Er-trink-en[de].

Text zum Thema Selbsthass/verletzung/mord

von  ZornDerFinsternis

Der Wecker klingelt – „Willkommen in der Hölle, Darling.“.
Völlige Dunkelheit umgibt mich. Ob mit geöffneten oder geschlossenen Augen ist nicht von Bedeutung. Nicht mehr. Für mich.

Ich will nicht. Dass es endet. Du und ich.
Die großen, unförmigen Kreise, die die Kippen heute Nacht in das bleiche Fleisch über meinem Knie gebrannt haben senden eine Botschaft an mein versoffenes, fehlerhaftes Hirn. Schmerz schießt in Überbesetzung durch mich. Schlägt an jeden Nerv.
Ich drehe mich zur Seite. Fühl mich so schwer. Begraben. Unter der Wucht meiner Gedanken. Greife neben das Bett. Setze die Flasche an. Ein großer Schluck… wird ein mieser Tag. Nicht, dass das was Besonderes wäre, oder so. Nein. Es ist eigentlich egal.

Ich bin mir der mangelnden Sinnhaftigkeit meines Lebens durchaus bewusst. Vielleicht trinke ich deswegen. Oder auch nicht. Egal…

Noch immer ist es dunkel. Die Augen sind müde. So wie ich es bin. Ich bin müde. Ausgebrannt. Hab‘ es satt. Dich. Das Leben. Mich. Die Welt. Alles. Vielleicht erscheint das hart. Ungerecht. Zu einfach?

Du holst mich ein. Wie immer. Aus meinem in Whisky schwimmendem Geist tauchst du einfach wieder auf. Dabei hatte ich gehofft, ja… wirklich… gehofft, du wärst es irgendwann leid. Ständig aus diesem stinkenden Auf und Ab wieder hochzuschnellen. Auf mich einzuprügeln. Mich zu ficken. Immer wieder. Jede Nacht.

Erinnerungen sind das Einzige, das bleibt. Schön, wenn man dann das Glück hatte, solche machen zu dürfen, die einem in Zeiten wie diesen Trost spenden. Tja…, man kann halt nicht alles haben.

„Prost.“

Langsam schiebe ich mich aus dem Bett. Taste nach den Kippen und stecke mir direkt die erste an. Huste. Der Geschmack von Kotze und Blut macht sich breit. Zum Glück ist mir der Whisky ein guter Freund.

Der nächste Schluck zieht sich ätzend durch meine Kehle. Ich weiß… Ich wider mich auch an. Aber das tust du auch. Und du. Ich erlaube mir kein Urteil. Aber ich habe eine Meinung. Nur interessiert die genauso wenig, wie meine Gefühle. Sorgen. Ängste.

Zittrig setze ich einen Fuß vor den anderen. Bin unschlüssig. Verzweifelt. Würdelos. Aber, ich stehe auf. Gehe zum Spiegel. „Epic Fail“, würde man wohl in dem Slang meiner Altersgenossen sagen. Und ich weiß, sie haben Recht. Ob es mir nun gefällt, oder… ach.., lassen wir den Scheiß.

Das Ticken der Uhr macht mich wahnsinnig. Aber ich kann nicht ohne. Dich. Ihn. Sie.

Setze dich Flasche an. Mache einen Schritt auf den Spiegel zu. Was ich sehe, kann ich nicht beschreiben. Es ist mir jeden Tag fremd. Und doch vertraut. Irgendwie empfinde ich etwas wie Mitleid. Hass. Ekel. Verachtung. Akzeptanz. Von allem ein Bisschen. Jedoch nie etwas Ganzes. Vielleicht ist es doch mein Ebenbild. Mein Leben verläuft ähnlich. Kalt. Starr. Verlangsamt rasen Momente und Angst an mir vorüber. Manchmal bleiben sie. Auf ne Kippe. Mal auf nen Whisky.

Egal…

Es ist ein Kampf. Mein Kampf. Jeden Tag aufs Neue. Provozierend. Unausweichlich.

Noch…

Mein Kampf. Mein Leben. Tatsächlich ist „Kampf“ zutreffender. Obwohl ich ja Garnichts gewinnen möchte. Nichts zu beweisen habe. Ich weiß genau, dass dieser Moment wertlos ist. Meine Worte. Gefühle. Schlicht die Tatsache, dass ich hier stehe…wackelig und resttrunken… ist egal.

