Die Macht des Faktischen

Erörterung zum Thema Sprache/ Sprachen

von  loslosch

Vox populi vox rindvieh, als Verballhornung von vox populi vox dei, besagt: Die Stimme des Volkes, quasi nicht von Gott kommend, ist wandelbar, absolut unstet (unklar, ob von Otto von Bismarck, 1915 - 1898, oder erstmals in einer Reichstagsrede von 1918). Drastischer noch ein US-General in den Bürgerkriegen, William Tecumseh Sherman (1820 - 1891): Vox populi vox humbug.

Überträgt man derlei vordemokratische Sprüche von der Politik auf die Entwicklung einer Sprache, stoßen sie ins Leere. Die Schriftsprache folgt immer, wenn auch stark verzögert, dem allgemeinen Sprachempfinden. Sprache ist historisch gewachsen, mit den ihr inhärenten logischen Brüchen. Sie beugt sich einem ungeschriebenen Diktat der Sprachgemeinschaft.

Die jüngste Rechtschreibreform von 1996 bis 2006 steht in dieser Tradition. Was die Volksetymologie in falscher Verknüpfung von Begriffen sich zusammenbraut, wird behutsam in die Schriftsprache überführt. Einige Beispiele: Belämmert statt bisher belemmert; Zierrat statt bisher Zierat; gräulich (nicht im Sinne von grauähnlich) statt bisher greulich; Tollpatsch statt bisher Tolpatsch. Das Wort stammt aus dem Ungarischen, einer uns fremden uralischen Sprache, was den Zugang erschwert.

Dass eines fernen Tages der angesehene Beruf des Dolmetschers (ein ebenfalls dem Ungarischen entlehntes Wort) durch volksetymologische Herleitung Schaden nimmt, steht nicht zu befürchten; denn die beruflichen Interessenvertreter werden die irritierende Schreibweise "Dollmetscher" zu verhindern wissen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(07.06.15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch meinte dazu am 07.06.15:
diese strategie halte ich für einen mittelweg. man minimiert die anwürfe von modernisten und sprachpuristen.

 niemand (07.06.15)
Wenn es nur das wäre, Lo. Du hast die totale "Denglisierung" vergessen. Haben wir noch Sprache, oder schon Matsche?
LG Irene

 loslosch antwortete darauf am 07.06.15:
tilo jung, plattformbetreiber, testet politiker. bitte ein kurzreferat mit wenig fremdwörtern. sehr schlecht schnitt ab christian lindner. bester war gregor gysi. naja, der mann ist 67, lindner 36.

 niemand schrieb daraufhin am 07.06.15:
Gysi ist nicht nur 67, er ist so manchem Fremdwortquatscher und Vergötterer auch um 67 Jahre geistig überlegen. Das nur nebenbei

 TrekanBelluvitsh (07.06.15)
Ja, das könnte man bemängeln. Auf der anderen Seite kenne ich keinen "Sprachschützer", der sich darüber beschwert, dass man heutzutage "Mut" anstatt von "Muth" schreibt. Aber wo möglich ist einfach niemand so muthig.

 loslosch äußerte darauf am 07.06.15:
früher schrieb man Thür und Thor usw. das "H" ging unter, nur bei Thron nicht. man wollte dem kaiser nicht am selben sägen.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram