Anmerkung:
Das hier besprochene Bild findet sich unter folgendem
Link.
Die Begriffe "links" und "rechts" werden im Sinne des Betrachters verwendet,
nicht im Sinne der Fahrer der zu sehenden Fahrzeuge.
Allgemeines:
Fotos - heute im zunehmenden Maße Filmausschnitte - aus dem Krieg sind immer problematisch und müssen kritisch betrachtet werden.
Das liegt im Allgemeinen am Medium selbst. Fotos zeigen immer nur einen Ausschnitt, den der Fotograf oft mit Absicht so wählte. Dem Betrachter wird also ein Motiv präsentiert, dessen voller Kontext ihm jedoch vorenthalten wird. Und auch wenn dies nicht mit Intention geschieht, hat jedes Foto doch einen oberen, einen unteren, einen linken und einen rechten Rand. Zu dem Zeitpunkt, zu dem das Foto entstand gab es jedoch noch einen Zusammenhang mit dem zu Sehenden jenseits dieser Grenzen. Fotos werden auch zurechtgeschnitten, sind also manchmal nur der Ausschnitt eines Ausschnitts.
Im Speziellen gilt es zu konstatieren, dass Fotos aus dem Krieg in der Regel gestellt sind. Das hat hauptsächlich zwei Gründe:
a.) Es ist kaum praktikabel, Fotos von echten Gefechten herzustellen. Dies würde für den Fotografen bedeuten, dass er sich in größere Gefahr begeben müsste, als die Soldaten selbst, um einen Überblick zu bekommen. Einen Ertrag würde das kaum erbringen, denn zu sehen wären nur großflächige Landschaften, auf denen fast nichts zu erkennen ist, denn der moderne Krieg kennt das Phänomen der
leeren Schlachtfelder. Fotografen die so etwas versuchen, finden nicht selten den Tod.
Es bleibt also die Möglichkeit, eigene Kämpfer beim Gefecht in Großaufnahme zu zeigen. Bei einem echten Kampf besteht aber die Gefahr, dass man die Kämpfer stört, ihnen im Wege steht. Außerdem sind die Posen in solchen Situationen selten so, wie gewünscht. Also ist es sinnvoll, solche Situationen gleich nachzustellen. Der Soldat schießt auf einem Foto eh meist auf einen unsichtbaren Gegner jenseits der Grenzen des Fotos.
b.) Fotos aus dem Krieg sollen eine Botschaft transportieren. Diese besteht im Allgemeinen aus zwei Teilen. Zum einen soll das erfolgreiche Fortschreiten der eigenen Operationen dokumentiert werden. Damit im Zusammenhang steht, dass außerdem gezeigt werden soll, dass es den
eigenen Jungs den Umständen entsprechend gut geht.
Daraus ergibt sich, dass es sich bei vielen Aufnahmen gar nicht um Bilder aus dem Kampf handelt. Der Alltag der Soldaten ist ein beliebtes Motiv und gaukelt nicht selten vor, das Soldatenleben sei eine Art "Erwachsenenpfadfinderlager". Natürlich darf das Kriegsgerät dabei nicht fehlen, doch es soll eher durch seine Existenz beeindrucken, denn seine Wirkung gezeigt werden.
Zieht man dieses in Betracht, so ist es nicht verwunderlich, dass das Zeigen von Toten unüblich ist. Eigene Tote finden sich so gut wie nie auf Fotos, sind fast ein Tabu, und Verwundete nur, um zu zeigen, wie gut die eigenen medizinische Versorgung ist (in einem Lazarett), oder dass die Kameraden sich gut um einen Verwundeten kümmern.
Auf den ersten Blick scheint es erstaunlich zu sein, dass auch gegnerische Tote, wenn auch nicht die Ausnahme, dann doch nicht die Regel sind. Doch aus das ist leicht zu erklären, denn Tote, gleich welcher Seite, könnten den (zivilen) Betrachter ja auf den Gedanken bringen, dass Angehörige, die in einem Krieg kämpfen, sich in großer Gefahr befinden. Die wahre Natur des Krieges sollen solche Bilder aber gerade nicht offenbaren. (Dies Hemmung Toten gegenüber findet sich, wenn auch nicht ganz so rigide, ebenfalls bei privaten Aufnahmen.) Um diese zu verbergen, greifen die Verantwortlichen oft zu den seltsamsten Mitteln. Im Zweiten Weltkrieg wurde den Angehörigen gefallener deutscher Soldaten zumeist und unabhängig von der Wahrheit mitgeteilt, dass diese durch einen Kopf- oder Herzschuss getötet wurden, um die Illusion aufrechtzuerhalten, das der Tote nicht leiden musste. Berichte aus Lazaretten offenbaren meist etwas anderes.
Gerne gezeigt werden hingegen Gefangene - weil sie, abgerissen und niedergeschlagen, oft auch hungrig, wie sie sind, mit den entsprechenden Kommentaren versehen, leicht als unterlegen (auch rassisch) dargestellt werden können - oder erbeutetes oder zerstörtes feindliches Gerät. Um ein solches Bild handelt es sich bei dem zu interpretierenden Beispiel.
Interpretation:
In Veröffentlichungen zu sehende Bilder sind oft schwierig einzuschätzen. Das liegt u.a. daran, dass Bilder in Büchern, sind dieses nicht ausgesprochene Bildbände, normalerweise vom Verlag ausgesucht werden. Diese greifen aus rechtlichen Gründen ungern auf solche Bilder zurück, deren Urheberrechte nicht geklärt sind, um sich vor Regressansprüchen zu schützen. Die Folge ist ein begrenzter Pool von Bildern zu einem Thema, dass man in unterschiedlichen Büchern zuweilen dieselben Bilder mit anderen Bildunterschriften finden kann. Oft hilft da nur eine genaue Recherche.
Das zu sehende Bild stammt aus den National Archives der USA, eine Institution vergleichbar mit dem Bundesarchiv in Deutschland. Es stammt aus dem Jahre 1944 und wurde in der Normandie während der Schlacht in der Normandie gemacht und ist eine Aufnahme von alliierter Seite. Es zeigt vor dem Hintergrund eines durch die Kämpfe stark beschädigten Dorfes einen amerikanischen GMC 2,5-to Truck früher Produktion (geschlossenes Fahrerdach anstatt Segeltuchdach), der einen zerstörten deutschen Panzer IV, Modell H oder J, passiert. Dieser trägt an den Turmschürzen die Nummer 802 und an der Fahrerfront ist ein Zeichen zu erkennen, das
vielleicht eine vereinfachte Version des Wappens der
9. SS-Panzerdivision "Hohenstaufen" darstellt. Diese Einheit bildete mit ihrer Schwesterdivision, der 10. SS-Panzerdivision "Frundberg", das II. SS-Panzerkorps und dieses war im Sommer 1944 in der Normandie eingesetzt. Dies spricht dafür, dass die zeitliche und räumliche Eingrenzung des Fotos korrekt ist.
Wahrscheinlicher ist es jedoch das
Abzeichen (6. Zeile von oben, mittig) der
2. Panzerdivision, ein Wehrmachtsverband, der ebenfalls an den Kämpfen in der Normandie beteiligt war.
Wahrscheinliche Interpretation: Das Bild ist ein typisches Kriegsfoto. Bewusst oder unbewusst soll es beim Betrachter vermitteln, dass die eigenen (alliierten) Operationen erfolgreich fortschreiten. Dafür steht der Truck im Hintergrund, bei dem es sich um ein Versorgungsfahrzeug, kein eigentliches Kampffahrzeug handelt, das in diesem Augenblick als Sanitätsfahrzeug fungiert, wie an der Rotkreuzfahne an seinem hinterem Kotflügel ersichtlich ist. Der gezeigt Bildausschnitt ist also kein unmittelbares Frontgebiet, sondern von den Alliierten zurückeroberter Boden. Die zerstörten Gebäude zeigen die Heftigkeit der Kämpfe. Opfer dieser Kämpfe sind jedoch nicht alliierte Soldaten, sondern die Deutschen, symbolisiert durch den zerstörten Panzer IV. Versorgungsfahrzeug und Panzer bilden hier den Gegensatz.
Bei näherer Betrachtung fallen an dem Panzer jedoch einige Dinge auf. Aus der gezeigten Perspektive sind keine eindeutigen Beschusschäden in Wanne oder Turm ersichtlich. (Zum Vergleich
hier das Bild eines durch Feindeinwirkung zerstörten Panzers IV). Teile des Mauerwerks des rechts zu erahnenden Hauses scheinen auf ihn gefallen zu sein, was jedoch keinen ernstzunehmenden Schaden bewirkt haben kann. Allerdings fehlt die linke Kette des Panzers. Das vorne liegende Antriebsrad ist deutlich zu erkennen, wobei die in die Kettenglieder greifenden Spitzen keinen Schäden erlitten haben. Die Kette selbst ist nicht zu sehen. Es steht zu vermuten, dass sie durch einen Treffer ins linke Laufwerk des Panzers oder eine plötzliche Bewegung des Fahrzeugs (auch das ist möglich) abgesprungen ist. Da von dem Antriebsrad und bis auf Höhe der Aufbauten nichts von der Kette zu sehen ist, ist es möglich, dass die Besatzung nach dem Verlust der Kette noch versucht hat, das Gefechtsfeld zu verlassen.
