von blauen Halstuchträgern geschlossen abgeholt wurden.
99,9% tätä - tätä - tätä.

 niemand schrieb daraufhin am 16.02.15:
Ich kann den FRP verstehen, richtet sich seine sogenannte "Boshaftigkeit" ganz sicher nicht gegen den Humor/das Lachen/den Frohsinn als solches, sondern wie ich es verstanden habe, gegen dieses Zeit verordnete ausüben desselbigen: Ein Knopfdruck und du Mensch, sei ein Narr, ohne wenn und aber. Gleiches passiert zur Weihnachten: Ein Knopfdruck und du Mensch sei besinnlich, liebevoll etc. Ansonsten schenk es dir. Ich kann Menschen nicht verstehen, die lachen, weil es an der Zeit ist dies zu tun. Lachen/Humor haben ist was Schönes, aber doch nicht so. Wir sind doch keine Roboter. Und letztlich will keiner einem Landstrich etwas vorschreiben, dann bitte aber soll dieser Landstrich andere auch nicht "nötigen" zeitlich etwas zu tun, wonach ihnen nicht ist. Eine Sitte kann man doch nicht auf alle ausschütten. Was noch schlimmer ist und das in meiner Region, das ist dieses:
Menschen die sonst muffelig sind bis zum abwinken, die es nicht fertig bringen die kleinste soziale Regung und sei es ein freundliches "Guten Tag" von sich zu geben, diese Menschen fangen an mit an-zu-tä-tä-rän, halten mir ein blödsinnige Hütchen vor die Nase und verlangen, dass ich mich ausschütte vor Lachen. Doch, lachen könnte ich, aber aus anderen Gründen und zwar über die Verordnung zum Lachen. Mit herzlichen Grüßen, niemand

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 16.02.15:
@FRP: Fritz Rainer, du hast die Abstinenz auf den Punkt gebracht. Ich halte mich als Narr heraus und sage: "Jeder soll nach seiner Facon selig werden."
Grüße aus hessisch Sibirien.
@TassoTuwas: Noch nie hat jemand versucht, mich zum Mitmachen zu zwingen, aber ich war vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort.
@Niemand: Irene, du bist für mich hier die Empress of nonsens, ich könnte auch sagen: niemals ohne Humor. Deshalb muss ich deine Kritik am verordneten Humor "ernst" nehmen. Ich habe den Karneval im Münsterland und später in Hessen immer so erlebt, dass die Jecken versucht haben andere einzubeziehen, aber lachend weitergezogen sind, wenn diese nicht wollten. Naja, vielleicht habe ich einfach nur Glück gehabt.
(Antwort korrigiert am 16.02.2015)

 FRP ergänzte dazu am 16.02.15:
@tasso: Wer bisherige Sachen von mir gelesen hat, weiß; dass der Pioniernachmittag nichts als Ironie war. Und ansonsten: Nö, boshaft war das nicht. Ich sage nur: Mir ist das wesensfremd. Dem Bedürftigen sei es herzlich gegönnt.

 TassoTuwas meinte dazu am 17.02.15:
FRP: "Satire darf alles!", ein Satz den ich unterschreibe. Ähnliches gilt für Ironie, nur, man sollte es erkennen können

 solxxx (16.02.15)
Ekki, dann sage ich mal ein fröhliches: Alaaf! Und halte es mit dem Sprichwort: Wer zu Karneval nicht jeck ist, der ist es das ganze Jahr .. aber nicht im Sinne von Karneval. - LG Alfred

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Alfred, es gibt sone und sone Jecken. Ich habe mich immer ein wenig umgeschaut und sonene gefunden. Wie du siehst, lebe ich noch. Da ich ein Spätzünder bin, laufe ich erst Gründonnerstag zur Hochform auf. Aber da ist mein Publikum bedenklich klein. ;-D

 monalisa (16.02.15)
'Kontrovers' lese ich als Leserwertung neben deinem Text, der flüssig geschrieben und routiniert verreimt ist. Und in der Tat bringst du die Gegensätze zwischen Faschingsmuffeln und Karnevalsjecken wunderbar überspitzt auf den Punkt.

Eine Idee, die mir beim Lesen gekommen ist:
Seid ihr doch immer Masken ganz.
'Seid ihr doch Masken, immer, ganz.'
würde meines Erachtens die permanente Verstellung noch stärker betonen und die Inversion zu treffenden Stilmittel machen.

Dir Liebe Grüße, Ekki,

von Mona
(Kommentar korrigiert am 16.02.2015)
(Kommentar korrigiert am 16.02.2015)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Gracie, du hast wie immer den knusus knacticus erkannt, Mona: "Prophete rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitten."
Ich habe meine Narrenkapp mit Sägespäne gepolstert, damit ich die leichten Schläge auf den Hinterkopf, die jetzt auf mich einprasseln, nicht so spüre.
"Seid ihr doch Masken, immer, ganz." Diese kleine effektvolle Veränderung habe ich sehr gern übernommen.

Liebe Grüße
Ekki
janna (66)
(16.02.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Merci, Janna, der Kehraus ist macherorts wenig appetitlich. Ich fürchte, das war immer so und wird auch immer so bleiben. Aber für den, der sich in der Szene ein wenig auskennt, gilt vielleicht das abgewandelte Sprichwort: " Sage mir, wo du reingehst, und ich sage dir, wie du rauskommst." Ich habe auch Erinnerungen an fröhliche, stilvolle Tanzbälle.

