Teil 33

Roman

von  AnastasiaCeléste

Corvins Wachen, tauschten beunruhigte Blicke aus, als sie aus dem Inneren seiner Privaträume ein heftiges Gepolter vernahmen. Es klirrte, krachte und trotzdem wagte keiner einen Blick  hinein zu werfen. Sie wussten, dass ihr Boss vor wenigen Augenblicken eine schlechte Nachricht erhalten hatte.
Corvin bebte vor Wut inmitten der Scherben und Überreste dessen, was sich noch vor kurzem auf seinem Schreibtisch befand.
Der große Spiegel in der Nähe seines Bettes war gesprungen, als die schwere Vase vom Sideboard, samt Blumen, in ihm landete. Auf dem Fußboden hatte sich eine weite Wasserlache gebildet, während die Blumen traurig auf dem Boden verteilt lagen.
Corvins Augen waren rot unterlaufen, als sich seine Finger um die Schreibtischkante klammerten als würde sein Leben davon abhängen. Sein Atem ging stoßweise und gepresst. Er glaubte, dass seine Brust jederzeit bersten würde von dem adrenalingetränkten Gefühl des Hasses und der Mordlust, die sich wie ein schwarzes Tuch über ihn legte.
Seine Fingerknöchel wurden weiß vor Anspannung. Sein Blick war wild und doch verschleiert. Seine Augen fokussierten nichts.
Das Monster in ihm regte sich, wollte befreit werden, wollte wüten und toben und fressen, bis nichts mehr übrig ist von denen, die für diesen tiefen Schlag verantwortlich waren.
Diese kleinen Ratten haben ihm einen erheblichen Teil seiner Waren genommen. Und da sie nicht versucht haben, etwas zu klauen, war ihm nur zu klar, dass es darum ging, ihn zu schwächen. „Aber das gelingt ihnen nicht“, schwor sich Corvin. Dies sollte der Auslöser für einen unerbittlichen Krieg werden. Er würde dieses Ungeziefer finden und zertreten.
Niemand greift ihn an, ohne dafür zu bezahlen. Er musste Ave sprechen, sofort. Das würde seine Chance werden, ihm seine uneingeschränkte Loyalität zu beweisen und seine Zweifel wegzuwischen.
Als er wenig später an seinem Laptop Aves Standpunkt lokalisierte, war er wenig überrascht darüber, dass er sich bereits an den brennenden Lagerhallen befand. Er rief ihn an und bestellte ihn zu sich.
Als Ave wenig später das Innocent betrat spürte er sofort die angespannte Stimmung. Jeder, der an ihm vorbeikam zog den Kopf ein und wagte kaum aufzuschauen. Der Anschlag musste sich bereits herumgesprochen haben. Jeder wusste, dass Corvin einige Etagen höher raste vor Wut. Es war nur verständlich, dass sich alle um ihn herum möglichst unauffällig verhalten wollten.
Auch Ave war nicht gerade verpicht darauf, seinen Chef zu treffen. Ihr letztes Meeting hatte er noch lebhaft vor Augen. Corvin stellte seine Loyalität in Frage, schickte ihm Wachhunde auf den Hals und beobachtete scheinbar jede seiner Bewegungen. Wollte er ihn nun vielleicht auch für dieses Desaster verantwortlichen machen?
Kaum hatte er den Fahrstuhl verlassen, hörte Ave bereits das Geschrei aus Corvins Räumen. Als er nach seinem Klopfzeichen eintrat, sah er seinen Boss aufgebracht Befehle ins sein Handy schreien. Wer auch immer sich am anderen Ende der Leitung befand, konnte einem leidtun.
Ave entdeckte die Spuren seiner Wut überall in den Räumlichkeiten. Geduldig wartete er darauf, dass Corvin sein Telefonat beendete.
„Ave, du warst vor Ort. Wie ist die Lage?“ hörte er seinen Boss eine Spur zu hektisch hinter ihm. Ave drehte sich langsam um und sah ihm fest in die Augen. „Ich habe mir das Szenario nur vom Wagen aus angesehen. Ich habe das Gelände nicht betreten, aber so wie es aussieht, scheint alles in die Luft gegangen zu sein. Ich habe nur diese riesige Feuerwand gesehen. Die Detonationen waren sehr stark. Es würde mich wundern, wenn dort noch etwas zu retten ist.“ Corvin versuchte die neue Welle der Wut in sich einzudämmen. Es dauerte eine Weile, bis der Boss wieder sprechen konnte: „Wie zur Hölle konnten diese Parasiten ihre Sprengsätze auf dem Gelände verstecken?“ Der Bereich wird vierundzwanzig Stunden überwacht und niemand will etwas gemerkt haben?“ Ave wusste nicht, was Corvin von ihm für eine Antwort erwartete. Er hatte selbst keine Erklärung für das Geschehene.
