Afrikareise - Murchison-Fall VI

Erzählung zum Thema Abenteuer

von  pentz

[Möhrtschison]

1. September 2015 Dienstag

10 Uhr
Bunamwaya/Kampala

Die 3. Woche jetzt und noch einmal `n Tripp, außerhalb, aus der Reihe und nicht geplant.
Bei meinem Aufenthalt im Mpuro-Nationalpark traf ich auf ein Ehepaar, das von einem hochinteressanten, geilen und billigen Nationalpark-Ausflugs-Ziel schwärmte. Das klang gut, das klang verheißungsvoll und ich versuchte eine Safari dorthin aufzubauen.
Obwohl mittlerweile mit der chaotischten Stadt namens Kampala vertraut, muss ich mich nichtsdestoweniger für jedes Unternehmen, jeden Ausflug und Rundgang durch diese kämpfen und irren gleich der Dschungelwildnis.
Zunächst ging ich in Begleitung von Andrew in die Innenstadt. Leider hatte ein Reiseunternehmen nur nicht genug Personen für dieses Ziel, mindestens `ne Handvoll müssten es sein. Aber sie könnten ausnahmsweise für mich allein ein solches planen. Sie gratulierten mir dazu, ich solle mich freuen, das Gefühl haben, einem Glücksfall begegnet zu sein, so und noch viel mehr lächelten sie. Doch es war eine Fahrt zum Leuchtturm: ha, ha, - die nächsten Tage würden sie anrufen, wann es losginge.
Dann erinnerte ich mit des Namens, der bei meiner Begegnung mit dem Ehepaar gefallen war, außerdem stand er in meinem Touristikbuch.
Mit Andrews Sohn, Achy, machte ich mich zu einer beschwerlichen Halbtagsreise bis zum anderen Ende Kampalas mit ´nem engen Bus-Taxi.
Wie nun die paar Hundert Dollar dafür an Land ziehen? Mein Budget, meine Kröten und Blüten reichten ohne diese Tour nur bis zum Ende meines Aufenthalts. Ich fragte meine Bekannten Herbert und Rosa, ob sie mich unterstützen würden. Kein Problem.
Ich suchte die Hauptniederlassung deren Bank auf. Anstatt mir meinen Wunsch zu erfüllen, verpuffte der großspurige Name „Bank von Afrika“ in seine Buchstaben.
„Wenden Sie sich an eine andere Bank, Bank B.“
Zurück auf die Straße. Ein vermeintlicher AIDS-Kranker führte mich um ein paar Ecken zum Ziel. Er erbat sich dafür ein paar Dollar.
Bei Bank B hätte ich ein Konto eröffnen müssen.
Ab zu Bank C. Diese würden meinem Wunsch entsprechen können. Es stimmte auch. Später hätte ich das von vornherein im Touristikbuch erfahren können.
Nach zig Stunden Suche, inzwischen war der Vormittag vergangen, öffneten sich simsalabim die Tore. Ich hatte so viel Geld, dass dieses schier meinen Beutel sprengte und aus meiner Hosentasche Scheine herausquollen. Der Blüten bedurfte es der Entledigung, aber sie nach Hause und dann wieder zum Safari-Reiseunternehmen zu schleppen – zu umständlich!
Dafür ließ ich mich anschließend ans andere Ende Kampalas mopodisieren.
Dichter Verkehr wie üblich, ich ziehe die Beine zusammen, denn meine Knie sind zu weit gespreizt, sonst zersplitterten sie mit dem entgegenkommenden Gefährten oder ich stoße mich an harten Gegenständen. Überall Mopeds, Autos klein und groß, aber auch Menschen, Menschen und nochmals Menschen. Einmal taucht plötzlich einer hinter einem vorbeirauschendem Gefährt auf, steht mitten auf der Kreuzung und glotzt starren Auges dem Tod ins Antlitz. Mensch, ein Mensch wie ein Kaninchen vor der Schlange, der sich nicht bewegt und das in Afrika! Mann, erstaunlich, tanzt nicht, gerade nicht auf dieser Kreuzung, die ihrem Namen Ehre erweist, weil sich hier alles kreuzt, was sich rührt und auch nicht einmal jetzt die Hände reißt er zur Abwehr oder zum Stopp hoch.
Der Fahrer hat gute Bremsen. Ein kleine Meinungsverschiedenheit, Hin- und Hergeschreie und wahrscheinlich Du-Bist-Schuld-Anklage zwischen beiden, ein Sekundestel, solange, bis der Fahrer ihn umfahren hat.
Dann kennt sich dieser nicht mehr aus, muss sich durchfragen. Damit hebt er den Preis. Ich lass es geschehen. Das Geschachere beginnt erneut, nachdem ich mich der 1 Million entledigt habe und es länger als vermutet gedauert hatte.
„Mein Freund!“, so sprechen sich die Menschen hier an, sage ich mehr oder minder salbungsvoll.
„Schau her, wenn ich zu meinem Ausflug hierherkommen muss, rufe ich Dich an!“
Die Wahrscheinlichkeit ist gering. Er diktiert mir freudig seine Telenummer, die ich in mein schon gezücktes Telefon eintippe.
Andere lassen sich nicht so leicht abwiegeln.

