Dreiecksbeziehungen (II)

Schüttelreim zum Thema Alles und Nichts...

von  Didi.Costaire

Wie am Ende des ersten Teiles angedroht, mache ich mich nun daran, vollständig durchgeschüttelte Limericks zu kreieren.
 
Dabei ergibt sich neben weiteren bereits genannten Faktoren die Besonderheit, dass der Schüttelreim üblicherweise als Paarreim aufkreuzt, der Limerick jedoch in den langen Versen (V1, V2 und V5) dreimal mit dem gleichen Reim endet. In den nachfolgenden Beispielen habe ich daher aus zwei Reimen mit drei verschiedenen Anfangskonsonanten sechs (zudem inhaltlich einigermaßen korrespondierende) Reime gebastelt. Aus jenen entstehen wiederum drei Doppelreime, die eine Art gleichschenkliges Dreieck bilden.
 
 
Es gilt für die Gilde zu Bern:
Sie hat ihr Gefilde zu gern.
Auch Leiber, die wabern,
und Weiber, die labern?
Ich bin nicht im Bilde, zu fern.

 
 
Schabernack, übernächtigte Fieberneurosen oder das alberne Seibern einer Strebernatur? Das weiß man außerhalb von Bern nicht so genau, und die Pointe ist hier eher in den Kurzzeilen verborgen als im Schlusssatz enthalten, der etwas trocken daherkommt. Wie die am Anfang der Reime stehenden Konsonanten g, b und f in den drei langen Versen wandern (g-b, f-g, b-f), kann man aber ganz gut nachvollziehen.
 
Im nächsten Beispiel, einem geschüttelten Triple-Trio, sieht man das noch besser:
 
 
Gesichter aus Riegen in Lingen
wie Richter aus Ligen in Singen,
die leiten und streben
und streiten und leben
für Lichter aus Siegen in Ringen.

 
 
Die reimbildenden Konsonanten verschieben sich und formieren sich fließend neu (s-r-l, r-l-s, l-s-r bzw. ...sichter/Riegen/Lingen, Richter/Ligen/Singen und Lichter/Siegen/Ringen). Die durchgängig flüssigen Verse haben  allerdings den Nachteil, dass sie mehr an die einschläfernde Rede eines IOC-Funktionärs als an einen Limerick erinnern.
 
Ein Genre-gerechterer Ansatz:
 
 
Im Tuch-Einkaufstempel in Hagen
macht Ausstatter Hempel in Kragen,
im Stil schon vom Fetisch.
Viel fiel schon vom Stehtisch.
Dort mehrt sich der Krempel in Tagen.

 
 
Bei allen diesen Beispielen ergibt sich nebenbei die Schwierigkeit, dass die unbetonten Präpositionen, Füllworter etc. sich gleichen müssen.
 
Beim nächsten Fünfzeiler ist das anders. Hier besteht der Ortsname aus drei Silben bzw. einem reinen Reim am Wortanfang plus einem hartem, männlich kadentem und dadurch in seiner Wirkung nahezu reimidentischem Ausklang. Diese Herangehensweise schafft zudem einen fürs freie Fabulieren nutzbaren Raumgewinn innerhalb der um eine Hebung verlängerten Verse:
 
 
Der Dorfteichsumsegler aus Bregenstedt
bemerkt, dass kein Wind auf den Stegen weht.
Kein Hauch an der Ecke
als auch an der Hecke.
Drauf sich er ein Ei auf den Wegen brät.

 
 
Die Sätze wirken durch den Rhythmuswechsel an den Zeilenenden und die Inversion leicht schief, was jedoch dem Wesen des Limericks durchaus entgegenkommt.
 
 
Es gibt hierbei noch Luft nach oben und man kann, wenn man die richtigen Worte findet, noch eine Silbe dranhängen, die Zeilen durch die zusätzliche, betonte Silbe wiederum verkürzen und in einem dichteren Triple-Trio als weiter oben drei der jeweils vier Endsilben durchschütteln. Aber die Luft ist dünn. Oder dick? Ein vollumfängliches Hupkonzert ...
 
 
Horst-Hugo aus Bleckenstedt winkt.
Wenn Dunst um den Stecken weht, blinkt
er, hupt er mit Pose.
Dann pupt er mit Hose,
die, seit er beim Wecken bläht', stinkt.

 
 
Das soll erst einmal genügen. Im dritten Teil dieser Trilogie werde ich eine alternative Art vorstellen, um Limericks vollständig durchzuschütteln.


Anmerkung von Didi.Costaire:

  Der erste Teil

Weitere Quelle:   "Der geschüttelte Limerick" von Jürgen Rehm

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(25.08.15)
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 Didi.Costaire meinte dazu am 25.08.15:
Ich selbst schreibe ja eigentlich wahnsinnig gerne Leberreime, aber die fallen oft so traurig aus ...

Die Leber ist vom Hecht und nicht geschwärzt.
Ich fühle mich geschwächt und nicht geherzt.

Also bleibe ich wohl doch lieber bei geschüttelte Limericks! Oder? So schlecht ist der Leberreim gar nicht mal.

Danke fürs Kommentieren und liebe Grüße, Dirk
(Antwort korrigiert am 25.08.2015)
Lena (58)
(25.08.15)
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 Didi.Costaire antwortete darauf am 25.08.15:
Das freut mich, Arja!
Danke für deine Worte und liebe Grüße, Dirk

 AZU20 (25.08.15)
Du bist einfach ein Könner. Ich versuchs erst garnicht, Dir nachzueifern, aber dennoch schöne Aufklärungen. LG

 Didi.Costaire schrieb daraufhin am 25.08.15:
Danke Armin, das Lob freut mich!
Liebe Grüße, Dirk

 plotzn (27.08.15)
Servus Dirk,

die Kombination aus Limerick und Schüttelreim ist extrem anspruchsvoll. Chapeau, was Du da alles hingekriegt hast!
In einem anderen wurde so was unter "Schüttlericks" veröffentlicht - in der Version, dass V5 eine Wiederholung des V1 mit anderer Bedeutung darstellt. Damals habe ich mich auch an einem versucht:

Man hörte die flüchtigen Sachsen
von "Festnahme-Süchtigen" flachsen.
Durch Hecken mit Rosen.
flohn Recken mit Hosen -
so konnte man flüchtig 'n Sack sehn.

Liebe Grüße
Stefan

 Didi.Costaire äußerte darauf am 27.08.15:
Hallo Stefan,
"Schüttlericks" ist auch eine schicke Bezeichnung dafür und von Fridolin sind einige ganz interessante zu lesen. In meinem "Miss Lingen"-Limerick im ersten Teil habe ich selbst einen Spiegelreim (bzw. Echoreim - da gehen die Meinungen auseinander) eingebaut, ebenso beim "Warschau"-Limerick, dort in einer ziemlich schrägen Variante.
Dein Schüttlerick gefällt mir gut und du solltest dort ruhig einmal weitermachen - vielleicht kommt ja nebenbei noch ein vollständig durchgeschüttelter Limerick heraus. Du hast es auf jeden Fall drauf.
Danke für deinen Kommentar und liebe Grüße, Dirk
WolfgangLuley (38) ergänzte dazu am 27.08.15:
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 Didi.Costaire meinte dazu am 27.08.15:
Bei mir war es wohl umgekehrt, Wolfgang. Wir haben damals viele langatmige Romane lesen müssen, wofür ich gar keine Zeit hatte.
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