Betrachtung eines Genies (zum 50. Todestag von Stan Laurel)

Dokumentation zum Thema Humor

von  Nachtpoet

Zu einem guten Komiker gehört mehr als nur die Fähigkeit zu stolpern und krumme Grimassen zu ziehen. Gerade zu Slapstick gehört Timing, Timing und nochmal Timing! Ich selbst habe es einmal aus Spaß ausprobiert und habe es aufgegeben, weil man wirklich ernst und ausdauernd an die Sache gehen muss. Aber es gibt eben immer mal wieder Talente, die uns zum schallenden Lachen bringen, weil sie  jahrelang geübt und sich immer wieder verbessert haben. Als der Film gerade in den Kinderschuhen steckte, machte ein in England geborenes Talent mit Theater und Pantomime von sich reden. Sein Name war: Arthur Stanley Jefferson, später, als er beim Film engagiert wurde, nannte er sich Stan Laurel.

1918, als er schon einige Kurzfilme gedreht hatte, stellte ihn der damals führende Klaumauk-Produzent Hal Roach an und brachte ihn später mit einem anderen Ausnahmetalent namens Oliver Hardy zusammen. Stan & Ollie sind bis heute das berühmteste Komiker-Duo aller Zeiten. Aber im Gegensatz zu Oliver Hardy war Stan Laurel auch gleichzeitig Gagschreiber, Kameramann und Regisseur, was ihm auch immer die doppelte Gage einbrachte.

Wer sich heute noch diese Filme anguckt und auch wirklich mal ganz GENAU hinsieht, der ahnt, wie schwer es sein muss, einen Tisch umzurennen, zu stolpern, aber nicht hinzufallen, wenn man die ganze Zeit nach hinten sieht, oder beispielsweise sich erschreckt, die Arme über den Kopf verschränkt, der Hut hochfliegt und man nur in  der Zeitlupe erkennt, dass der Hut nicht vor Schreck hochgeflogen ist, sondern Stan den Hut in einer gekonnten Bewegung blitzschnell hochgeworfen hat um ihn noch im Hochflug wieder zu schnappen und aufzusetzen. Auch die Mimik des Heulens, die Ahnungslosigkeit, die Verwirrtheit, die Unschuld und viele Situationen mehr waren mehr als gekonnt umgesetzt und bleiben bis heute unerreicht!

Laurel profitierte wie viele seiner Zeitgenossen natürlich auch aus seiner Zeit des Stummfilms in den 10er und 20er Jahren. Da waren eben Gestiken, Grimassen und theatralische Verrenkungen der Ersatz für Dialog, der höchstens noch als Zwischentext eingeblendet wurde, damit keine Missverständnisse aufkamen. Die Stärke von Stan Laurel lag wie auch bei Oliver Hardy darin, dass sie mühelos den Sprung vom Stumm- zum Tonfilm schafften, was in der Szene damals durchaus nicht selbstverständlich war. Außerdem wurde mit dem Kino einem breiten Publikum ein Clown mit Wiedererkennungswert präsentiert, der in der Tradition des Wanderzirkusclowns, den Gauklern oder der frühen Theaterlieblingen wie "Little Tich" standen.

Aber das, was Stan & Ollie im Gegensatz zu anderen Komikern ihrer Zeit heute noch so groß macht, ist meines Erachtens der schwer zu erklärende Umstand, dass man auch noch nach 80 Jahren seit dem Entstehen dieser Streifen, vor Lachen vom Sofa fällt und immer wieder nach Luft schnappen muss. Vielleicht liegt es daran, dass die Macher dieser Filme, die schon in den 10er Jahren  gängigen technischen Errungenschaften wie das Radio, die Elektrifizierung eines Hauses, das Auto und vieles mehr mit einbezogen haben. Es ist die moderne Zeit mit all ihren Tücken, die wir alle verstehen.