Es ist immer egal. Alles. Weil du nicht mehr da bist. Er hat dich vertrieben. Seine dunklen, bösen Augen. Seine schrille, kreischende Stimme. Die hasserfüllten Worte. Die Schläge. Das Ficken. Der Hass. All die Scherben und die Kotze. Zwar sind es nur die Erinnerungen dieser 15-Jährigen, die irgendwo halbtot in meinem Körper verwest. Die sich immer wieder versucht mit Messerschnitten und anderen Verzweiflungstaten aus mir zu lösen. Aber… hey, ganz ehrlich… scheiß drauf. Ich hab‘ sie auch satt. Abgespalten. Das bin nicht ich. Das war ich mal. Opfer. Namenlos. Grün und blau. Heute ist es nur noch blau.

Pah… Ironie.. wie gut, dass Whisky, du und ich eine perfekte Symbiose eingehen. Uns gegenseitig verachten und irgendwie am Leben halten. Ob wir das damals so wollten, weiß ich nicht. Es ist auch egal. Ich mache mir keine Gedanken mehr darüber, was ich anziehe. Ich stehe nicht stundenlang am Kleiderschrank und sinniere über das perfekte Outfit. Das gibt’s nämlich nicht. Genauso, wie es kein perfektes Leben gibt. Oder… viel lachhafter.. wahre Liebe.

Ich sag‘ dir, was es wirklich gibt. Schmerzen. In den verficktesten Dimensionen, dass sich der komprimierte Verstand der Meisten „da draußen“ gar nicht ansatzweise vorstellen kann, was Leben eigentlich bedeutet. Hass. Alle reden davon. Als wäre das so eine simple Angelegenheit. Nein, verdammt. Ist es nicht. Ich habe nie etwas Intensiveres erlebt als ihn – Hass. Vielleicht das stärkste Gefühl, das ich je gelebt habe.

Während du dir irgendwo einen runterholst, während du vor dem Spiegel deines Kleiderschranks stehst und dich für dein Männlichsein feierst und überlegst, wie du dich modisch in Szene setzen sollst, ziehe ich die Klinge durch mein Fleisch. Suche verzweifelt nach einem Plan. Einer neuen Strategie. Einem Ausweg. Einem Schmerzblocker. Whisky und Selbstverletzung zieht nicht mehr. Der nächste Schritt muss härter sein. Endgültiger.

Ich fürchte mich. Vor mir. Noch immer. Am meisten vor dir. Obwohl du nur eine scheiss Erinnerungsgestalt bist. Du suchst mich heim. Machst mich nach 9 leeren, verzweifelten, hasserfüllten Jahren noch immer regungslos. Taub. Blind. Stumm.

Schreien kann ich nicht. Ich bin müde. Heimatlos in meinem eigenen Körper. Lehne mich ab. Weil du in mir haust, wie ein Poltergeist. Nur aggressiver. Zerstörerischer.

Ich hoffe, du verschwindest mit der nächsten Flasche für ein paar Stunden, in denen ich versuchen kann zu leben..

Ertrinken…

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Kommentare zu diesem Text


 princess (09.02.16)
Hätte ich diesen Text gelesen, ohne zu wissen, wer ihn geschrieben hat ... hätte ich dich trotzdem sofort erkannt. An dieser sehr speziell finsterniszornigen Art und Weise, die Grautöne im Regenbogen zu malen.

Bemerkenswert.

Liebe Grüße
Ira

 ZornDerFinsternis meinte dazu am 09.02.16:
Vielen, vielen Dank, Liebes :)
Fühl' dich lieb gedrückt.
Anni

 TrekanBelluvitsh (10.02.16)
Einer neuen Strategie. Einem Ausweg.
Der Kern des Verlangens - und das Labyrinth zum Verlaufen.

Es gibt in der tat kein perfektes Leben. Jeder muss da selbst durch und meistens ist man allein.

 ZornDerFinsternis antwortete darauf am 11.02.16:
Du hast, wie sollte es auch anders sein, vollkommen Recht.. Leider. Irgendwie...
Ich danke dir für deine Zeilen und schicke liebe Grüße in deine Nacht :)
Anni
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