Chinas zweiter Langer Marsch

Bericht zum Thema Konsum

von  Nachtpoet

Ein bisschen nachdenklich-irritiert wirkte die sechsjährige Pekingerin schon, als sie auf die Frage der freundlichen Journalistin, ob sie schon einmal einen Sternenhimmel gesehen hätte, mit nein antworten musste, sowie auch auf die Frage nach den weißen Wolken. Wenigstens bei der Frage nach dem blauen Himmel konnte die Kleine mit: "ja ein bisschen" punkten.

Liegt das Dilemma etwa unter anderem darin, dass sich die Erben Maos heute immer noch als Untertanen verstehen? Ist China wirtschaftlich und gesellschaftlich heute da, wo wir in Deutschland in den 60er Jahren waren? "Man hat die Deutschen entweder an der Gurgel oder zu Füßen", meinte Churchill einmal. Übertragen auf die Chinesen könnte man es in: "Ein ganzes Volk wirft sich seinen Machthabern zu Füßen." abwandeln. Wie sonst ist es zu erklären, dass es in China zwar ein Umweltministerium gibt, aber trotzdem - und die Zahl ist unvorstellbar - bis heute 500.000 Tote durch die Luftverschmutzung alleine in Peking zu beklagen sind!

An 175 Tagen im Jahr steigt im Raum Peking die Schadstoffbelastung auf ein gesundheitlich bedenkliches Maß an, dass in Deutschland längst Großalarm ausgelöst hätte.

"Wenn ich morgens meine Atem-Maske aufsetze, dann fühle ich mich gut." Lächelt ein anderer Pekinger in die Kamera. Manchmal wünscht man sich wirklich eine kleine Portion sizilianischer Bauernstreik-Mentalität in einem Land, das über 49 Millionen-Metropolen verfügt! Wobei man fairerweise anmerken muss, dass es schon einige Streikbewegungen gibt, deren Mitglieder auch als sehr mutig angesehen werden dürfen, denn die chinesische Polizei geht bisweilen hart und brachial gegen die Streikenden vor.

Der chinesische Umweltminister Chen Jining lobte zwar den Dokumentarfilm: Under the Dome (Unter der Glocke), der Journalistin und Filmemacherin Chai Jing, gab jedoch auf dem nationalen Volkskongress keine Stellungnahme dazu ab. Er sprach lediglich davon, dass man massiv Emissionen einsparen und jeder sich anstrengen müsse. Man könnte dem Mann jetzt mangelnden Elan unterstellen, aber in China ist es eben noch viel schwieriger als beispielsweise in Deutschland innerhalb der Partei ein Thema zu fokussieren, welches einer bestimmten Großlobby eventuellen finanziellen Schaden zufügen könnte.

Auf einer Fläche, die vier mal so groß ist wie Deutschland, bleibt Smog in China ein dauerhaftes Problem. Das betrifft nicht weniger als 400 Millionen Menschen! Wer jetzt vielleicht glaubt, dass dieses ein rein chinesisches Problem wäre, der schaue sich bitte die Luftströme auf den Gafiktafeln der Tagesschau vom 29.04.1986 an. Auch wenn es damals um eine radioaktive Wolke ging, sieht man doch, wie weitläufig sich umweltgefährdende Partikel grenzübergreifend ausbreiten können.


Anmerkung von Nachtpoet:

 
 

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (12.04.15)
Ich finde es sehr verdienstvoll, dass du dich unter Verzicht auf besserwisserische Ironie des riesigen chinesischen Umweltproblems annimmst, das aus unserer Sicht so weit entfernt scheint. Ein verhängniswvoller Irrtum, falls die Lobby der grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung dort nicht gestoppt werden kann.

LG
Ekki

 Nachtpoet meinte dazu am 12.04.15:
Danke Ekki, ja, in diesem Bericht sollte es in erster Linie um Fakten und Information gehen. Dazu ein paar Fragen. Ich mag auch keine kritischen Texte, die so wirken, als wenn der Erzähler persöhnlich tief beleidigt wäre und er es dann in Zynismus oder sonst was artikulieren muss.

