Die ganze Welt in einer Kaffeetasse Teil 2

Innerer Monolog zum Thema Weltanschauung

von  millefiori

Ein Flugzeug fliegt hoch über mir am Himmel, der laute Schall erinnert mich daran, wie es war, als ich meine Verwandten in Amerika besuchte. Nach einem ausgedehnten Shoppingnachmittag hatten meine Cousine und ich einen guten Kaffee bitter nötig.
Vollbepackt mit Einkaufstüten in jeder Hand betraten wir einen der berüchtigten coffee shops, die mit der Meerjungfrau als Logo warben. Wir lasen das endlos anmutende Angebot auf einer großen schwarzen Tafel über der Theke. Außer verschiedenen Kaffeezubereitungen und Milchsorten, gab es auch diverse Geschmacksrichtungen des Sirups, mit dem man den Kaffee nach Wunsch verfeinern konnte. Mich verwirrte das Riesenangebot. Als ich mit Hilfe meiner Cousine endlich die Art coffee bestellen konnte, die ich wollte, fragte mich die Verkäuferin an der Theke: "Do you want a Tall, Grande, Venti or a Trenta?" Verzweifelt sah ich meine Cousine fragend an. Die bekam fast einen Lachanfall als sie mein dummes Gesicht sah. Nochmal ergründeten wir gemeinsam die Bechergrößen, die seltsamerweise nicht in der Weltsprache Englisch angeboten wurden, sondern italienische Namen hatten. Als ich endlich einen dampfenden Becher Kaffee in der Hand hielt, wunderte es mich nicht mehr, dass den Amerikanern nach dem ganzen Prozedere des Bestellens nur noch Zeit für einen Coffee to go bleibt.

