Der Hund

Kurzgeschichte zum Thema Lebensweg

von  shadowrider1982

Als er zu seinem neuen Besitzer gekommen war hatte sich viel für den Hund verändert. Er war ein Parkplatzfund. Er war nicht an einem Schild angebunden, als er gefunden wurde, er streunte einfach wild herum, herrenlos, ziellos, rastlos.

Irgendetwas musste sein neuer Besitzer in ihm gesehen haben, irgendetwas, was sonst niemand gesehen hatte. An diesem Hund musste etwas besonderes gewesen sein. Er war eine Promenadenmischung, nicht sehr ansehnlich, ohne jede Erziehung, ohne Rasse und ohne Klasse. Und doch, der neue Besitzer nahm den Hund mit sich.

Ohne eine Ahnung zu haben, wo es ihn hin führen würde, war der Hund seinem neuen Besitzer gefolgt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt längst nichts mehr zu verlieren gehabt, außer einer Freiheit, die ihm schon lange nichts mehr taugte. Also folgte er dem Menschen, diesem unbekannten Wesen, ohne Hoffnungen und Erwartungen.

Das war nun schon einige Monate her und mittlerweile waren die beiden ein eingespieltes Team. Der Hund war längst der beste Freund des Menschen geworden. Der Mensch hatte ihm schon vieles beigebracht. Es waren keine besonderen Kunststücke, die dieses einst wilde Tier beherrschte, aber der Hund hatte doch gelernt, sich angemessen zu benehmen. Er bettelte nie am Tisch, er bellte und knurrte, wenn jemand dem Menschen etwas böses wollte und er hatte gelernt, selbst im größten Sturm, in Schnee, Eis und Regen auf seinen Menschen zu warten. Der Hund war seinem Menschen treu ergeben. Er hatte etwas bekommen, was er vorher nie gekannt hatte, einen warmen Platz voller Geborgenheit. Er bekam Streicheleinheiten, wurde gelobt und es wurde gut für ihn gesorgt. Das Tier bekam von dem Menschen alles, was es für sein Auskommen und Überleben brauchte, es war zufrieden.

Das Tier lag brav neben dem Stuhl seines Besitzers, der am Tisch mit seinen Liebsten saß. Wie schon so oft legte der Mensch einen nicht ganz abgenagten Knochen vor das Tier. An diesen Knochen war stets genug Fleisch übrig gewesen, um auch dem Hund noch etwas gutes zu tun. Stets hatte der Hund diese Gaben dankbar angenommen, denn es war mehr, als er je gekannt hatte. Nun sah er den Knochen vor sich liegen und der Mensch schaute erwartungsvoll zu seinem Tier hinab. Nichts passierte, der Hund rührte den Knochen nicht an. Das Tier hob den Kopf und ihre angsterfüllten Blicke trafen sich. Dem Menschen begann zu dämmern, was im Kopf des Hundes vorging. Dieses undankbare Vieh wollte nicht länger nur zufrieden sein. Der Drecksköter beanspruchte tatsächlich für sich, glücklich zu werden.


Anmerkung von shadowrider1982:

Geschrieben am 31.03.2016

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Kommentare zu diesem Text

janna (66)
(01.04.16)
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 shadowrider1982 meinte dazu am 04.04.16:
Hallo janna,

Ich finde deinen Interpretationsansatz, dass der Mensch seine eigene Einstellung und Situation in das Tier hinein projiziert, sehr interessant und nachvollziehbar. Allerdings sei dazu gesagt, dass der Text als Ganzes, ähnlich wie   Der Läufer eher metaphorisch und weniger als Tatsachenschilderung zu betrachten ist.
Ich denke, einen Unterschied zwischen Glücklichsein und Zufriedenheit gibt es tatsächlich und ich würde sogar sagen, es ist ein immenser Unterschied.
Ich würde sagen, Zufriedenheit bedeutet in erster Linie, dass man das hat, was man braucht, dass man das, was man bekommt, dankbar annimmt und sich damit eben zufrieden gibt. Das bedeutet aber nicht, dass man in diesem Zustand nicht unerfüllte Herzenswünsche oder Sehnsüchte haben kann.

LG
shadowrider
(Antwort korrigiert am 04.04.2016)
Festil (59) antwortete darauf am 04.04.16:
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 shadowrider1982 schrieb daraufhin am 11.04.16:
Zuerst sei gesagt, Ich liebe Hunde. Und die meisten Hunde, die ich kennen gelernt habe, mochten mich auch.
Natürlich ist das hier beschriebene Verhalten absolut untypisch für einen Hund und es entspricht nicht im Geringsten seinem Naturell. Genau deshalb habe ich einen Hund gewählt.
Ich sehe schon, diese Geschichte ist offensichtlich für einige Leser etwas "mysteriös" und nicht ganz einfach zugänglich. Aber darüber bin ich eigentlich auch recht froh. Es war durchaus Absicht, das, was ich zum Ausdruck bringen wollte, bzw. die Situation, die mich dazu inspiriert hat, hinter einem sehr stark verzerrenden sprachlichen Bild zu verschleiern.
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