Altweibersommer

Sonett zum Thema Abschied

von  Irma

Ein halber Mond bleibt blass am Himmel stehen.
Mir scheint fast, als mein Auge ihn dort findet,
er wolle noch die Welt im Hellen sehen,
bevor er zunehmend im Blau verschwindet.

Das Laub erstrahlt, die bunten Blätter schweben
still zu Boden. Dort im gold‘nen Licht
des Morgens glitzern hundert Silberweben,
hauchfein gesponnen. Warte - reiße nicht

die zarte Bindung zwischen all den Streben
des Gartenzauns entzwei, wenn du gleich gehst.
Am seid‘nen Faden hängt dein müdes Leben,

doch ich kann dir den Abschiedskuss nicht geben,
streich übers graue Haar, die Lippen beben.
Ich hoffe schweigend, dass du mich verstehst.

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Kommentare zu diesem Text


 niemand (07.10.15)
Das Laub erstrahlt, die bunten Blätter schweben
zu Boden, lautlos. Im goldenen Licht

In der zweiten Zeile stolpere ich ein wenig und lese ausgleichend:

zu Boden, ohne Laut. Im goldnen Licht

... ansonsten schön und traurig/melancholisch ...

Mit lieben Grüßen, Irene

 Emotionsbündel meinte dazu am 07.10.15:
Hallo Irene, hallo Irma,
ich bin an gleicher Stelle gestolpert
Mein Vorschlag wäre
Das Laub erstrahlt, die bunten Blätter schweben
lautlos zu Boden. Dort im goldnen Licht
des Morgens glitzern hundert Silberweben,


In V2 und V3 finde ich das aufeinanderfolgende "als" etwas störend.
Auch hier hätte ich einen Vorschlag, der leider nicht sinngemäß ist - von daher unbrauchbar, aber irgendwie so vom Klang
Mir scheint, sobald mein Auge ihn dort findet,
als wolle er die Welt im Hellen sehen,


Liebe Grüße,
Judith

 Irma antwortete darauf am 08.10.15:
Vielen lieben Dank ihr zwei für die intensive Beschäftigung mit meinem Gedicht und eure Vorschläge. Die Stolperstelle ist die Stelle, mit der ich selbst nicht so recht zufrieden war, aber wo mir keine andere Lösung einfallen wollte.

Irenes Vorschlag ist metrisch korrekt, allerdings wirkt das "ohne Laut" mir hier zu unnatürlich. Bei deinem Vorschlag, Judith, ist die Betonung von "lautlos" auffällig, weil doch eigentlich die erste Silbe betont werden müsste. Das hat was, denn damit wird der "Laut" tatsächlich im Wort selbst getilgt. Wahrscheinlich werde ich diese Variante nehmen.

Alternativ wäre mir nur noch "ganz still" eingefallen, das klanglich vom Vokal her auch gut passen würde und inhaltlich vielleicht sogar noch besser als das "lautlos" zum "schweigend" im letzten Vers. Mmh. Was findet ihr denn schöner?

"Mir scheint es als mein Auge ihn dort findet,
als wolle er die Welt im Hellen sehen,"
Das mit dem doppelten "als" haben meine Augen tatsächlich nicht bemerkt. Natürlich ist das unschön. Ich habe jetzt so umgeformt, dass nicht das erste, sondern das zweite "als" verschwindet. Ich hoffe, das ist jetzt o. k. so.

Vielen lieben Dank, auch für die Empfehlung, Irene. LG Irma
(Antwort korrigiert am 08.10.2015)

 Irma schrieb daraufhin am 13.10.15:
Nachtrag: Bin jetzt Monas Vorschlag gefolgt und habe ganz schlicht "still" (auftaktlos) gewählt. Danke, liebe Mona! LG Irma
Agneta (62)
(07.10.15)
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 Irma äußerte darauf am 08.10.15:
Dankeschön, Agneta! Als ich meine Oma nach ihrem zweiten Schlaganfall im Krankenhaus besuchte, war klar, dass sie vermutlich den nächsten Tag nicht mehr erleben würde. Sie lag bewusstlos da, ihr Atem ging rasselnd, schwer. Ich habe ihr über Gesicht und Haar gestrichen und ihr gesagt, dass sie jetzt nicht mehr kämpfen müsse. Der Opa würde dort oben sicher schon auf sie warten. Irgendwie war ich aber nicht in der Lage, ihr nochmal einen Kuss zu geben. Ich fühlte mich schlecht, aber mein Mann meine, sie hätte das ganz sicher verstanden.

Den Tod meiner anderen Oma, die zum Schluss dement war, habe ich übrigens auch in zwei Sonetten verarbeitet:  "Kauderwelsch" und  "Vergessen".
Viele liebe Grüße, Irma
(Antwort korrigiert am 08.10.2015)
janna (66)
(08.10.15)
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 Irma ergänzte dazu am 08.10.15:
Dankeschön, Janna! LG Irma

 monalisa (17.10.15)
Dieses Enjambement bei
die bunten Blätter schweben
still zu Boden. ...
gefällt mir jetzt noch besser als das vormalige 'lautlos', weil dieses Schweben nun ohne jedes Ruckeln stattfindet und die Verkürzung um den Auftakt die Stille für mich perfekt bebildert.
Insgesamt ein eindrucksvolles, atmosphärisch dichtes Gedicht, das intensiv mitfühlen lässt. Ich bin übrigens ganz sicher, dass sie versteht.

Liebe Grüße
mona
(Kommentar korrigiert am 17.10.2015)

 Irma meinte dazu am 18.10.15:
Dankeschön, Mona. Dein Vorschlag hat mir ausgezeichnet ge-fallen. LG Irma
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