Dies ist aber scheinbar nicht gelungen. Bemerkenswert ist, dass alle fünf Luken geöffnet sind: Das Turmluk für den Kommandanten, die Seitenluken am Turm für Richt- und Ladeschütze und im Frontbereich die Luken für Fahrer (rechts) und den Funker/MG-Schützen. Auffallend ist weiterhin, dass das Funker-MG entfernt wurde. Daraus folgt, dass der Panzer von der Besatzung wahrscheinlich hektisch und während eines Gefechts aufgegeben wurde und von deutschen Bergungseinheiten nicht mehr abgeschleppt werden konnte, weil die alliierte Seite das Kampffeld behauptete. Zusammen mit den nicht vorhandenen Schäden in Wanne und Turm ergibt sich daraus den Schluss, dass alle Männer den Panzer verlassen konnten.
Eine alternative Deutung wäre, dass vorrückende alliierte Soldaten die Luken geöffnet haben. Das entfernte Funker-MG spricht jedoch dagegen, denn a) hätten alliierte Kämpfer dafür nur im Ausnahmefall Verwendung und damit einen Grund gehabt, es zu entfernen. Außerdem b)hätte man es wohl erst
nach dem Foto entfernt, weil mit ihm der Panzer bedrohlicher wirken würde, bzw. es den Gegensatz zu seinem zerstörten Zustand besser dokumentieren würde, mit der Aussage:
"Dieses feindliche Biest kann unseren Jungs nichts mehr anhaben."
Mögliche Interpretation: Der Fotograph diese Bildes hat die Luken geöffnet vorgefunden, oder selbst geöffnet. Um mehr Dynamik ins Bild zu bekommen, hat er gewartet, oder veranlasst, dass ein Truck hinter dem Panzer vorbeifuhr. Dann bleiben aber immer noch die nicht sichtbaren Beschädigungen und die Frage nach dem Schicksal der Besatzung. In der Fahrerluke (in der Wanne rechts) ist keine Leiche zu erkennen, obwohl das auf dem Bild durchaus geschwärzt worden sein könnte. Auch in diesem Fall scheint also eher die nicht vorhandene linke Kette der Ausfallgrund für den Panzer gewesen zu sein. Waffen wie das Funker-MG wurden jedoch gerade bei Beutepanzern erst von den Bergungskräften untersucht/entfernt und mit diesem Fahrzeug scheinen sich diejenigen der alliierten Seite noch nicht beschäftigt zu haben. Dennoch bleibt das Arrangieren des deutschen Panzers durch einen alliierten Fotograf in diesem Fall eine Möglichkeit, auch wenn dies eher selten geschah. Das Fotografieren von zurückgelassenem Kriegsgerät so, wie es zurückgelassen wurde, sollte Authentizität bzw. die Nähe zum Gefecht suggerieren.
Unwahrscheinliche Interpretation: Alliierte Soldaten haben den Panzer nach einem Gefecht inspiziert, das Funker-MG entfernt und die Luken offen stehen lassen. Das ist aufgrund der weitverbreiteten und nicht unbegründeten Angst von Soldaten vor Sprengfallen jedoch unwahrscheinlich. Ein Maschinengewehr taugte nicht als Souvenir. Es scheint unwahrscheinlich, dass alle fünf Luken in einem solchen Fall offengelassen wurden. Auch würden die meisten Soldaten auf einen solche Inspektion verzichten, wenn sie befürchten müssten, die tote Besatzung noch im Panzer vorzufinden. So sehr und so lange es geht, vermeiden Soldaten die direkte und gedankliche Konfrontation mit dem Gegner. Sie versuchen ihn als
Feind zu sehen, denn es zu bekämpfen gilt, nicht als Mensch, der auch Opfer sein kann.
Fazit:
Bei dem Foto handelt es sich um ein typisches Kriegsbild. Das zerstörte deutsche Kriegsgerät soll den alliierten Erfolg dokumentieren. Dabei gilt es noch zu erwähnen, dass Panzer IV von alliierten Soldaten oft für die angstverbreitenden "Tiger"-Panzer gehalten wurden, gegen die nur wenige Waffen der Alliierten ankamen. In der Hitze und Hektik des Gefechts konnten zumal wenig erfahrene Soldaten diesen Fehler leicht begehen.
Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass der gezeigt Panzer IV keine großen Beschusschäden aufweist. Wahrscheinlich war es der Verlust der linken Kette, der die Besatzung letztlich zwang, dass Fahrzeug schnell aufzugeben. Dieses Mal hatten die Männer noch Glück gehabt.