Als Stan Laurel mit 74 Jahren schon sehr krank war, erzählte er der Krankenschwester, dass er gerade gerne Skifahren würde. Die Krankenschwester meinte, sie hätte nicht gewusst, dass er ein Skifahrer sei. Laurel antwortete daraufhin: „Bin ich auch nicht, aber ich würde es lieber tun als das hier.“ Ein paar Wochen später war Stan Laurel in seinem Sessel friedlich und für immer eingeschlafen." Es war sein letzter Gag. "Wer es wagt bei meiner Beerdigung zu weinen, mit dem rede ich kein Wort mehr!" Hatte er einst zu Lebzeiten gesagt. Sein Freund und Filmkollege Buster Keaton konnte jedoch seine Tränen bei der Beerdigung am 26. Februar 1965 nicht gut zurückhalten. Viele andere Prominente erwiesen ihm ebenfalls die letzte Ehre.

Stan Laurel: Ein Jahrhundertkomiker. Ein Multitalent. Vorbild für viele folgende Stars wie: Spike Jones, Jerry Lewis, Benny Hill, Rowan Atkinson, Diddi Hallervorden oder Charlie Rivel. Er hat die Slapstick neu definiert und geprägt.  


Anmerkung von Nachtpoet:

Übrigens war die Synchronstimme der Stummfilm-Sequenzen von Dick & Doof
der 80er Jahre im ZDF kein geringerer als der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch.

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Kommentare zu diesem Text


 solxxx (24.02.15)
Ein wohlverdienter Nachruf ....
"Wer es wagt bei meiner Beerdigung zu weinen, mit dem rede ich kein Wort mehr!"
Ich werde mich daran halten, auch wenn es schwer fällt.
Danke für den Link, die beiden sind unschlagbar. - LG Alfred

 Nachtpoet meinte dazu am 24.02.15:
Danke. Ja, da hast du recht! LG Ralf

 Didi.Costaire (24.02.15)
Er ist eine Legende und seine Gags leben auch noch nach fast hundert Jahren.
Gut beschrieben, gern gelesen!
Schöne Grüße, Dirk

 Nachtpoet antwortete darauf am 24.02.15:
Danke Dirk, sehr nett!
Liebe Grüße, Ralf

 TrekanBelluvitsh (24.02.15)
Zwei Anmerkungen dazu:

-) Wenn man auch nur einen Teil von Laurel & Hardy Arbeit kennt, erkennt man, dass die Komiker (und heute: Sitcomschreiber) sie sehr gut kennen - und teilweise sogar verstanden haben!

-) Bei genauer Betrachtung stellt man fest, dass Laurel & Hardy in ihren Filmen viel eher die "Normalen" sind, als ihre zum Teil völlig abgedrehte Umwelt.

 Nachtpoet schrieb daraufhin am 24.02.15:
Ja? Ok, das habe ich so noch nicht gesehen.
Danke und LG

 TrekanBelluvitsh äußerte darauf am 26.02.15:
Laurel & Hardy sind nicht so eindeutig gesellschaftskritisch wie z.B. Chaplin es oft ist. Aber z.B. in "Saps at sea" arbeiten beide am Anfang in einer Fabrik, die Autohupen stimmt. (Köstlich... und so weitsichtig wenn man an heutige 'Sounddesigner' denkt). Olli wird dann von dem Gehupe wahnsinnig. Das mag nicht die Schlagkraft von 'Modern Times' haben, aber es ist ein klarer Schlag gegen die moderne Industriegesellschaft, vor allem da der Vorarbeiter in der Szene sagt, dass dort regelmäßig Arbeiter verrückt werden.

 Nachtpoet ergänzte dazu am 26.02.15:
Ach ja stimmt, den Film kenne ich.
Graeculus (69)
(24.02.15)
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 Nachtpoet meinte dazu am 31.03.15:
Ja, Marcel Marceau und Stan Laurel waren Freunde. Danke für die Ausführung! LG

 monalisa (25.02.15)
Hast du gut gemacht, Ralf :). Nicht nur eine Würdigung für den Schauspieler und sein Werk, auch ein winziger Blick auf den Mann hinter der Rolle.
Liebe Grüße,
mona

 Nachtpoet meinte dazu am 25.02.15:
Danke mona, nett von dir. Er ist ja auch mein Lieblingskomiker. Mich interessiert immer, wie jemand sein Talent ausbildet und eines Tages einer der allergrößten ist. Also wie man dazu kommt.

Liebe Grüße
Ralf

 Dieter_Rotmund (03.11.18)
Stummfilme kann man per se nicht (nach)synchronisieren.

Nun ja, man kann irgendetwas drübersprechen. Aber das wäre ein Sakrileg am Stmmfilm.
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