Der Chef ging an ihm vorbei zur Bar, schenkte sich einen großen Drink ein, ohne Ave einen anzubieten und ließ sich in seinem großen Schreibtischstuhl sinken. Es schien als würde er laut denken: „Wenn niemand von außen hinein kommt, dann kann es nur von innen heraus kommen. Es kann jemand aus den eigenen Reihen sein.“ Ohne Ave anzusehen lehnte er sich zurück, hob das Glas an die Lippen und nahm einen großen Schluck.
Ave trat ein paar Schritte näher. „Ich glaube nicht, dass es jemand aus den eigenen Reihen war. Bei der Explosion ist wahrscheinlich ein Großteil der Wachen ums Leben gekommen. Einer von ihnen hätte alle gekannt und hätte für sein Vorhaben den sicheren Tod seiner Kollegen in Kauf genommen. Hältst du das für wahrscheinlich?“ Endlich sah Corvin auf. Er schien zu überlegen. „Gerade du mein Freund appellierst an die Moral und Sentimentalität deiner Mitmenschen?“, stellte Corvin schon fast spöttisch in den Raum. Ave schwieg.
„Wie auch immer, hör mir jetzt gut zu. Ich will diese Ratten leiden sehen. Ich stelle dich an vorderste Front, diese Typen zu finden, die das angerichtet haben. Du wirst sie mir bringen, Ave. Ich will sie möglichst lebend, damit sie noch zu spüren bekommen, was sie getan haben.“ Corvin sah ihn jetzt eindringlich an. Sein Blick hatte etwas verstörend Gefährliches. Seine Stimme deformierte sich zu einem tiefen Grollen: „Ich will ihre Köpfe. Und wenn ich mit ihnen fertig bin, werde ich sie als Mahnmal in der ganzen Stadt aufstellen, damit alle sehen, dass man mit mir nicht spielen kann.“
Eine Weile blieb es still. Corvin leerte sein Glas, stand auf und ging zum Fenster. Er warf einen Blick in den verdunkelten Himmel.
„Das ist deine Chance, Ave“, sagte er nun gefasster und deutlich ruhiger. „Mein Vertrauen in dich ist in letzter Zeit etwas abgebröckelt, wie du weißt. Wenn du es schaffst, die Sache aufzuklären und mir die Schuldigen zu bringen, vergesse ich alle Zweifel.“  Corvin starrte noch immer aus dem Fenster. „Du kannst dir Truppen zusammenstellen, wie du willst, ich stelle dir meiner Männer zur Verfügung. Nur finde sie.“  Nun trafen sich ihre Blicke. Ave fühlte sich äußerst unwohl mit dieser Aufgabe. Die Verantwortung diese Sache aufzuklären war eine Sache, aber Corvin Menschen auszuliefern war etwas, dass ihm mittlerweile nur allzu fern lag. Sollte er es jedoch tun, würde er seine Loyalität beweisen und Corvins Aufmerksamkeit von ihm abwenden, vorerst. Wobei sich Ave nicht so sicher war, ob dieser Teil seiner Ansprache wirklich ernst gemeint war.
Als Corvin Aves Zögern bemerkte, wurde er wieder lauter: „Was stehst du noch hier? Leg los! Ich will wissen, wie das passieren konnte.“ Er machte eine scheuchende Handbewegung, der sein Gegenüber sofort folgte.
Als Ave wieder in seinem Wagen saß, fiel ein Teil der Anspannung ab, die sich während seines Aufenthalts im Innocent aufgebaut hatte.
Die Aufgabe vor der er nun stand, erdrückte ihn förmlich. Er hatte keine Ahnung, wo er anfangen sollte. Von dem Interessenkonflikt in dem er sich befand, einmal ganz abgesehen. Er wollte Corvins Vertrauen zurückgewinnen. Das ging jedoch nur, wenn er ihm Schuldige ans Messer liefern würde. Andererseits wollte er niemanden, der das gleiche Ziel hatte, Corvin zu entmachten, in den Tod schicken. Ganz im Gegenteil, er wollte die Menschen, denen dieser Coup gelungen war, kennenlernen. Er war nicht allein. Er war nicht der Einzige, der im Geheimen agierte und gegen den großen Boss arbeitete. Ave wusste, dass diese Sache alles ändern würde. Er ahnte, dass es Zeit war, ernsthafte Entscheidungen zu treffen. Etwas zu riskieren, etwas Größeres ins Rollen zu bringen, etwas das er alleine nicht schaffen würde,  um endlich wieder ein relativ normales Leben führen zu können.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (24.05.16)
Du lässt Corvin hier wie einen mittelalterlichen Herrscher erstehen und das passt zu der Art von Welt, die er geschaffen hat (und natürlich wundert er sich, dass seine Widersacher zu den gleichen Mitteln greifen). Gelungen.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram