Wie Tuschemalerei

Bild zum Thema Jahreszeiten

von  idioma

Illustration zum Text
kana-Kalligrafie
(von idioma)
Illustration zum Text
Berg Horai
(von Kano Korenobu 1753-1808)
Von rechts oben
nach links unten zu lesen.
Es gibt keine Artikel und der Leser
entscheidet über Singular oder Plural,
denn geschrieben steht immer nur Singular.




to o yama wo    = ferner Berg

sumie ni            =  wie Tuschmalerei
niwa no            =  des Gartens

kare ki kana      =  abgestorbener Baum


Haiku von Shinkei ( 1406 - 1475 )


Ferne Berge und
im Garten der tote Baum -
wie Tuschmalerei


übersetzt von
idioma


Anmerkung von idioma:

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (07.11.15)
Sehr fein, die Kalligrafie und der Inhalt dieses Haikus.
Es gibt sicher zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten.

Für mich wirkt die Tuschmalerei wie ein zärtliches Tuch, das sich über Tod und Sensucht legt.

LG
Ekki

 idioma meinte dazu am 07.11.15:
>>>
@ G.M.Wilke
@ Ekki
vielen Dank für die Empfehlungen - !- ! -
Mit zielsicherem esprit und Instinkt triffst Du lieber Ekki das überhaupt Wesentlichste dieser alten Texte : Dieses nur sparsamste Andeuten, fast Verschweigen, Verhüllen mit "sehr feinem" "zärtlichem Tuch"...... Ein totales Kontrastprogramm dazu, wie wir heutzutage mit den ewigen Menschheitsthemen (Liebes)Sehnsucht und Tod umgehen : sie möglichst extrem aufschäumen und möglichst individuell, möglichst auffallend und schockierend herausschreien....( Es wird mir ehrlich übel, wenn ich lese, wie ein KV-Autor seiner Fangemeinde einen "wüsten" Text ankündigt, als sei das noch etwas Besonderes ! als gäbe es davon nicht schon übergenug !)

Traditionell spricht Haiku-Dichtung grundsätzlich höchst zurückhaltend nur "durch die Blume", d.h. durch meist extrem flüchtige, scheinbar zufällige momentane Naturbeobachtungen, die nur ganz dezent versteckt eine persönliche Bedeutung bzw. Botschaft enthalten.
Vermutlich identifiziert sich der vermutlich alternde Dichter mit dem vermutlich herbstlich absterbenden Baum in seinem Garten. Zugleich bleibt diese Identifikation aber durch die vollkommene Zurückhaltung des Dichters dem Leser überlassen. Dadurch, dass die Berge im fernen Hintergrund den Dichter an Tuschemalerei erinnern, macht er diese Berge verwandt mit dem paradiesischen Berg Penglai bzw. dem HoraiYama, dem Berg der Unsterblichkeit,
denn dieser mythische Topos ist auf unzähligen Tuschmalereien dargestellt. So werden ganz unauffällig, buchstäblich hintergründig, die Dimensionen dieses schlichten Gedichtleins erstaunlich erweitert ..........
>>> " Berg Penglai ( so etwas wie das Paradies )
Ein mystischer Berg der chinesischen Mythologie, die besagt, er sei der Wohnsitz der acht Unsterblichen.
Dort gäbe es keinen Schmerz und keinen Winter,
dafür aber Reisschalen und Gläser voll mit Wein, die nie leer würden, egal wie viel die Leute essen oder trinken,
und es wüchsen magische Früchte, die jede Krankheit heilen, ewige Jugend gewähren und sogar die Toten auferwecken könnten. Die Legende kursierte auch in Japan, wo sie sich zur Legende vom Berg Horai entwickelte."<<< Ende des Zitats der Internetseite sakura-san.de
HoraiYama wird von einer mythischen UrururSchildkröte auf dem Rücken getragen.... denn Japan ist überhaupt aus Schildkrötenrücken entstanden, die sich aus dem Meer erhoben.... usw. usw.
idioma

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 07.11.15:
Grazie für diese aufschlussreiche Information, Idioma.
Festil (59) schrieb daraufhin am 07.12.15:
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 Martina äußerte darauf am 11.11.17:
Ich finde, du hast es sehr gut rübergebracht, ganz zart, wie Ekki auch schon bemerkte.
Ich kann diesen Künstler quasi vor mir sehen,
ein betagter Herr auf einer Bank, mit dem Blick auf das Gebirge.
Aber nur Dank deiner liebevollen Beschreibung!
Das hat mich gleich inspiriert, meine Sicht der Momentaufnahme zu schildern =)

Auswahl

Die Ferne der Berge,
diese Ferne spüre ich in meinem Herzen,
als Sehnsucht hoffentlich jenes zu erreichen,
wofür ich zur Erde wurde gesandt.

Nicht wie der tote Baum davor zu sein,
dessen bizarre Äste warnend sich in die Höhe strecken,
bittend um Vergebung, versagt darin zu haben,
seiner Bestimmung nicht gefolgt zu sein.

© M.Brandt
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