Auch du, mein Sohn

Sonett zum Thema Lieblosigkeit

von  Irma

Er ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten:
Giraffenhals, die Nase, schmaler Mund.
Wenn sie ihn anschaut, stürzt sie eiskalt mitten
in seinen wasserblauen Augengrund

und kann sofort den heißen Atemhauch
im Nacken - Schmerz und Ohnmacht spüren.
(Sie hasste dieses Kind in ihrem Bauch;
sie wollte, konnte es niemals berühren.)

Er wuchs heran, trat in des Vaters Spuren.
Auch er nimmt sich gewaltvoll, was er will.
Für ihn sind alle Frauen nichts als Huren,

er meint, dass man es ihnen zeigen muss,
und gibt der Mutter einen kühlen Kuss.
Sie schweigt dazu und hält die Beine still.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (03.09.15)
Man vergisst bei diesem sehr gelungenen Sonett schnell die Form, weil der erschütternde Inhalt sofort die Aufmerksamkeit des Lesers absorbiert.
Die Frage ist, ob die Lieblosigkeit des Sohns aus der Lieblosigkeit der Mutter resutiert? Es liegt nahe.

LG
Ekki

 Irma meinte dazu am 09.09.15:
Das denke ich auch, Ekki, und es freut mich sehr, wenn es mir gelungen ist, diese Verbindung in meinem Gedicht herauszuarbeiten. Vielen lieben Dank für das Doppelsternchen! LG Irma

 AZU20 (03.09.15)
Brutaler Inhalt, gut geformt. LG

 Irma antwortete darauf am 09.09.15:
Dankeschön, Armin! LG Irma

 Didi.Costaire (03.09.15)
Dagegen war der wahrhaftige Brutus ja fast ein Engel!
Eine gut aufgebaute, unglaubliche und dennoch schlüssig wirkende Horrorstory.
Beste Grüße, Dirk

 Irma schrieb daraufhin am 09.09.15:
Ich freue mich sehr über deinen Kommentar und deine Empfehlung, lieber Didi! LG Irma
Graeculus (69)
(03.09.15)
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 Irma äußerte darauf am 09.09.15:
Herzlichen Dank, Graeculus! LG Irma

 blauefrau (03.10.15)
Sollte man hier von Erbsünde reden?

 blauefrau ergänzte dazu am 03.10.15:
Projektion ist ein schreckliches Phänomen. Und der Sohn könnte das werden, was die Mutter in ihm sieht.

 Irma meinte dazu am 20.10.15:
Ja, eine "self-fulfilling prophecy" sozusagen. Ich danke dir herzlich für deinen Kommentar, den ich anscheinend übersehen habe. Sorry! LG Irma

 plotzn (03.10.15)
Es muss schrecklich sein, ein Leben lang daran erinnert zu werden, was man sowieso schon nie völlig vergessen kann.

Ein gelungenes Sonett, Irma!

Liebe Grüße, Stefan

 Irma meinte dazu am 05.10.15:
Da hast du wohl Recht, Stefan! Vielen Dank für das Kompliment und die Empfehlung. LG Irma
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