Selbst(mord)versuch [Oder: Die Kompatibilität von Whisky und Herzen].

Skizze zum Thema Alles und Nichts...

von  ZornDerFinsternis

Regen. Hagel. Sonne. Regen… Egal, der Kühlschrank quillt vor Whisky beinahe über. Manches Mal empfinde ich tatsächlich Scham. An der Supermarktkasse. Schokolade, Kippen, massig Hochprozentiges. Ein wenig Obst, man will ja nicht wirken wie der hinterletzte Totalversager.

Zugegeben… auch ich weiß darum. Die Zeichen sind so eindeutig, dass ich mich weiterhin ver-irren kann. Ver-irren. Weißt du, was ich meine? Dieses unsägliche, scheiß Gefühl. Irgendwo zwischen verloren und in die Irre geführt. Gedanken sind stets der Dreh- und Angelpunkt des Lebens. Immer ein guter Grund sich zu betäuben. Schmerzlich dreht sich die Welt in meinem Kopf. Schwarz und silbrig-schimmerndes Dunkelgrau. Irgendwie banal. Wie mein Geist. Meine Erscheinung. Das komplette „Sein

Ein stetes Steigen und Fallen. Als wäre man der fleischgewordene Herzschlag einer namenlosen Marionette. Zwischen Wahn und völliger Teilnahmslosigkeit windet sich mein Körper. Um meinen Hals schlingen sich feine Drahtschnüre. Du siehst sie nicht. Genauso wenig, wie du etwas spürst. Du bist so entfremdet. Kalt. Wie diese Worte. Ungesprochen. Du legst dich nicht an meiner Seite schlafen. Deine Augen schenken keine Zuflucht mehr. Es ist wie ein langsamer Sterbeprozess.
Schmerzlich und belastend. Doch trage ich dich gerne. Im Herzen. Durch meine sonst tristen Gedanken. Male mir aus, wie wir heute in 2 Jahren 500km von hier entfernt sitzen. Deine Hand in meiner. Das Rauschen der Wellen, das den Verstand komplett vernebelt und Alkohol überflüssig macht. Der salzige Geschmack von Freiheit, der vor unseren Füßen an Land schlägt. Alles unter sich erbarmungslos zermalmt. Kleinste Kiesel und zersplitterte Muscheln freilegt.

Manchmal frage ich mich… nein. Eigentlich immer… Ob das wirklich das ist, was das Leben für mich parat hat. Ob da noch was Gutes kommen wird. Fürchterlich. Die Stille. Das Pochen in meiner Brust. Mir ist schlecht. Ich kann nicht atmen, die Gedanken sind nur bei dir. Ich will nicht. Lachen. Atmen. Leben. Schlafen. Angst legt sich auf meinen kraftlosen Körper. Befällt jede winzige Scheisszelle. Wie ein aggressives Virus. Gräbt sich tiefer ein und springt zur nächsten über, wie die Nutten das mit Männern halten. Ich will nicht... dass du gehst. Ich will nicht, dass du bleibst. Der Schmerz, den dein Schweigen in mich schlägt. Ich will nicht. Unweigerlich stehe ich hier… zwischen Staub, überfüllten Aschenbechern und leeren Whiskyflaschen. Gebe mich hin. Gebe auf. Heute sterbe ich, erneut. Wie ein Phönix, der sich selbst  der Würde beraubt. Irgendwie eindrucksvoll. Aber  noch immer angebunden. Nicht lebendig. Niemals tot. Ich verbrenne mich an meinem Herzen. Stehen seine Ruinen doch stets in Flammen. Es gibt kein Hassen, kein Lieben. So simpel bin ich nicht.

Unfähig.

Zu atmen. Zu leben. Zu sein… Ob diese Zeilen dich oder mich beschreiben, ist mir in diesem Augenblick nicht klar. Irgendwie ist es auch völlig egal. Die Musik ist laut. Ich sehe das Licht im Flur, wie es kümmerlich versucht sich unter der Tür in meine Dunkelheit zu winden. Ich lache. Drehe lauter. Würge die Abscheu und den Hass hinunter. Gieße Whisky nach. Denn eigentlich bin das nicht ich. Eigentlich will ich. Aber auch nicht. Ich will dich. Dieses Leben. Angetrunken über den Regenbogen spazieren. Deine Hand halten und flüstern, dass alles irgendwann gut wird. Wenn nicht heute, dann vielleicht vorgestern. Oder… Nie. Niemals möchte ich, dass du deine Spuren aus meinem Herzen löschst. Möchte nicht, dass dein Hass dein Herz und deine Gedanken verdirbt. Dass du gehst, ohne einen letzten ersten Kuss. Ohne Lebewohl. Ich weiß, ich werde deine Schläge vermissen. Herz-Schläge. Die mir zeigen, dass du doch voller Leben steckst. Dass du keine Whiskyfatamorgana bist. Ich will nicht warten, bis das Schweigen bricht. Weil es mein Herz filetieren würde. Feinsäuberlich und wüst. Be-dauerlich…

Be-enden.

