Vögel

Skizze

von  Zeder

Wir sind in den Süden gegangen, als Darius starb. Haben unsere Rucksäcke gepackt und den Audi mit Vorräten beladen, Reis und Linsen und unzählige von diesen fettigen Gebäcken aus dem Asiamarkt. Wir haben die meisten unserer Sachen mit seinen weggegeben, haben Kleinigkeiten im Wald vergraben, dort, wo wir im Sommer gesessen hatten. Tom hat sich eine übergroße Decke ausgesucht und sie in den Wagen geworfen, der Campingkocher, Spielkarten und CDs, aber die CDs haben wir eine nach der anderen aus dem Fenster geworfen, weil sie uns zu sehr erinnerten. Zum Schluss blieben Beach Boys und Bob Dylan, die Sachen waren neutral, weil wir sie beide schon in unserer Jugend gehört hatten. Wir rauchten bei geöffneten Fenstern und fuhren die Landstraßen ab. Am Straßenrand Goldregen und Engelstrompeten. Giftige Vorgärten und sterile Häuser, dann Felder, Wald und Seen. Wir hielten unsere Füße ins Wasser. Tom hatte aus Darius' Regal einen Beutel Mondbohnen mitgenommen. Überall wo wir hielten, legte er eine Bohne in die Erde und begoss sie mit ein wenig Wasser. Dann stellte er sich daneben, die Hände in den Hosentaschen, so wie meist, bis er lächelte.

Wir hatten beide gedacht, dass wir viel schweigen würden, aber eigentlich redeten wir die meiste Zeit miteinander oder drehten die Musik auf und sangen dazu, lachten und deuteten auf merkwürdige Dinge, die an uns vorüber zogen. Wir kletterten auf Straßenschilder und Bäume, wir zeichneten auf unsere alten Straßenkarte die Wege ein, die wir entlang fuhren, bis sie Muster ergaben, und fotografierten den Himmel, dann kam das Meer.
Wir stiegen aus dem Auto in den Sturm hinein, der Wind wehte so stark, dass wir einander nicht hören konnten. Wir blieben eine Weile in dem Rauschen, dann blickte ich in Toms Augen und sah, dass er weinte. Er schüttelte den Kopf und stieg ins Auto zurück, zog die Beine an und legte seinen Kopf auf sie. Ich schloss die Tür und wollte ihm gerne über die Haare streifen. Das war eine blöde Idee, sagte er. Was meinst du? Na das hier. Alles. Er gestikulierte zwischen uns herum, dann auf das Wasser. Es war eine blöde Idee loszufahren in diesem blöden Auto, mit dir zusammen, wir in einem Wagen übernachten und so tun als ob alles gut wäre. Das war alles falsch.
Ich sagte nichts darauf, ich saß eine Weile dort und stieg dann in den Sturm hinaus, ich lief ans Ende des Strandes und blickte in den Himmel, der graublau war und am Horizont ohne Übergang in das Meer zu wechseln schien, als wäre alles gleich. Ich kniff die Augen zusammen. Der Sturm trieb Äste durch die Luft wie Waffen, Treibgut und ich stellte mir vor, dass es unten im Wasser ruhig ist, dass der Sturm dem Wasser nichts anhaben kann und die Fische ahnungslos treiben, wie jeden Tag, jede Minute, jeden Moment. Ich schloss die Augen und mir war alles gleich fremd, gleich fern und ich ließ mich.

