Zum Spielen

Parabel zum Thema Verachtung

von  RainerMScholz

Du wohnst im Keller. In der Nacht besuche ich dich und mache Kinder mit dir. Du bist so schwarz, dass ich dich kaum sehe in der Dunkelheit. Aber ich kann dich riechen. Und schmecken. Wenn ich fertig bin mit dir, gehe ich wieder nach oben und wasche mich gründlich. Ich bin ein sauberer Mensch. Ich wohne in einem sauberen und großen Haus. Dann esse ich eine Kleinigkeit vor dem Fernseher und schaue die Nachrichten. Die Welt ist ein übles Jammertal. Manchmal dauerst du mich. Dann öffne ich die Kellertür einen Spalt und werfe dir ein Stück Brot hin, das deine schwarze Hand aus der Dunkelheit gierig ergreift. Ich ficke dich Tag und Nacht, aber aus dem Keller kommst du nicht heraus. Du kannst sagen, was du willst, schreien und weinen und beten, ich höre dich nicht. Im Geiste tu ich so, als sei ich taub und stumm. Manchmal summe ich ein kleines Liedchen, wenn ich dich besteige: Heidi-Heido-Heida. Und dann komme ich. Böse Menschen kennen keine Lieder. Und zeuge kleine Bankerte mit dir. Die nehme ich mit nach oben. Denn manchmal esse ich schwarzes Menschenfleisch. Blutwurst, Sauerbraten und Bier. Das raten die Ärzte mir.
Neulich gab es einen Wasserrohrbruch. Das tat mir sehr leid. Der Keller lief voll und du ertrankst. Ich musste den Klempner rufen, der das Leck reparierte. Als wir deine Leiche fanden, zuckten wir beide mit den Schultern und gingen wieder nach oben, die Treppe hinauf. Der Klempner wischte etwas aus seinem Auge und verzog die Lippen zu einem vergeblichen Grinsen. Ich fragte den Klempner: Was kostet es mich? Er antwortete: Nichts, das zahlt die Versicherung. Wir lachen beide herzlich, ich klopfe ihm auf die Schulter, biete ihm einen Kaffee an, den er ablehnt, und er fährt weg. Gute Handwerker sind schwer zu finden.
Du wohnst im Keller, und so wird es immer sein. Du wächst aus dem Stein und lebst zwischen den Ritzen. Für dich ist es immer dunkel. So wie du selber bist. Ich streichele deinen Kindern über den Kopf und schenke ihnen ein Päckchen Streichhölzer. Und dann geht es ab in den Keller zum Spielen.


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (24.04.15)
Anfangs sehr gruselig, doch mit der Menschenfleischessenssache kippt es ins Unglaubwürdige. Oft ist weniger mehr!

 RainerMScholz meinte dazu am 25.04.15:
Ich würde es allegorisch sehen wollen.
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