ein Brief

Text

von  Leahnah

Gestern Abend haben wir, wie in den vielen Nächten vorher, telefoniert und ich bin jetzt im Zug und weiß gar nicht, ob es wirklich das richtige ist. Irgendwie war es ein innerer Zwang dieses Ticket zu lösen und mich auf den Weg zu machen. Mitten in der Nacht, ohne zu wissen, ob es dir überhaupt recht ist. Doch Versuch macht klug und meine Lust, mein Wunsch, eindeutig undurchdacht. Ich bin total kribbelig und bibbere innerlich und äußerlich.



Ich weiß, wann du Feierabend machst, wo du lang fährst, wo du umsteigst, vom Zug ins Auto. Diesen Moment will ich abpassen und schauen, was es wirklich ist, was in mir stimmt oder ob die Seifenblase schillernd zerplatzt und ich dann gleich wieder die Rückfahrt antrete.





Das mitgenommene Buch will sich nicht lesen lassen, Blick in die Dunkelheit, ich seh mich im Spiegelbild. Groß schauen mich meine Augen an, irgendwie schon aus meiner Realität. Warum diese Ungeduld, bisher war es doch alles so ganz klar, virtuelle Freundschaft, nette Gespräche am Telefon, weit entfernt voneinander, Internet macht´s möglich.

Noch drei Haltestellen, dann bin ich da, habe ich etwas Zeit bis du ankommst, vielleicht sehe ich ja sogar wo dein Auto steht. Oder sollte ich dir eine sms schicken, dich vorwarnen, ich fange an zu zittern, kann es auf die Kälte der Nacht schieben.



Ankunft, der Zug ist weiter, alles ist so ruhig, alles noch bekannt, von vor langer Zeit und doch so neu. Wie lange war ich nicht mehr hier? In dieser Region war ich schon immer irgendwie daheim. Das Klima, die Menschen, anders und doch genau richtig so.
Ich schau auf den Parkplatz, sehe gleich dein Auto, es gibt nur einmal diesen Wagen hier, es gibt eh nur ein paar und die stehen alle recht gut verteilt.
Fest in meine Jacke eingewickelt, tief die klare und kalte Nachtluft einatmen bin ich jetzt ein weiteres Mal am Zweifeln, wie ich es denn jetzt weiter gestalten soll, denn so richtig vorgeplant hab ich es ja nun gar nicht.
Mein Kaffee geht zur Neige, noch eine Zigarette, ich schau der Glut zu und sehe dem Rauch nach, da höre ich deinen Zug ankommen.



Steigen kaum Leute aus, klar um diese Zeit und dann seh ich dich und deinen Wauz.

Und möchte mich eher in Luft auflösen, trau ich mich jetzt, dich anzusprechen oder schau ich euch nur zu, wie ihr ins Auto steigt und abfahrt.

Wauz drängelt in meine Richtung, ich steh ja auch fast beim Auto und er kennt mich ja nicht, unbekanntes muß genau erkundet werden.

So reiche ich ihm meine Hände, soll er sie beschnuppern ...

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