Das ist nicht meine Welt, ich liebe es gemütlich meinen Cappuccino zu trinken. Während ich an meiner Tasse schlürfe - kalter Kaffee soll ja schön machen - muss ich schmunzeln. Ich habe gerade im Ohr, wie mich der Kellner im Wiener Kaffeehaus arrogant zurechtweist als ich einen Cappuccino bestellen möchte. Ich wusste ja nicht, dass es diesen Begriff in der österreichischen Kaffeekultur nicht gibt. Es war mein erster Besuch in Wien und meine Freundin Tanja und ich, wollten es uns nicht entgehen lassen, einmal in eines dieser berühmten Kaffeehäuser zu gehen und dieses ganz besondere Ambiente, die behagliche Atmosphäre der gemütlichen Sitzecken, der warmen Beleuchtung und der harmonischen Klaviermusik zu erleben. Gleich nachdem wir das Kaffeehaus betreten hatten, fühlten wir uns wie mit einer Zeitmaschine in eine andere Ära katapultiert. Nur gut, dass wir an diesem Tag nichts anderes mehr vorhatten, denn der elegant gekleidete Ober, übersah unser Winken geflissentlich. In einem Kaffeehaus, muss man wissen, lassen sich die Ober auf keinen Fall hetzen. Wir warteten eine gute halbe Stunde, und gerade, als wir schon überlegten wieder zu gehen, kam der Ober endlich an unseren Tisch, belehrte uns mit seinem lässigen Wiener Schmäh, dass es hier keinen Cappuccino gab. Nach der Beschreibung des gewünschten Kaffees, notierte er mit einem Stirnrunzeln eine Wiener Melange und entschwand hocherhobenen Hauptes. Wie in einem Kokon von der hektischen Außenwelt abgeschirmt, genossen wir unsere Wiener Melange und warteten fast genauso lange, um selbige zu bezahlen.                Wir haben es nicht bereut, dieser Besuch im Kaffeehaus gehörte zu den besonderen Erlebnissen unserer Reisen. Nicht umsonst wurde die Wiener Kaffeehauskultur 2011 von der Unesco in das Weltkulturerbe aufgenommen, wie 25 Jahre zuvor die Akropolis in Griechenland.
Das erinnert mich an Kristina, die Putzfrau aus der Firma in der ich arbeite. Wir können uns in der Weltsprache am besten verständigen, da sie Griechisch spricht und ich Deutsch.
Kristina kam in den Krisenzeiten des Euro aus Griechenland nach Deutschland. Sie stellte sich mir folgendermaßen vor: “Ich komme aus dem Land, über das überall im Fernsehen geredet wird.” Sie war mir sofort sympathisch, denn, um es noch einmal zu erwähnen:
Ich liebe positive Menschen.
Sie ist sehr fleißig und arbeitet an zwei Arbeitsplätzen um etwas Geld auf Seite zu legen.
Seit ich einmal nachgehakt habe und mich für ihr Leben interessierte, verwöhnt sie mich immer mal wieder mit Tsatsiki, hausgemacht, nach einem alten Rezept von Oma Niki.
Gerade jetzt macht sie in ihrer Heimat Urlaub.
Bestimmt sitzt sie jetzt mit ihrer Oma in der Küche an einem langen, rustikalen Holztisch und trinkt griechischen Kaffee und isst dazu Baklava, ein in Zuckersirup getränktes Blätterteiggebäck. Das Haus wird in einem strahlenden Weiß gestrichen sein und die Fensterrahmen und Türen sind ganz sicher so blau wie das Meer, das man sieht, wenn man aus dem Fenster schaut.
Wenn ich so darüber nachdenke, sind in mein Leben schon sehr viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern getreten. Ich versteh nicht, wie man auch nur ansatzwiese denken kann, dass man auf all´ diese Menschen in Deutschland verzichten kann.
Wie soll das funktionieren? Und wo soll man da anfangen auszusieben und wo aufhören?
Bei denen, die zu einem Viertel deutsch sind, oder zu einem Achtel? Oder dürfen nur diejenigen bleiben, die rein arisch sind?
Wobei der Begriff Arier ja auch umstritten ist, da die reine arische Rasse eigentlich dem Iran entstammt.
Dort, das hat mir Merima erzählt, wird der Kaffee in kleinen Stielkännchen gekocht. Früher wurde dafür die Hitze des Wüstensandes genutzt. Die dunkler gerösteten Bohnen werden zu einem staubfeinen Pulver gemahlen und dann mit dem Wasser in dem Stielkännchen gekocht. Man verwendet auch Gewürze, wie Nelke oder Zimt, zum Verfeinern des Kaffees. Sie werden mit dem Zucker noch vor dem Kochen mit in das Stielkännchen gegeben. Der Kaffeesatz wird nicht etwa weggeworfen, nein, er wird in die Tassen verteilt. Es gibt Frauen, die haben die Gabe, aus dem Kaffeesatz zu lesen. "Sie können die Gefühle anderer Menschen spüren", so sagt meine Bekannte.
Ihre Heimat ist gefährlich, zu gefährlich um gemütlich einen Kaffee zu trinken.

Dunkle Bilder erscheinen vor meinem inneren Auge. Bilder von entführten Mädchen und Frauen, von gefolterten Männern, die sich dem grausamen IS-Regime nicht unterwerfen wollen. Menschen, die keine Wahl haben, keine andere Wahl, als zu flüchten, denn es ist egal, ob sie ihr Leben riskieren wenn sie bleiben, oder wenn sie flüchten.
Aber wenn sie flüchten, haben sie den Hauch einer Chance auf ein Leben in Frieden und sie haben die Hoffnung eines Tages wieder zurückzukehren.

So sitze ich hier und denke darüber nach, wie vieles doch zusammenhängt und bereits untrennbar verbunden ist.
Warum wir es nicht schaffen, dem Mammon den Kampf anzusagen. Den Trumps und den Monsantos.
Wir sind zu bequem geworden, wir gehen lieber in den Park und fangen kleine irreale Monster
mit dem Handy und verschließen die Augen vor der Realität.

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