Das Märchen vom faulen Mann

Märchen zum Thema Allzu Menschliches

von  AlexxT

Es war einmal in einem Dorf ein furchtbar fauler Mann. Er war so faul, dass er sogar zu faul zum Kauen war. Und als die Dorfbewohner merkten, dass wohl nichts und niemand diesen Mann zum Arbeiten kriegt, beschlossen sie, ihn aufzuhängen, um anderen zu zeigen, wohin das führt. Zwei Bauern wurden gewählt, sie kamen zu diesem Mann nach Hause, luden ihn auf einen Ochsenkarren – nicht dass er auch nur mit einer Wimper gezuckt hätte – und fuhren los in Richtung Galgen.

So war das damals nun mal Brauch.

Nach einer Weile begegneten sie einer Adligen in einer Kutsche. Auf den ersten Blick sah der Mann auf dem Karren wie ein Kranker aus, und so hatte sie Mitleid mit ihm.

„Der arme Mann ist krank und ihr fahrt ihn zum Krankenhaus?“ - fragte sie die Bauern.

„Nein, überhaupt nicht“ – erwiderte einer von ihnen. – „Mit Verlaub von Eurer Gnaden, dieser Mann ist wahrscheinlich der Faulste auf der ganzen weiten Welt. Und wir fahren ihn zum Galgen, weil er dem ganzen Dorf nichts als Probleme macht.“

„Aber das könnt ihr doch nicht machen!“ - Die Adlige war erschüttert. – „Das wäre doch schade, wenn der Arme umkäme wie ein räudiger Hund! Fahrt ihn lieber zu meinem Anwesen, es ist da drüben. Ich habe eine Kornkammer voller Zwieback, der ist für Notzeiten gelagert – Gott behüte! Soll er doch den Zwieback essen und bei mir leben! Daran werde ich bestimmt nicht arm. Man soll doch seinem Nächsten helfen!“

„Hey du fauler Hund!  Hast du das gehört?“ - sagte daraufhin der Bauer. - „Die will dich in ihrer Kornkammer durchfüttern! Du hast mehr Glück als du verdienst, du Schwein! Los, runter vom Karren und danke der Dame, die hat dich ja gerettet und du darfst es dir bei ihr gut gehen lassen! Wir hätten dich mit dem Galgenstrick belohnt und sie will dich bei ihr wohnen und essen lassen, einfach so! Ist schon ein Wunder, dass sich jemand für so was wie dich einsetzt… Aber sag mal, ob du das willst, ja oder nein, die Dame hat nicht den ganzen Tag Zeit, hier mit uns zu schwätzen!“

„Ist der Zwieback denn nass?“ - fragte der Faule, gerade noch so den Mund aufmachend und ohne sich zu bewegen.

„Wie bitte?“ - fragte die Dame.

„Ihr habt richtig gehört. Er fragt, ob der Zwieback nass ist“ - antwortete der andere Bauer.

„Na so was“ - wunderte sich die Dame - „derlei habe ich aber auch noch nie gehört. Kann er denn nicht selbst den Zwieback nass machen?“

„Hey, du faules Schwein, wirst du den Zwieback selbst nass machen?“

„Nein, werde ich nicht“ - antwortete er. – „Zu viel Aufwand für den schnöden Bauch. Fahrt mich mal lieber weiter.“ 

„Habt Ihr gehört? „- sagte daraufhin einer der Bauern. – „Natürlich ist das Eure Entscheidung, aber mal ehrlich, das wäre Verschwendung. Ihr seht‘s ja jetzt selbst, wir machen das nicht einfach so. Was glaubt Ihr denn, wenn auch nur ein einziger Funken Hoffnung für ihn wäre, würden wir dann nicht alles tun, um einen Menschen aus ihm zu machen? Leider sind an ihm Hopfen und Malz verloren…“

Die Dame hatte jetzt auch selbst, bei aller Herzensgüte, keine Lust mehr, sich um so was wie diesen Mann zu kümmern. „Tut, was ihr für richtig haltet“, sagte sie nur.

Sie taten, was sie für richtig hielten. Sie brachten den faulen Mann zum Galgen und hängten ihn auf. Und so hatten nun beide Seiten, was sie gewollt hatten, denn sie waren sich endlich gegenseitig los und würden sich nie mehr nerven.

Unklar bleibt, ob je wieder faule Leute den Mut haben werden, in jenes Dorf zu kommen.


Anmerkung von AlexxT:

Dies ist eine Übersetzung eines moldawischen Volksmärchens (aufgeschrieben im 19. Jahrhundert von Ion Creangă) für die heutige Zeit.

Vom etwaigen Hineininterpretieren fremdenfeindlicher Clichés bitte ich abzusehen. Denn sie waren a) im 19. Jahrhundert noch nicht vorhanden, da es keine große Migration nach Europa aus anderen Kulturen gab, und sind b) abstoßend.

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