wilder wein

Sonett zum Thema Vergänglichkeit

von  monalisa

wilder wein flammt an der friedhofsmauer
hoch, rammt rot ins grau der herbsttristesse,
flirtet mit den winden, gibt sich kess,
will nichts wissen von verlust und trauer.

trotzig protzig wirkt er, doch auf dauer
unterliegt er dem verfallsprozess.
welk und müde, lückenhaft die dress,
kämpft er gegen sturm und hagelschauer.

blatt um blättchen bricht ihm weg und sinkt
konsterniert zu boden, liegt dort, liegt,
lange – bis es unbemerkt vergeht.

ein gerippe, an die wand geschmiegt,
wintert scheintot, bis es aufersteht,
wenn im frühling frischgrün hoffnung winkt.

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Kommentare zu diesem Text

janna (66)
(03.11.15)
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 niemand meinte dazu am 03.11.15:
Janna hat es bereits so gut in Worte gefasst, allerdings mir gefällt dieses "rammt", weil es schon ziemlich viel an derber Lebensfreude braucht um sich an einer Freidhofsmauer zu behaupten und dann noch in der vollen Lebensfarbe "Rot".
Das ist schon eine Naturgewalt und diese darf "rammen"
Ansonsten habe ich wilden Wein selten so schön in Worte gefasst gelesen. Mit lieben Grüßen, Irene

 monalisa antwortete darauf am 04.11.15:
Vielen herzlichen Dank, liebe Janna, für deinen ausführlichen und konstruktiven Kommentar.
Das 'rammt' ist natürlich schon sehr exotisch in diesem Zusammenhang, du schreibst 'weit hergeholt', Ekki meint: 'Wilder Wein kann noch so vital sein, er rammt nicht wie ein Pressluftbohrer.' Und Möllerkies bläst ins gleiche Horn. Nur Irene scheint meine Sichtweise zu teilen .
Natürlich kann der Wein nicht rammen, ich empfand aber das Rot so überwältigend, dass ich die Empfindung hatte, es würde das graue Drumherum regelrecht pfählen, sich da durchbohren ... Anfangs hatte ich sogar 'rammt Rot ins Herz der Herbsttristesse' stehen, finde ich auch vom Bild her immer noch schön, ist aber ein kleiner Zungenbrecher, dieses aufeinanderfolgende Herz/Herbst.
Natürlich sind eure aufgezeigten Alternativen mehr als überdenkenswert, bleiben im sprachlichen Rahmen, mir geht dabei aber etwas von diesesm Überragenden, Krafvollen, Zwingenden verloren, 'ranken', 'ragen', 'wachsen' erscheint mir vergleichsweise sehr leise. Am ehesten könnte ich mich noch für ... ragt/rankt rot ...' erwärmen. Ich muss das mal sacken lassen.

Zum/zur Dress: - Bei uns wird es ausschließlich feminin gebraucht. Jetzt, wo du 's sagst, kann ich mich erinnern, dass ich mal bei 'der Dress' im Duden nachgesehen hab und ganz verwundert war, dass man das auch sagen kann - Sachen gibt 's!
Mit dem 'scheintod' *schäm* hast du natürlich recht, hab ich gleich ausgebessert.
Sehr schön, dass das Gerippe so auf dich wirkt und du die Übertragbarkeit herausstreichst.
Noch einmal herzlichen Dank für die intensive Beschäftigung mit meinem Text und dein Lob. Darüber freue ich mich sehr.

Liebe Grüße
mona

 monalisa schrieb daraufhin am 04.11.15:
Liebe Irene, *freu* du scheinst dieses Rammen im meinem Sinne verstehen und akzeptieren zu können, darüber freue ich mich sehr. Herzlichen Dank für dein Lob und die Empfehlung.

Liebe Grüße
mona

 niemand äußerte darauf am 04.11.15:
Ein "rammt" hat für meine Begriffe ja auch nichts mit einem "Preßluftbohrer/Hammer" zu tun. Man kennt doch den Begriff z.B.
beim: Er rammte [=schlug] mir die Faust in den Magen.
Das ist Gewalt und mit einer solchen Gewalt scheint sich mir das Rot des Efeus gegen Tristesse/Friedhof/Mauer durchzusetzen.
Für mich passt es, weil es Kraft verbildlicht, Lebenskraft
und eine solche ist nicht unbedingt zart. Verzeih, aber ich musste noch ein wenig senfen LG Irene

 monalisa ergänzte dazu am 04.11.15:
Besser und kraftvoller könnte ich für das 'Rammen' auch nicht eintreten, liebe Irene, hab Dank dafür!