Liebe Grüße
Ekki

 Didi.Costaire (16.02.15)
Die Innenansicht unterscheidet sich von der distanzierten Betrachtung.
Doch wer im Leben eine Nacht
gelöst am Rheine hat verbracht,
der weiß die Lockerheit zu schätzen,
mögt ihr doch grinsen, feixen, ätzen.
ist hier quasi das Mittelberg'sche Pendant zu Albers'
Wer noch niemals in lauschiger Nacht
einen Reeperbahnbummel gemacht,
ist ein armer Wicht,
denn er kennt dich nicht,
mein St. Pauli, St. Pauli bei Nacht.
Im Zweifel für den Spaß, sag ich mal.
Liebe Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Gracie, Didi, ich denke, dass die Unterscheidung zwischen Innenansicht und distanzierter Betrachtung die unterschiedlichen Beiträge zu diesem Thema weitgehend erklärt.

Liebe Grüße
Ekki
Fabi (50)
(16.02.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Ach, Fabi, wie schön, dass auch mal jemand sagt, dass es Jecken gibt, die sich der Sache liebevoll annehmen. Wie, hammse noch nich jehört? Schaunse mal bei "YouTube. Herbert Bonewitz." So witzig sind Sie noch nicht einmal, wenn's um nichts geht.
LG
Ekki

 niemand (16.02.15)
.
Na, ja ...
.
Sie lachen massenhaft die Tage,
ihr Bützen: Narrenpflicht.
Doch außerhalb solch Zeit nur Plage.
.
Und wage, wag es nicht!
danach ein Lächeln zu verlangen,
du findest, wenn, dann schwer
ein Augen-Fünklein, tief verhangen
sind die Gesichter -
kein Verlangen,
nach Freundlichkeit und mehr.
.
Der Narren Lachen, das pompöse,
macht manchen ziemlich blind
dafür, dass Narren Trauerklöße
sehr oft im Alltag sind.
.
mit narrenskeptischen Grüßen, Irene

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Ach, Irene es ist alles so entsetzlich traurig

Im Alltag sind wir Trauerklöße
und zeigen jedem unsre Blöße,
doch wenn's für uns mal Sonntag ist,
bleibt hinter uns der ganze Mist.

Die reine Muse wird uns lieben,
befreien uns von dumpfen Trieben.
Wir fliegen ins Narrhallaland,
da kennt noch keiner unsre Schand..

Für kurze Zeit ein kluger Engel
kehrt bald zurück der alte Bengel.
(Antwort korrigiert am 16.02.2015)
Gringo (60)
(16.02.15)
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 niemand meinte dazu am 16.02.15:
@ Gringo
das ist ja der Horror pur! Da kriegt man ja Sodom & Grummera davon ...
Gringo (60) meinte dazu am 16.02.15:
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 niemand meinte dazu am 16.02.15:
;-)))))) und dennoch haste Deinen Humor behalten
*tief verbeug*
Gringo (60) meinte dazu am 16.02.15:
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 Bergmann meinte dazu am 16.02.15:
Geh mich wech,
Gringos Komasutra-Sirenengesang gehört zu den grandiosesten Kommentaren, die ich hier las.
:-)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Gesine, du hast mich erwischt

Von deinen Worten tief betroffen,
bin ich vor Abscheu wie besoffen,
werd Komasutra hinfort meiden
und reuevoll vom Pöbel scheiden.

Mit antizipierten Fastengrüßen
Ekki, ganz zerknirscht
Gringo (60) meinte dazu am 16.02.15:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Gesine, alles hat im Leben seine Zeit, auch der Karneval. Die Narren werden ohne mich auskommen.
Ansonsten gilt: Es gibt Milieus während des Karnevals und in der karnevalsfreien Zeit. Jeder Jeck hat die Wahl.
Agneta (62)
(16.02.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
So isset, Agneta, jedenfalls in Kölle und Mänz. Im Urlaub erlebte ich mal eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, in der man sich Witze erzählte. Nicht undedingt mein Ding. Dann kamen zwei Kölner dazu, die keine Witze erzählten, aber welche erfanden, situativ. Das war mein Ding.
Lächeln zurück
Ekki
Scrag (28)
(16.02.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Merci, Markus, du kannst mir sicher bestätigen, dass die südbadische Fasnet und der Basler Morgenstraich einen anderen Humor repräsentieren als der rheinische Karneval. Es lebe der Unterschied.

LG
Ekki
Scrag (28) meinte dazu am 16.02.15:
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CoffeeTin (34)
(16.02.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Spassibo, Coffee, ein beeindruckendes Beispiel für die differenzierten Rufe der Natur.^^

Kuckucksgrüße
Ekki
CoffeeTin (34) meinte dazu am 16.02.15:
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 sensibelchen13 (16.02.15)
Helau!!!!!!!!!!!!

Närrischen Gruß
Helga

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.02.15:
Helaaf, Helga. Freuen wir uns des Lebens. Es ist kurz genug. Merci.

 harzgebirgler (10.12.17)
als einz'ger sprach zumeist der narr
einstmals an fürstenhöfen wahr -
wer anders zahlt' im fall des falls
dann selten nicht mit seinem hals...

herzliche advents- & abendgrüße
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.12.17:
Gracie, Henning, der Karneval hat viele Gebildete unter seinen Verächtern. Sie mögen nach ihrer Façon selig werden.
Aber auch den Jecken sei jetzt erst einmal eine Adventspause verordnet.
Herzliche Adventsgrüße zurück
Ekki
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