Ich war mit mir zufrieden. In zwei Tagen konnte es losgehen. Eine richtige Safari, mit Löwen, Elefanten, Giraffen, allem, was in Afrika flog und kroch, dies auf verschiedene Art und Weise und das ungeplant und unvorhergesehen! Außer den Berggorillas, die dort nicht vorkamen, auch den Tigern, habe ich dann alle gesehen von diesen schrecklich großen Tieren hier...

10 Uhr

Ich schreibe vier Postkarten: an die Noch Ex-Ex-Freundin, an die Ex-Luxus-Freundin, an den „Idioten“, „psychisch Kranken“ und „lieben Freund“, der kurzfristig abgesprungen ist wegen plötzlichen Todes seiner Mama und mich in sehr unangenehme Situationen gebracht hat und an Mutter nach Hause, die aber schon im Seniorenheim sein dürfte.
Okay, einerseits war’s Rache, bei der zweiten. Aber vielleicht komme ich auch nicht wieder von der Expedition. So sollten alle meine Lieben wissen, wie ich gestorben bin.
Die Rache-Postkarte im annäherndem Original: „Hallo Lina, die besten Grüße aus der denkbar dreckigsten, gefährlichsten und katastrophalsten Stadt Afrikas. Dir genussvolle All-In-One-Luxus-Ballermann-Ferien.“ – sprich Rundum-Wohlfühl-Besäufnis-Urlaub.
So in etwa. Ich bitte gnädigst und Sie und Euch um Nachsicht, sie hat mich in die Wüste geschickt, weil ihr unsere Urlaube nicht komfortabel genug waren, so dass ich ihr aus dieser eine Ansichtskarte schicken darf...


