Mein Leben als Asso (in kurz)

Kurzgeschichte zum Thema Existenz

von  RainerMScholz

Ich war immer schon ein Asso, als Kleinkind schon. Asso aus Vererbung und Veranlagung. Mein Vater war schon richtig asozial. Der wohnte da in der Asozialensiedlung, wo jeder wusste, dass dort die pekuniär Minderbemittelten wohnen. Am Südblick - lächerlicher Name -, gegenüber vom Südfriedhof, wo auch nicht jeder bestattet werden darf, wie wir dann herausgefunden haben. Im Staatskneteviertel reihte sich ein Containerbau an den nächsten, alle voll mit Assos, die bei schönem Wetter im Unterhemd vor der Haustür sitzen und nix zu tun haben als Biersaufen und die Alte verprügeln. Total asozial. Und meine Mutter erst, die sich von ihrem asozialen Ehemann vor meinem ersten Geburtstag hat scheiden lassen, weil sie jetzt genug Schläge bekommen hatte, auch total asozial. Genug Schläge für`s ganze Leben, und dann ist die ab, was weiß ich wohin, spielt auch keine Rolle. Wahrscheinlich in die Arme des nächsten Assos. Dann war ich eben bei meinen Assogroßeltern. Die totalen Verlierer. Behinderte Rentner ohne Kohle, natürlich von Stütze abhängig und von der Caritas. Aber die hatten ein eigenes Haus mit dem Rest ihrer Bagage, meinen Tanten und Onkel und so. Und einen Riesengarten, alles verwahrlost und verfallen, aber mir hat`s Spaß gemacht. Nur dass die Badewanne im zementierten Waschraum nicht ging, draußen auf dem Hof, so dass ich samstags immer auf den Südblick zu meinem Assovater musste, damit ich `mal sauber wurde. Da habe ich zum ersten Mal Badeschaum gesehen, richtig viel, Tannennadelschaum, jedenfalls hat es so gerochen, bis über den Wannenrand, und ich mittendrin. Super war das, bei meinem Assovater, und ich durfte drinbleiben, bis die Haut schrumplig war.
Schule war natürlich auch asozial. Reden wir nicht darüber. Da gab`s viel direkte Kommunikation: Ich stell´ dir `ne Frage, und du knallst mir eine. Noch direkter geht nicht.
Dann musste ich umziehen. Meine Wurfmamsell war wieder aufgetaucht und beanspruchte aus unerfindlichen Gründen das Sorgerecht. Wahrscheinlich wegen der Alimente. In Frankfurt war es erst voll Scheiße. Total asozial. Die wollten mich nicht einmal verstehen, weil ich ja so ein auswärtiger Dorfdepp war, was wahrscheinlich auch stimmte. Da musste ich erstmal direkte Kommunikation und so. Das klappte dann. So, Schulzeit fertig.
Im Job später war`s nicht groß anders. Dicke Lippe? Dann gleich `was auf die Fresse. Redde ma net drübber. Freitags Biersaufen am Kiosk mit den Kumpels und Mädelsgucken auf der Straße. Und ein bisschen asozial sein. Irgendwie bin ich dann verheiratet gewesen und wir haben so einen kleinen Bankert großgezogen. Der ist jetzt weg und die Frau auch. Asozial wie immer.
So jetzt mach dich hier von meiner Bank weg und lass mich in Ruh´. Also, dann mach`s gut, tschö! Sonst wird die Kommunikation gleich direkter, klar?! Ihr Wichser! Gert, Gert, ich komm´ , hol `mal noch zwei Bier bei die Erna. Ich komm´. Wo is`n de Klaus?



© Rainer M. Scholz

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

Absinth (62)
(12.07.16)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 RainerMScholz meinte dazu am 12.07.16:
In so einem Asoforum würde ich natürlich nur intellektuelles Zeug veröffentlichen, damit ich ja überall anecke.
Gruß und Dank,
R.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram