Ich hab's versucht

Text

von  Judas

„Ich hab's versucht.“
„Und nicht hinbekommen.“
„Ist schwierig. Am Ende bin ich nur ich selbst. Ich bin müde. Hat dein Herz je deinen Verstand ermahnt?“
„Wie meinst du das?“

Ja. Gute Frage. Ich bin der verwirrteste Mensch, den ich kenne.
Verwirrter als du.
In meinem Kopf passieren vielen Gedanken. Äußere nur selten die richtigen.
Ich möchte irgendwas für dich sein.

„Da ist die Prämisse, es allein zu schaffen. Schließlich wird der Tag kommen, an dem es mir besser geht.“
„Und wann kommt dieser Tag?“
„Wer kann das schon sagen?“

Mach dir keinen Kopf.
Du denkst zu viel nach.
Mach dir nicht so viele Gedanken.
Lenk dich mal ab.
Denk doch einfach an was anderes.
Warum zerbrichst du dir ständig den Kopf?
Hör doch mal auf dein Herz.
Entscheid doch mal aus dem Bauch heraus.
Fickt euch, echt.

„Ich kann ja nichts dafür, dass ich... ich weiß nicht, immer denke.“
„Das ist häufig, nehme ich an.“
„Außer ich höre Musik, manchmal geht’s dann aus.“
„Und du hast da viele Szenarien im Kopf, nehme ich an.“
„Zu viele. Ich träume, jede Nacht. Aber das ist okay. Ich mag das.“
„Sind das schöne Träume?“
„Du hörst dich langsam an wie ein Therapeut, weißt du das?“

Werde ich dadurch trauriger? Depressiv? Brauche ich einen Therapeuten für meinen Kopf?
Nein. Ich zähle mich eigentlich zu den glücklichsten Menschen, die ich kenne.
Glücklicher als du.
Weil ich weiß, dass der Tag kommen wird.

„Ich hab diese Herz-Verstand-Sache noch nicht begriffen.“
„Ja mein Herz hat meinen Kopf gewarnt, neulich.“
„Ist das nicht üblicherweise umgekehrt?“
„Ja schon. Bei mir offenbar nicht. Oder zumindest diesmal nicht.“

Weil du in meinem Kopf bist, den ganzen Tag. Aber nicht in meinem Herzen. Dort ist niemand.

„Und was hat dein Herz zu deinem Kopf gesagt?“
„Dass er aufhören soll, sich so viele Gedanken zu machen. Das führt nur dazu, dass alle verwirrt sind. Ich, du, wir. Die da. Er. Es hat gesagt: steigere dich nicht rein. Erfinde nicht meine Gefühle. Du bist nicht für's Fühlen verantwortlich, das ist mein Metier.“
„Hm.“

Ich bin verirrt. Erratisch. Kenne das Ziel nicht, aber bin auf dem Weg und vom rechten Pfad abgekommen. Finde aber auch den linken nicht. Stehe knietief in hohem Gras. Ich glaube, da hinten ist eine Klippe und dort ein Strom.

„Du ich befürchte... ich bin kaputt gegangen. Diesmal wirklich. 's war einfach schlimm.“
„Wie lange hast du daran jetzt schon zu knabbern?“
„Im Mai ein Jahr. Weißt du, wie lange solche Wunden zum Heilen brauchen?“
„Wunden? Du musst erst einmal deine Einzelteile wieder zusammen suchen, dich reparieren, bevor du daran denken kannst, dass Zeit vielleicht alle Wunden heilt oder so etwas.“
„Ach bestimmt. Ist doch bisher immer passiert. Braucht halt diesmal ein bisschen länger.“
„Hm. Pass nur auf... dass du es nicht noch schlimmer machst.“

Ich bin kein Herzmensch. Leider.
Ich würde die Stimmen in meinem Kopf gerne einmal schweigen lassen können. Auch dich. Sogar dich.

Ich möchte irgendwas für dich sein.
Aber ich kann nicht etwas sein, was ich nicht bin.


Anmerkung von Judas:

Zitiert ist zitiert:
"Ich möchte irgendwas für dich sein. Am Ende bin ich nur ich selbst"
von Tocotronic.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (14.01.16)
Weil du in meinem Kopf bist, den ganzen Tag. Aber nicht in meinem Herzen. Dort ist niemand.
Das finde ich bemerkenswert. Den Rest des Textes übrigens auch.

Liebe Grüße
Ira

 Judas meinte dazu am 14.01.16:
Vielen Dank!

Liebe Grüße zurück,
Jue
Hannahlulu (18)
(01.02.16)
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 Judas antwortete darauf am 01.02.16:
Nur zu!
Vielen Dank für Lob und Klick und Kommentar :)
matwildast (37)
(17.02.18)
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 Judas schrieb daraufhin am 10.04.18:
(und wegen dieses Kommentares hast du dir Sorgen gemacht? :D )
Danke. "Manche Entscheidungen treffen sich aber erst wenn sie reif sind und dann treffen sie sich selbst" das ist ziemlich gut. Und wahr...
Außerdem: Highfive unter Toctronic-Fans!
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