2. September 2015 Mi

18 Uhr – Murchison-Fall-Lager.

Abfahrtvereinbarung mit Andrew, der mich mit seinem Auto zum Reiseveranstalter fahren will. Ich brauche nur die Benzinkosten entrichten. Um 10 Uhr wollen wir spätestens dort sein, da die Teilnehmer in einem Schlafsaal übernachten sollen, um morgen frühzeitig vor Ort zu sein, den Bus zum Nationalpark zu nehmen. Andrew, der Automechaniker mit Ingenieurdiplom ist, hat seine Batterie neu aufgeladen, wie er versichert hat. Er kommt etwas später, aber nach einer halben Stunde sind wir bereit zu starten, nur nicht das Auto. Was wohl?
„Wir müssen bloß ein bisschen anschieben, dann funktioniert die Batterie einwandfrei.“ So schieben Joanita, Andrew und ich in dem engen Hinterhof das schwere Auto ein paar Mal hin und her, bis es tatsächlich anspringt. Aber losgeht es erst, wenn Achy, der Sohn, das Abendessen besorgt hat.
„Wir müssen auf ihn warten, weil ich mir die Route noch genauer beschreiben lassen muss.“
„Du kennst sie nicht?“
„Nein, nicht genau. Aber es ist bestimmt nicht, ganz bestimmt nicht weit.“
Das sollte mich beruhigen!
Als Achy kommt, hat er nichts zum Essen mitgebracht.
Wir fahren Achy zum Supermarkt, er besorgt schnell die Lebensmittel. Dann kann es losgehen. Allerdings muss ich etwas mehr Geld entrichten, weil die Strecke länger als gedacht ist, nachdem nun Andrew die Fahrtstrecke genau kennt.
„Sie ist doch etwas länger, wenn auch nicht viel, viel mehr.“
Ich verstehe.
Ich lege noch ein paar Scheine drauf.
120 Kilometer steht auf der Tankanzeige, das Maß der möglich zu fahrenden Strecke.
Bei dieser Anzahl von 120 Kilometern bleibt Andrew etliche Kilometer zu fahren übrig, denn bis zum Ziel sind es vielleicht mal 30.
Ich gönne es ihm, mit meinem dicken, schweren Rucksack wäre eine Fahrt zur Einrichtung, sprich Lokation des Reiseveranstalters schier unmöglich gewesen.
Wie zu erwarten ist wieder einmal Stau in Kampala. Eigentlich ist es klar, was am Freitag abend los ist auf einer Hauptader einer Millionenstadt, nicht?
Der ausgeschaltete Motor springt mitten im Stau nicht an.
Die Batterie!
„Vielleicht, weil ich das Licht habe ohne brennen lassen.“ Mussten wir ja anlassen, weil im Stau stehen und auf die Weiterfahrt warten des Nächtens wäre fatal.
Glücklicherweise befinden wir uns auf einer abschüssigen Straße, müssen dem hinter uns Wartenden bloß vorbeiwinken, damit Andrew das Fahrzeug rückwärts rollen lassen kann, um es wieder zum Fahren zu bringen. Leichter gesagt als getan, aber NERVEN behalten, bis der andere es geschnallt hat, was Sache ist.
Batterie! Sie tut’s, und es klappt, als wir uns nach rückwärts laufen lassen, ein Anschieben auf schiefer Ebene bleibt uns erspart.
Einmal will Andrew eine Abkürzung machen, weil er, es ist immer noch Stau, schon wieder in den nächsten gerät. So wendet er um und nimmt die ursprüngliche Strecke erneut auf. Halten, fahren, halten, bis der Weg frei ist. Dann geht es recht zügig voran. Das Kind beginnt zu quengeln und zu schreien.
„Es braucht etwas zu knappern, dann beruhigt es sich wieder schnell.“
„Meinst Du?“
„Bestimmt. Das geht sehr, sehr schnell!“
Joanita bestätigt dies. Jetzt kann ich es auch glauben.
Nachdem für das kleine Mädchen von zwei Jahren Süßigkeiten besorgt worden sind, tritt der erstrebte Effekt ein und wir können ohne Lärmbelästigung durch magenerschütterndes Kindergekreische weiterfahren. Um 22 Uhr 30 erreichen wir endlich unser Ziel.
Unterwegs fragte ich nach dem Zustand der geistigen Gesundheit in diesem Land. Andrew nannte eine Prozentzahl der in der Psychiatrie einsitzenden Menschen zur Gesamtbevölkerung. Zu den Ursachen der Einweisungen gab er aber merkwürdige Erklärungen ab.
„Sie fragen sich, warum sie arm sind, obwohl sie schuften und schuften. Doch dann wählen sie wieder den alten Präsidenten, der das Volk armhält“, so seine Meinung über die Ursachen der großen Anzahl der psychisch Kranken in seinem Land. Das klingt nach 69-Jahre-Polit-Verständnis, macht kaputt, was Euch kaputt macht.
„Alle wollen reich werden, möglichst schnell und wenn sie es nicht werden, werden sie psychisch krank.“
Die geistige Gesundheit also in Abhängigkeit von den politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen. Schafft den obersten Politiker Eueres Landes ab, und es wird Euch gutgehen. So einfach ist das! Der Politiker allein trägt die Verantwortung dafür, ob sein Volk in Armut oder Reichtum lebt.
„Wenn der Präsident heute stirbt, oder morgen abgewählt wird, dann werden viele mit vermutlich bewaffneter Ausrüstung Rache an seinen Gefolgsleuten, den Mitglieder seines Clans und seines Stammes, üben, davon ist unbedingt auszugehen.“
Auf die Frage, warum der Politiker das Volk arm halten will, kommt sinngemäß, weil er ein Tyrann ist und wenn das Volk reich ist, kann es sich Waffen und Ausrüstung kaufen, um sich zu wehren, was es für ihn zu verhindern gilt. (Zirkelschluß!)
Wenn es aber reich ist, ist es der Bevölkerung ziemlich egal, ob es in Unmündigkeit gehalten wird, oder? Das Volk will doch nur Wohlstand, dann hält es still, oder nicht?
Ich sage Andrew nicht, was ich denke. Er soll seinen Glauben behalten.
Auf der Fahrt weist Andrew auf etwas hin. „Dort ist übrigens die Psychiatrie.“
„Ahja!“
„Und dort ist der Eingang!“
„Interessant!“
„Schau dort hin, genau dort hin!“
„Andrew, sei mir nicht böse, aber ich habe nicht die Absicht, in die Psychiatrie und Klappsmühle Kampalas, der Hauptstadt des afrikanischen Landes Uganda, zu gehen.“
Nur so kann ich ihn beruhigen, scheint mir. Dass ich auch sonst in keine andere gehen würde, will ich ihm jetzt nicht auseinandersetzen.
„Okay!“ gibt schließlich Andrew nach und lässt es sein, auf das fragliche Gebäude hinzuweisen.
„Wie lange geht es noch?“
„Gleich, wirklich gleich sind wir da.“
Ich habe Vorletzteres deswegen gesagt, damit wir schnellstens ins Lager kommen. Nervlich gesehen war aber diese Einrichtung sehr naheliegend für mich.

