Mit deutschem Migrationshintergrund

Groteske zum Thema Möglichkeit/ Unmöglichkeit

von  Jorge

Eigentlich dürfte ich diese kurze Geschichte gar nicht veröffentlichen.
Alles begann vor Jahren in Sankt Petersburg am Leutnant-Schmidt-Ufer.
Peters Vater, der Pjotr hieß, war es leid, als Taxifahrer immer nur in der Schlange zu stehen und selten Kundschaft zu chauffieren. So packte er eines Tages drei Koffer  und machte sich mit seiner Ljudmilla und mit Peter auf den Weg nach Deutschland.
Nach einer Woche war die junge Familie schon in einem Aufnahmelager in Hessen.
Das Lagerleben war alles andere als abenteuerlich und Pjotr fand auch die Umgebung nicht sonderlich reizvoll. Nach einer weiteren Woche hielt Peters Vater Familienrat und kam zum Entschluss: Wir müssen unser Leben total ändern.
Was er in den vorläufigen Papieren änderte war simpel. Er liquidierte einfach das „H“ und gab an, Verwandte in Essen zu besuchen, weil er dort noch seinen deutschen Stiefvater vermutete.
Der Lagerleiter fuhr die Familie selbst zum zuständigen Standesamt und nun hatte es Pjotr schwarz auf weiß: Er war gebürtig in Essen.
Man besorgte der russischen Familie mit deutschem Migrationshintergrund  neue Pässe und Fahrkarten für die Bundesbahn.

Das Ziel war schnell erreicht: Essen.

Unglaublich schnell fand Pjotr eine Anstellung als LKW Fahrer im Frischezentrum Essen. Mal fuhr er Fleisch und mal Gemüse. Er war oft lange unterwegs.
Auch Ljudmilla hatte nach 14 Tagen eine Festanstellung in der Touristikzentrale. Ihr Arbeitgeber, die Essen Marketing GmbH, schätzte sehr schnell ihre Vielseitigkeit und ihre Begabung für Sprachen.
Einzig Peter hatte zunächst Integrationsprobleme.
An der Frida-Levy-Gesamtschule konnte man wenig mit ihm anfangen. Altersmäßig gehörte er in die 7. Klasse musste aber auf Anraten der Lehrerschaft schnell in eine höhere gymnasiale Stufe wechseln.
Die Familie hatte mit ungewöhnlichem Glück eine Wohnung in der Limbeckerstraße bezogen.
Peter hatte es von dort nicht weit zum Unperfekthaus. Schnell knüpfte er Kontakte zu Künstlern und ausländischen Besuchern.
An den Nachmittagen empfing er über Satellit auf dem kleinen Balkon japanisches Fernsehen und sprach laut die untertitelten Nachrichten mit.

Nachbarn informierten das Jugendamt und äußerten die Vermutung, dass Geräusche aus der Wohnung der neuen Mitbewohner auf Kindesmissbrauch schließen lassen.
Ein Ortstermin klärte alles schnell auf und verschaffte nun Peter ein Gespräch mit der Amtsleiterin.
Diese war von dem Jungen ganz begeistert  und sorgte für eine außerplanmäßige Immatrikulation Peters an der Universität Duisburg Essen.

Heute leitet er als jüngster Professor des Ruhrgebiets an dieser Uni den Lehrstuhl für Sinologie.


Anmerkung von Jorge:

Das Leutnant- Schmidt-Ufer gibt es tatsächlich in Sankt Petersburg. Der genannte Lehrstuhl für Sinologie kann möglicherweise eine Erfindung sein.

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(21.05.16)
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 Jorge meinte dazu am 21.05.16:
Ja Gerda, ähnliches vollzieht sich tatsächlich und das ist wirklich wohltuend in unseren Tagen.
saludos
Jorge

 harzgebirgler (23.05.16)
wenn pfiffigkeit mit grips sich paart / wird einer kaum toilettenwart.

 Jorge antwortete darauf am 23.05.16:
Die sollen aber abhängig vom Standort kräftig Gewinne einfahren.
Jorge
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