Ich seh‘ mich an der Ampel. Wie an jedem Tag. Ganz nah dran. Entrückt. Einen Fuß immer auf dem Asphalt. Mit der Erwartung… nein, dem Wunsch, irgendein scheiß-dummer Wichser rempelt mich an und ich falle vor den nächsten LKW. Am Bahnhof, das gleiche Spiel. Doch. Wie immer. Kein Glück… Leben stinkt. Immer. Meins nach verbranntem Fleisch, Alkohol, Nikotin und Pisse. Ich befinde mich wieder in der Selbstversuchsphase. Kenne keine Grenzen. Keinen Schlaf. Wünsche mir, dass dieses widerwertige Gefühl von zerfleischender Leere aufhört. Auf jemand anderen übergeht. Es türmt sich so unsagbar vieles auf. Früher war es mir egal. Heute denke ich, ich habe etwas Anderes verdient. Habe verdient, dass sich die Gefühle in einer Art von Gleichgewicht befinden. Dass die Liebe, die ich in dein Herz gepflanzt habe langsam zerfließt. Dir neuen Antrieb schenkt.

Parasuizidal.

Ich bin ein Parasit. Niste mich unglückbringend in alle Leben ein. Klopfe nicht. Falle direkt mit meiner Verzweiflung ein. Stecke Licht und Liebe in ausgebrannte, tote Menschenhüllen. Trinke auf dich. Oder gegen mich?

Manchmal ist es wie 9 Leben. Der Schmerz. Die Hoffnungslosigkeit… und dann schieben die Erbärmlichkeit und ich wieder eine Nummer. Obwohl wir nie viel vom Anderen hielten. Aber so ist das. Mit Liebe. Atmen oder Leben. Wenn du wirklich etwas halten willst, beginne bei der Glaubhaftigkeit deiner Worte. Lass‘ Taten folgen.

Ich sprach von einem neuen Stadium des Selbstversuchs. Von Liebe. Hass. Von Parasuizidal. Ver-wirrtheit. Ich dreh‘ die Whiskyflasche auf. Weil ich nicht glauben kann, dass mein Herz noch immer weiter will. Weiter kann. Wenn meine Augen doch so kalt und leer geworden sind. Der Spiegel lacht. Wie alle um mich lachen. Über mich. Bin taub gegenüber Zuneigung geworden. Vielleicht will ich gar nicht, dass du mich liebst. Vielleicht brauche ich dich. Deine stummen Schläge.  Als Beweis dafür, dass ich mich ver-irrt habe. Als Beleg für meine Studie. Bedeutungsloses Dasein. Vollgeschriebene Seiten. In Narben gekleideter Einband. Vielleicht… hast du Recht. Vielleicht siehst du durch mich. Vielleicht ist diese Liebe, die ich suchte, wirklich Selbstbetrug. Weil Liebe immer kalt und zerschmetternd ist.

„…wenn du mich nur so sehr hassen könntest, wie ich dich liebe… müsste keiner von uns leidvoll an sich zerbrechen. Wir würden uns noch immer halten.“ 

Wenn du eines Tages aufhörst an mich zu denken… hoffe ich darauf, dass der Whisky seine Fortbildung zum „Schmerzbewältigungsassistenten“ hervorragend abgeschlossen hat. Mich an die Hand nimmt. Das Messer präzise den Hals entlang führt. Deine Worte über meine Wunden kotzt. Mich belächelt. Mich antreibt… bis das Herz aussetzt.

Wie auch immer… eigentlich wollte ich dir sagen: „Fick dich. Ich liebe dich...“

Cheers.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (10.02.16)
Liebe Anni,
ich wollte deinen Text nicht einfach empfehlen und favorisieren, sondern eine Analyse deines Stils vornehmen. Aber ich scheitere daran, weil es nach meinem Empfinden zu deinem Sujet nicht passt.
So begnüge ich mich damit festzustellen, dass es erstaunlich ist, dass es dir gelingt, dem Thema "Schmerz" über Jahre hinweg immer wieder neue Nuancen abzugewinnen, die auf mich authentisch wirken.
Liebe Grüße
Ekki

 AZU20 meinte dazu am 10.02.16:
Das ist auch mein Eindruck. LG

 ZornDerFinsternis antwortete darauf am 11.02.16:
Wooooow....einfach...wow..
Ihr zwei plättet mich einfach mal wieder nach allen Regeln der Kunst.
Vielen, vielen Dank :)
Da bin ich echt peinlich berührt... positiv - natürlich :)
Liebe Grüße in eure Nacht ^^
Absinth (62)
(10.02.16)
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 ZornDerFinsternis schrieb daraufhin am 11.02.16:
Vielen lieben Dank für deine eindrucksvollen Zeilen unter meiner einfachen Art der Alltagsdarstellung :)
Ganz liebe Grüße auch an dich,
Anni
plyzylus (17)
(07.03.16)
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 ZornDerFinsternis äußerte darauf am 11.03.16:
Vielen Dank :)
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