12 Uhr

In Masinda Richtung Murchison-Falls aufgebrochen bis Freitag. Andrew, Joanita und Cloe haben mich zum Abfahrtstreffpunkt, Camp und Lager gefahren. Sie waren darüber sehr begeistert, besonders Joanita über den Schwimmingpool im Garten. Im Schlafraum mit anderen sechs Personen übernachtet, mit diesen bin ich nun im Bus unterwegs.
Abends, als wir im Nationalpark sind, spielen zwei irische Jungs deren traditionellen Musik ab. Ich höre sie zum ersten Mal als Militärmusik.


3. September 2015 Donnerstag

10 Uhr
Die Murchison Falls sind legendär, die ehemals letzte unentdeckte Bastion Afrikas mit mysteriösen Vorkommnissen in jeder Hinsicht.
Erwähnenswert ist: dort wurde der Film „African Queen“ gedreht, mit Humphrey Bogart und Catherine Hepburn.
Irgend ein Sowieso Stanley entdeckt David Livingsstone, verschollen und überall die Nase vorne bei der Entdeckung des unbekannten, schwarzen Kontinents. Irgend ein Roderick Murchison spielte dabei auch eine Rolle, und das Entdecker-Ehepaar, halt!
Vor den Wasserfällen stehend, sehe ich, wie die enge Schlucht das Wasser zum Geischen und Schäumen bringt, überall in der Luft herrscht dichteste Feuchtigkeit, ein ideales Fressen für die verschiedensten, gefährlichen Keime und denke an die wahre, herzzerreißende Geschichte von dem Ehepaar - Name entfallen, weil so deutsch, zu bekannt und zu wenig exotisch, irgendetwas wie Rosenstal - wonach die Ehefrau an einer Seuche gestorben ist, nachdem das Paar sich durch Dschungel, Wildnis, Seuchen, Hunger etc. geschleppt hat und es sie erwischt hat, sowie ein ganzer umliegender Stamm samt seiner Herden ist an der Schlafkrankheit „daraufgegangen“, dahingerafft und verstorben - das hat mich verfolgt und bewegt mit 14 Jahren...

Dann im Murchison Fall-Distrikt auf Safari: Giraffen, Hippos, Hart Beasts, Antilopen, Löwen, Buffalos, Elefanten, Wildschweine mit Hörnern um das Maul statt auf der Stirn, sprich, wie ich glaube, sogenannte Warzenschweine.

Diese Auszeit von 11Uhr bis 14 Uhr ist sehr erholsam. Duschen, Essen, Abkühlung.