Chinas Umweltproblem ist nicht leicht aus der Welt zu schaffen, das ist sicher.

LG Ralf
Sätzer (77) antwortete darauf am 12.04.15:
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 Nachtpoet schrieb daraufhin am 12.04.15:
Ja danke Sätzer. Ob es die Chinesen in den Griff kriegen? Und wenn ja? Schaffen es die Amis auch? Die Brasillianer, die Inder? Die Pakistanier ... ?

LG
Ralf

 Regina (12.04.15)
Schon 1835, mit der Einführung der ersten Eisenbahn in Deutschland, machten die Vorfahren der heutigen Umweltschützer auf das Problem Smog aufmerksam. Trotzdem lehrte man immer und immerzu die Zauberlösung Industrialisierung als Mittel der Armutsbekämpfung in Ländern der zweiten und dritten Welt. Nun, da sie genau das tun, bekommen und verursachen sie auch die entsprechenden Probleme dazu. Es geht aber darum, wer Exportweltmeister ist, nicht wer erstickt. Oder wer lässt sich in Europa was von ein paar streiklustigen sizilianischen Sozialhilfeempfängern sagen?

 LotharAtzert äußerte darauf am 12.04.15:
Apropos Eisenbahn - Endlich kann man von Tibets Hauptstadt Lhasa bis Peking reisen, ohne umzusteigen.
Die paar Klöster, die die Chinesen während des Baus zerbombten - Kollateralschaden, wie man so sagt.
Und die Taliban können auch noch was von Maos Nachfahren lernen - aus goldenen Buddhastatuen haben sie wenigstens was Nützliches gemacht: Aschenbecher.
Krass, Alder ...

 Nachtpoet ergänzte dazu am 12.04.15:
Tja Regina und Lothar, Vielleicht wird der Mensch erst zur Räson gebracht, wenn die Umweltschäden mehr kosten, als das Verursachen der Schäden einbringt.

Danke euch und LG
Ralf
(Antwort korrigiert am 12.04.2015)

 Melodia (13.04.15)
Das Abstruse daran ist ja, dass die chinesische Regierung sich des Problems durchaus bewusst ist und auch seit Jahren versucht mit Geld und Maßnahmen gegen den Smok und andere Umweltsünden vorzugehen.
Was ihnen selbst immer in die Quere kommt ist das eigene Wirtschaftswachstum, auf den sie nicht verzichten wollen/können. Dabei sind Großteile des Landes noch gar nicht "industrialisiert". Da soll man erst mal ein Mittelmaß finden. Vor allem wenn es Jahrzehnte ignoriert wurde.

Übrigens sind Umweltdemonstrationen und -streiks für die teilnehmenden Personen relativ sicher, da die angeprangerten Themen ja auch in der Politagenda stehen. Habe leider vergessen wo was war, aber z.B. gab es eine Chemiefabrik die Giftstoffe ins Abwasser gekippt hat. Die wurde dicht gemacht und der Chef kam ins Gefängnis. Alles durch eine Demonstration.

Allerdings muss ich mich etwas über die Bemerkung des Kindes wundern. Ich war schon einige Male in China, speziell in Beijing und habe da sowohl Sterne als auch blauen, wolkenlosen Himmel strahlen gesehen.

LG

 Nachtpoet meinte dazu am 13.04.15:
Ja China ist nach dem langsamen Abnehmen des Kommunismus sehr schnell gewachsen. So schnell, dass kaum Zeit blieb, die Missstände zu beheben, die dadurch entstanden. Aber wenn du in Peking bessere Erfahrungen mit dem Wetter gemacht hast, dann wäre das ja nur positiv. Vielleicht haben gewisse Maßnahmen ja schon etwas gebracht.

LG
Ralf
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