Alles Syphilis, dachte Des Esseintes...

Erzählung zum Thema Tränen

von  toltec-head

Auf der Toilette nach dem Herausnesteln: merkwürdige, befremdliche Pflanze, vor der ich niederknie. Schlauch mit einer glänzenden Oberfläche und einem  Netzwerk voller roter Adern. Die gefräßigen Hörner offen, fähig, wirkliches Fleisch zu verschlucken und zu verdauen. Sie kopiert meine inneren Membrane, sie bedient sich der grellen Verwesungstöne meines Fleisches, lockt mit den prächtigen Scheußlichkeiten ihrer Gangränen. Jeder kennt doch dieses Gefühl, nachdem man stundenlang auf Gemälde gestarrt hat und in der Wirklichkeit dann für ein paar Minuten alles wirklicher und bunter aussieht.

Ich gehe als Fliege in das Stilleben ein, werde zum Zurbarán - zzzzzzzzzzzzzzzzz. Der Abstieg hat sich also gelohnt.

Im Gegensatz zu den freundlichen Fledermausblumen, die keine Blutsauger sind, sind die Schlauchpflanzen wirkliche Karnivoren. Echte Sumpfpflanzen, die in Toiletten und anderen Nasszellen gut gedeihen. Man findet sie verwildert in den europäischen Moorgebieten großer Städte. Das Einweiß der Insekten wird zum Stickstofflieferant für die Karnivoren. Mit klebrigem Tau auf ihren Tentakeln fangen sie Insekten oder halten diese wie eine Leimrute auf ihren breiten Blättern fest, um sie dann unbarmherzig einzurollen und mit dem Verdauen zu beginnen. Die glatten Innenseiten ihrer langen Röhren, nehmen dem einmal eingelassenen Tierchen jede Chance, wieder hinauf zu klettern. Also landet man früher oder später im Verdauungssaft der negrigen Pflanze. Um ihr geflügeltes Opfer besser zu motivieren, in ihren Schlund zu steigen, ist sie mit allen Attributen einer Blüte ausgestattet, ihre Blattspitze lädt wie das Kronblatt einer Orchidee zum Besuch ein. Eine Haube, die teilweise die Öffnung des Schlauchs überdeckt, scheidet im oberen Bereich - dem Peristom - Nektar aus, welches das Insekt in die phallische Falle lockt. Der obere Rand ist mit Wachs beschichtet und leicht glitschig. Nach unten gerichtete Härchen besetzen den Schlauch und verhindern jedes Aufsteigen. Außerdem sondert die Pflanze einen fischig duftenden Giftstoff namens Conisin aus, der eine betäubende Wirkung auf Insekten ausübt.

Menstruationslyrik und Knäckeprosa. Die eine ist bedeutungsschwangern, die andere konserviert Bedeutung. So was wie guter Bulle, böser Bulle. Mama und Papa. Für Heimverschönerung zuständige Blumen-Rentnerin und Rentner mit Pfeife in Rohrsessel für vernünftigen Sinn.

Schnell zurück zu den Mönchen.

Als Kulturklaus enden. Na und, gibt Schlimmeres. Von der Toilette zum Museum. Anabasis. Diese Fliege kennt den Weg zurück - trotz der Härchen. Reif für eine rosige Kreuzigung.

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