Nachts im Zelt geschlafen. Hippos auf dem Platz. Keine Gefahr. Im Zelt wehte und zog der Wind durch, etwas Nieseln klimperte auf dem Zeltplanen und ich meinte zunächst, es sei ein Nilpferd, das mit rein und sich mitschlafen legen will.
Denn plötzlich änderte sich alles.
Ich spüre, dass der Boden erzittert von Büffelherden-Getrampel in der Ferne; höre das schrille Gesumme von Heuschreckenschwärmen von Malariafliegen und das ununterbrochene Gezirpe der Affenbrotbäume, spüre unter mir das Gekrabble von Termiten, deren ätzenden Uringeruch mir den Atem verschlägt, und schlafe so betäubt ein, begleitet von dem hin- und wieder erschallendem Löwengebrülle und Elefantenfanfaren-Getöse, als stratoskopartges Wetterleuchten vor meinen Augen abwechselt vor dem Schwarz der geschlossenen Augen – bis plötzlich ein Rütteln und Zittern der Zeltwände von beim Grasen daran stoßenden Hippos mich erschreckten, starren und weit vor Angst aufgerissenen Auges erwachen lässt.
Im folgenden trübt sich meine Erinnerung. Nichts mehr kann ich darüber sagen...
Als ich wieder zu Bewusstsein komme, bin ich auf einmal im Bus, der durch den Park fährt, richtig, wie auf Safari, wie man es sich vorstellt. Hier erst bin ich befreit von meiner Angst.

18 Uhr
Zurück in der Lodge-/der Zeltanlage nach einem Boot-Tripp an die Murschison Fälle mit lautem, biertrinkenden Deutschen.
Einen Fruchtsalat zu Abend: Bananen, Melone und Ananas.
Eine Übernachtung im Zelt hier noch. Morgen Ab- und Rückreise mit Murchison-Fall-Besuch nach Kampala.
Am nächsten Abend schmeckt der gleiche Fruchtsalat nicht mehr frisch.

Die Stille vor dem Sturm

In der Ferne blitzte es im National Park des Murchison Falls. Den dicken blauen Horizont durchzuckten rote, gelbe und organgene Strukturen des Zerfalls und der Zerstörung.
Hier war das Herz Afrikas, die letzten Bastionen des unentdeckten schwarzen Kontinents.
Als es noch zu entdecken war. Im siebzehnten, im achtzehnten Jahrhundert etwa.
Es gab noch etwas zu entdecken, heute aber?

„Lightning. Aha, wie heißt das auf Deutsch?“
„Blitz.“
„Wie Blitzkrieg?!“
„Genau.“
Der Ire lächelte verhalten.
Die beiden jungen Polizistenanwärter schauten auf. Weil sie ein deutsches Wort gehört hatten. Ansonsten schallteten sie ab. Ihnen wurde zu viel Englisch gesprochen, wie sie unumwunden bekundeten.
Das brachte mich auf eine Idee.
„Kennst Du den Film von Humphrey Bogart, Casablanca?“
„Nö!“
„Einige von seinen Filmen spielen um den Murchison Fall, den Seen hier in Ugandas.“
„Realy?“
„Ja, wirklich.“
Das war nicht so amüsant und interessant, wer kannte schon Humbrey Bogart? Offenbar nicht die Welt.
Das andere war schon interessanter. Deswegen schloss ich meine Rede mit offenem Ende so: „Und die bösen Guys in seinen Filmen sind...“
Die Anwärter öffneten erneut die Augen.

