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Gedicht zum Thema Gedichte/Lyrik
von EkkehartMittelberg
Anmerkung von EkkehartMittelberg:
Ein politisches Gedicht willst du schreiben? Du bist ein Einfaltspinsel. Politische Lyrik hat keine Konjunktur.
Wie haben sich die Zeiten geändert. Wer 68 unpolitische Lyrik schrieb, war hoffnungslos konservativ. Er galt als Stützer des zu revolutionierenden Systems und hatte bald die Ideologiekritik auf dem Hals. Wenn er nicht als reaktionär abgestempelt wurde, hatte er Glück. So überboten sich die Intellektuellen bis 1973 in Lippenbekenntnissen für die Abschaffung des spätkapitalistischen Systems zugunsten einer sozialistischen Welt.
Heute haben sich die Verhältnisse fast umgedreht. Nur ganz wenige schreiben noch politische Lyrik, auch hier bei kV, und deren Gedichte finden relativ wenig Interesse. Ich kann für diese Entwicklung keinen rationalen Grund erkennen, denn es gäbe Themen und Motive genug für politische Gedichte, die ja in anderen Testsorten auch abgehandelt werden, zum Beispiel
- die rasant wachsende Kluft zwischen Reichtum und Armut in den Industrieländern,
- die Konzeptlosigkeit gegenüber Flüchtlingsströmen,
- die ungleiche Entlohnung von Frauen und Männern,
- eine Renaissance des Imperialismus durch Kriege,
- Grenzen der Islamisierung,
- der Verlust von Helden in der Literatur etc.
Ist das Vertrauen in die verändernde Wirkung von Politischer Lyrik ganz verloren gegangen, sodass man es nur noch wagt, das zu beschreiben oder zu beklagen, was ist, weil man nicht als naiv gelten will?
Ich wäre dankbar für Ansätze zur Beantwortung meiner Frage.
Kommentare zu diesem Text
(18.03.15)
Die Antwort ist, glaube ich, sehr schwierig und du hast mit dem Begriff "staubtrocken" einen ersten Anstoß gegeben. Merci.
(zensiert by TB)
Einen Grund sehe ich in der Angst, sich öffentlich zu positionieren. Auch mich beschleicht manchmal dieses Gefühl, obwohl ich ungern zugebe, feige zu sein.
(18.03.15)
Aber es gab trotzdem ermutigende positive Beispiele, an denen sich ein Neubeginn orientieren kiönnte. Vielleicht kennst du den einen oder anderen Titel, den ich erwähne: Volker Braun: Das Eigentum, Christa Wolf: Prinzip Hoffnung, Peter Rühmkorf: Soziale Säuberung, Uwe Timm: Lob der Idylle, Kurt Bartsch: Sozialistischer Biedermeier, Günter Eich: Wacht auf, denn eure Träume sind schlecht, Renate Rasp: Suffragetten, Peter Huchel: Der Garten des Theophrast, Sarah Kirsch: Bäume, Ernst Jandl: wien:heldenplatz
Kommt uns nicht mit Fertigem.
Politische Lyrik aus zwei Jahrhunderten
Gedichte und Materialien ausgewählt und bearbeitet von Ekkehart Mittelberg
Berlin: Cornelsen 2001.
Der Absatz dieses Buchs war sehr schlecht.
!970 veröffentlichte ich zusammen mit Klaus Peter: "Deutsche politische Lyrik von 1814-1970 in Vergleichsreihen" bei Klett. Das verkaufte sich in dieser Zeit exorbitant gut.
Vielen Dank für die Erwähnung der Autoren von Marion Poschmann bis Uljana Wolf.
Dein letzter Abschnitt "Einen Neubeginn....eigener Politiker" ist sehr wahrscheinlich. Vielleicht gibt es ja weiter Autoren, die mit Politischer Lyrik spielen - zweckfrei. )
(18.03.15)
LG
Ekki
(Antwort korrigiert am 18.03.2015)
und die eigenen Dämpfe einatmen, das betäubt so
herrlich und dann noch so verschlüsselt wie möglich lettern, das gibt Glücksräusche unter den Lesern, alles andere ist: Bah! mit herzlichen und ironischen Grüßen,
Irene
Ja, wer sich gerne verschlüsselt ausdrückt, der kann natürlich keine Politische Lyrik schreiben, denn die soll ja zünden. Aber vielleicht unterscheiden die feinen Hermetiker nicht zwischen Politischer Lyrik und Agitprop.
es muss nicht reine Politik sein, auch Gesellschaftskritik wird links liegen gelassen und da ist so einiges im Argen, aber was nicht sein darf (von der Werbung eingeprägt) das wird ignoriert. LG Irene
So manches Gedicht kommt ganz unpolitisch daher. Eine kleine Veränderung, und es erhält politische Brisanz. Als Beispiel empfehle ich von Ernst Jandl: falemaleikum (leicht zu googeln).
wenn es nur Interesse fände
In den 68ern hingegen war oft vom Unverstand der Masse die Rede, wenn munter am Publikum vorbeigetextet wurde.
Liebe Grüße, Dirk
Es stimmt, dass in den 68ern viel am Publikum vorbeigetextet wurde. Aber eines hat diese Generation, auch mit entblößender Lyrik geschafft, dass Institutionen wie Gerichte, Universitäten, Banken etc. sich nicht mehr einfach hinter Amtsautorität verschanzen können.
Liebe Grüße
Ekki
(18.03.15)
Das scheint eine der Hauptursachen für die Schwindsucht politischer Lyrik zu sein nach dem Motto: Wo die Politik versagt, kann politische Lyrik nicht zaubern.
Andererseits stelle ich mir deutsche Nachwächterpolitik zu Heines Zeiten vor. War wohl auch nicht sehr motivierend. Aber gerade die desolaten Verhältnisse ließen ihn politisch dichten:
"Denk ich an Deutschland in der Nacht,
so bin ich um den Schlaf gebracht."
Vielleicht ist die überwältigende Dominanz von Innerlichkeitslyrik heute auch ein Spiegel von Saturiertheit, die keine Lust hat, sich aufzuregen.
LG
Ekki
LG
Ekki
Ich erwähne hier beispielhaft einige zu dem Motiv Vaterland:
Heinrich Heine: Nachtgedanken
Hoffmann von Fallersleben. Das Lied der Deutschen
Bertolt Brecht. Kinderhymne
Mascha Kaléko: Emigranten-Monolog
Marie Luise Kaschnitz: Jeder
Kurt Drawert: Heimatgedicht, C-dur
LG
Ekki
Politik und Lyrik halte ich für eine hochbrisante Mischung. in den allermeisten Fällen fliegt dem Dichter was um die Ohren.( Ich denke da an Joh. R. Bechers Hymne auf Stalin)
Warnende Grüße
TT
Wachsame Grüße
Ekki
(28.03.15)
LG
Ekki