Als ich zum Auto kam, war Tom fort. Der Schlüssel steckte, ich suchte nach einer Nachricht und fand nichts. Ich ließ Beach Boys leise laufen und versuchte zu lesen, aber es gelang mir nicht. Ich sah keine Gestalt am Strand. Irgendwann stieg ich aus und suchte nach Fußspuren, aber der Wind hatte alles verweht. Ich kochte mit dem Campingkocher im Kofferraum Kaffee und öffnete alle Fenster einen Spalt. Es pfiff durch die Ritzen. Irgendwann schlief ich ein. Morgens war der Himmel ruhiger, hinten zog etwas Schwarzes heran, in Wellen, weitete sich und zog sich zusammen wie in einer Erschütterung oder tanzend. Ich stieg aus dem Auto und stand plötzlich in einem riesigen Schwarm von Staren, kreischende, schrille Vögel, die knapp über mir hinweg schossen, ich spürte die Flügel wie Schläge. Es dauerte nur ein paar Sekunden, aber zurück blieb schwarzer Flaum, der noch über dem Boden schwebte und Vogelscheiße überall, in meinem Haar, auf dem Autodach, den Scheiben, dem Sand, meiner Jacke, meinen Händen. Und dann brach der Regen.
Zwei Tage blieb er und ich blieb am Strand, auf diesem Fleck in der Vogelscheiße, weil ich Angst hatte, dass Tom mich nicht finden würde, wenn ich umparkte. Es war alles nass um mich herum, ich konnte ihm  keine Nachricht schreiben und ich sah kein Haus und keine Stadt, in der ich hätte fragen können. Also aß ich trockene Kekse und Orangen, trank Kaffee im Gas des Campingkochers und hörte die Basement Tapes rauf und runter. Dahinter das Wasser, dass aufs Autodach schlug. Ich las Yeats häppchenweise, weil alles andere ausgelesen war, aber ich konnte mich nicht konzentrieren.
Am dritten Tag war der Himmel über Nacht aufgeklart und ich stieg endlich aus dem Wagen. Jetzt erst sah ich den schmutzigen Strand voll Algen und Ästen und hunderttausende glänzender Muscheln dazwischen. Ich sammelte ein Dutzend und wartete bis zum Nachmittag, dann stieg ich ins Auto und war verwundert, dass es immer noch fuhr.

An der Tankstelle entdeckte ich Tom. Er hielt die Hand ausgestreckt und versuchte Autos anzuhalten, seine Kleidung war sandig und nass, sein Haar wirr und er sah irgendwie gefährlich aus. Er stand dort grau und groß und mir war kurz, als hätte ich einen Geist gesehen.
Ich fuhr erst vorbei, drehte dann doch und hielt ihm die Tür auf. Wir kratzten an der nächsten Parkbucht die Vogelscheiße vom Fenster und redeten kein Wort. Beim Fahren schüttete er die Mondbohnen aus dem Fenster, sie prasselten wie Hagel auf den Asphalt. Wir ließen die französischen Landstraßen hinter uns fuhren auf die Autobahn. An der Raststätte tranken wir faden Kaffee und sahen uns Berichte über den Jahrhundertsturm in den Nachrichten an.
Wann wir wohl sterben werden, sagte Tom.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (03.11.15)
Das sind einige Schlampigkeitsfehler drin, das sollte man unbedingt nochmals durchlesen und prüfen.

Insgesamt ist mir der Stil zu abgehoben-geschwollen. Etwas mehr á la "Vogelscheiße" würde dem Text gut tun, dann wird es ehrlicher.

 Zeder meinte dazu am 03.11.15:
bins nochmal durchgegangen und hab zwei drei fehler korrigiert, mehr find ich gerade nicht.
du schreibst ähnliche dinge über meinen letzten text. danke dir fürs kommentieren, aber ich mags scheinbar so abgehoben. grüße

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 03.11.15:
"dass wir viel Schweigen würden"

 Zeder schrieb daraufhin am 03.11.15:
danke!

 Vessel (30.11.15)
Das ist großartig, ich bewundre, wie du das machst: eine Spannung aufzubauen, die sanft bleibt, ein unterschwelliger Thriller vielleicht, aber Thriller ist das falsche Wort. Es erinnter mich an diese wunderbaren französischen Filme, die ihre Atmosphäre aus der Stille zwischen den Charakteren ziehen. Mir gefällt es sehr.

 Zeder äußerte darauf am 11.12.15:
es freut mich sehr, das zu lesen :) danke!
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