Wie in dem Film „Casablanca“ so auf dieser Reise wiederholt sich die Geschichte.
Immer wieder.
Bevor es losging zum Bootsausflug, stand da ein Polizistenanwärter vor dem Bus, die Hände in die Taille gestützt und blickte mißtrauisch auf dem Boden, der sumpfig und klitschig und matschig war, auf den wir treten mussten, um einzusteigen.
Erstaunlich, niemand rutschte darüber aus. Versank darin. Nur Dreck trug man davon.
Wir sahen an diesem Tag Krokodile, ja, aber auch Vögel. Von denen sollten wir allerdings wenig zu hören bekommen dürfen.
Also, wie bei „Casablanca“, wo plötzlich eine Schar von den gleichen Leuten, die heute unser Boot bevölkerten, in die lauschige Athmosphäre der vom Jazzpianisten erfüllten Töne stürzten und eindrangen und lautstark ihre Heimat-ist-die-Schönste-Lieder erschallen lassen, brach bald das laute Gelächter und Geschnatter und Gepoltere dieser Leute aus, dass einem die Ohren wehtaten. Sie hatten zwar Anfangs Aufmerksamkeit für die Tiere mit bestausgerüsteten Foto- und Videokameras bekundet, besonders bei den spektakulären Jahrtausend-Reptilien. Aber bei Beobachtungen und Lauschen von nestenden Vögeln war‘s vorbei.
PLötzlich war das Bier auf dem Boot alle.
Aber zu ihrer lärmenden Freude kam ein anderes vorbei, dem man dessen Ladung abkaufte mit lautestem Jubel-, Bravo- und glucksendem Geschrei, sämtlich hochteuere Linsenobjekte richteten sich auf die Szene des Flaschenbieraustauschs und der Warenübergabe. „Da werden sie zuhause aber staunen!“, schrie einer auf.
Damit war das Fest gerettet und das Besäufnis perfekt.
Der Ire wusste Bescheid, schien mir. Er lächelte so.
„Hörst Du‘s. Das ist Casablanca live.“
Der Unterschied: Damals waren jene, Soldaten, nicht vom Alkohol trunken, sondern - was ja bekannt sein sollte. Heute, „Zivilisten“, waren sie nur noch besoffen und lärmten disharmonisch.
Armes Afrika.
Als die gröhlenden Besoffenen von Deck waren, war das einheimische Begleitpersonal augenblicklich ruhig und glücklich und hingebungsvoll zählte es die Einnahmen - ein gutes Geschäft - und verteilte unter sich das Geld dank dieses Landes dort oben in Europa.
Wo waren die Polizistenanwärter gewesen? Auf dem oberen Deck. Sie hatten natürlich nichts von dem Getöse und Geschrei mitbekommen. Sie lächelten immerhin nur jetzt.
Als wir auseinandergingen, am Ende der Safari, waren sie die einzigen, die sich nicht verabschiedeten. Es lag wie eine Bedrohung in der Luft. Es sollte heißen, sie würden wiederkommen.

copyright werner pentz



4. September 2015 Freitag

8 Uhr
Im Zeltlager. Spät um 24 Uhr ins Bett gegangen. Es regnete. Beinahe verschlafen. Meines Handy Batterie ist leer, wo ich noch Andrew anrufen muss, wann wir in Kampala sind. Im Zelt zu schlafen war gut.

Start zur Heimfahrt.

12 Uhr

Noch zwei Rhinozerusse gesehen und beobachten können: Säugling saugt an Mutter. Das Löwenpaar, das wir gestern beobachteten, hat kopuliert, sobald es aufgeweckt worden ist.
Mir den Bauch mit Essen vollgeschlagen, auf Andrew wartend, mich nach Hause zu bringen.
Doch ziemlich mitgenommen, bin gerade über eine Treppenstufe gestolpert. Das Boda-Boda-fahren-Gerüttle zerrt ganz schön am Nervenkostüm. Natürlich wieder die übliche Verspätung bei Andrew, am Telefon, schlechter Empfang, sprach er etwas von Cousin oder „Collecting.“ Aber er käme, sagt er.
„Ich komme. Ich komme!“
Er kam nicht.
„Collecting“, klar, er muss wohl erst Geld sammeln, um mich abholen zu können.
Fred, der Bruder Joanitas, ruft an, um nachzufragen, wo ich mich befände, ob ich käme. Womöglich drückte ihn der Hunger zu sehr. Er ruft nochmals Andrew an, der mich inzwischen wieder vergessen hat, dessen Batterie womöglich wieder streikt oder kein Benzingeld besitzt.
Aber der Cousin als Fahrer holt mich ab. Joanita hat ihn angeheuert. Alle drei strahlen freudig.
Es hat also nicht Collecting, sondern Cousin geheißen.
„Wir haben Dich so vermisst“, haben Fred und seine Schwester gesagt.
„Oh, danke!“
„Hallo, Welcome!“ Achy, als ich nach Hause komme, hat das sagt, wie jedes Mal, sobald ich den Hof betrete.
„Sorry, es tut mir sehr, sehr leid, dass ich den Termin verschwitzt habe.“
„Ich bitte Dich, Andrew!“, wehre ich ab.



copyright werner pentz

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