Liebe Grüße,
mona

 Irma meinte dazu am 10.11.15:
Ich füge mich Irenes Meinung an, das "rammt" passt für mich gut, um das triste Grau zu durchstoßen. Vor allem, da die metrische Betonung auf das Rot fällt. Das Leben bricht mit aller Wucht ein in den Tod. LG Irma
(Antwort korrigiert am 10.11.2015)

 EkkehartMittelberg (03.11.15)
Liebe Mona,
gibt es nach Janas Kommentar noch etwas zu deinem rundum gelungenen Sonett zu sagen? Der drängende Rhythmus läuft ohne die geringste metrische Störung dynamisch durch ds Sonett und kommt im abschließenden Terzett erschöpft zur Ruhe. Über das Rammen kann man geteilter Meinung sein. Mein Empfinden. Der wilde Wein kann noch so vital sein, er rammt nicht wie ein Pressluftbohrer.
Mein Vorschlag:
ragt rot ins grau der herbststistesse.
Die schöne Alliteration bliebe.

Liebe Grüße
Ekki

 monalisa meinte dazu am 04.11.15:
So ein schöner Kommentar, lieber Ekki!
Wie du diplomatisch einräumst, man könne über das Rammen geteilter Meinung sein, verrät viel über deine respektvolle Herangehensweise an Text und (in diesem Fall ) Autorin. DANKE!
Ich hab ja bei Janna schon ausführlich erklärt, was in meinen Augen dennoch für Rammen spricht. Vielleicht kann man 's besser integrieren, wenn dar Fokus mehr auf dem ROT liegt, also der Wein mit seinem intensiven Rot ...?
ich möchte nicht ausschließen, dass aus dem rammt doch noch ein Ragt wird, momentan mag ich mich aber noch nicht so recht von meinem störrischen Rammen trennen. Ich bitte um Verständnis?

Vielen herzlichen Dank für deinen wunderbaren Kommentar (einen von vielen) samt Sternchen,
liebe Grüße
mona

 TassoTuwas (03.11.15)
Vergänglichkeit in der die Auferstehung auf ihre Zeit wartet.
Ein trostvolles Bild.
Liebe Grüße
TT
(nicht falsch verstehen!!)

 monalisa meinte dazu am 04.11.15:
Lieber Tasso, was könnte man da falsch vestehen? Hab vielen Dank für deinen Kommi, der das Wesentliche erfasst. ich freue mich darüber und über die Empfehlung natürlich auch.

Liebe Grüße
mona

 Möllerkies (04.11.15)
Also, in der Frage "flammt - rammt" plädiere ich für "rankt - flammt" - rotes Flammen finde ich einleuchtender als rotes Rammen, trotz Alliteration.

Über "die Dress" habe ich mich auch gewundert, bis ich erstens den Eintrag im Duden und zweitens diesen Satz im Profil der Autorin gelesen habe: "monalisa kommt aus Oberösterreich (Österreich)."

Steht das Komma nach dem zweiten "liegt" absichtlich, oder wolltest du da nicht eher einen Zeilensprung? Verschieb das Komma doch einfach hinter das "scheintot", denn da gehört jedenfalls eins hin.

Ansonsten: ein schönes Sonett!

 monalisa meinte dazu am 04.11.15:
Vielen Dank für deinen detaillierten und konstruktiven Kommentar und die intensive Beschäftigung mit dem Text.
Zu 'rammt' hab ich ja nun schon viel gesagt. Deine Präferenz 'flammt rot' gefällt mir nicht so gut, weil ich denke, dass das Rot im Flammen enthalten ist, dehalb habe ich es absichtlich auseinandergezogen und auf zwei Verse verteilt, sodass das Flammen, noch einnmal aufgegriffen, eine Bekräftigung erfährt (jedenfalls wars theoretisch so gedacht ), durch den Binnenreim 'flammt - rammt' wollte ich diesen Effekt noch verstärken.
Ich möchte eigentlich hinter dem 'liegt' schon eine Pause haben und mit 'lange' neu ansetzen. da sschnitz ich mir lieber schnell ein neues Komma hinter 'scheintot' - da hast du natürlich recht, das hat sich irgendwo verkrümelt. Danke für deinen scharfen Blick und deinen letzten Satz im Kommentar, der mich natürlich besonders freut

Liebe Grüße
mona
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