Das letzte Hemd hat keine Taschen ...

Short Story zum Thema Trennung

von  Annabell

"Du beobachtest mal wieder mit deinen Blicken das
gesamte Inventar. Sinnierst du etwa, was du alles
mitnehmen könntest, weil du in Gedanken lieber
mit unserem Zuhause in wärmere Gefilde auswandern
willst?"
"Ja. So ähnlich. Stell dir vor, mir träumte des Nachts, auf
meinem Sterbebett hätte ich noch einen einzigen Wunsch
frei, der mir tatsächlich erfüllt werden würde."
"Ach! Und was willst du alles mitnehmen?"
"Alles. Schau dich mal um, was hier herumiegt oder steht
und hängt. Das kann ich doch nicht alles hier lassen. Das
brauche ich doch. Sieh mal, die schönen Bilder und
Nippessachen an der Wand und auf den Schränken, in
den Regalen, auf der Anrichte. Und die spanischen Kera-
mikteller und -krüge. Soll ich etwa darauf verzichten?
Guck mal zum knallbunten Serviettenhalter aus Gran
Canaria, oder betrachte nur den Teppich aus der
Türkei, die südländischen Pflanzen aus vielen Urlaubs-
ländern und meine diversen Bücher, CD’s und Fotoalben.
Die will ich doch nicht zurück lassen, damit es dann
langsam verrottet."
"Wie stellst du dir das vor? Meinst du, dein letzter Engel
lädt alles auf einen himmlischen Transporter, und HUII,
SIMSALABIM und ZOOM - schon schwebst du mit all dem
Krempel in den Astralbereich?"
"Ja. Es ist ja schließlich mein letzter Wunsch. Du glaubst
doch nicht, daß ich die Sammlerpuppen, die vielen Schuhe
und meine gesamte Kleidung etwa zurück lasse? Oder
vielleicht die wunderschöne Katzensammlung, die ich
mühsam in all den Jahren zusanmen getragen habe?
Oder die neue bequeme Sitzgruppe mit Ottomane und
den großen Breitwandfernseher?
"Ach! Und an mich denkst du gar nicht? Du bist ziemlich
Ich-bezogen. Ich sitze dann allein auf dem kalten
Parkettfußboden ohne Teppich und Möbel? Du denkst
nur an dich!"
"Sei unbesorgt. Ich ziehe dich in meine Erwägungen mit
ein. Am besten wäre es nämlich, wenn ich dich auf den
himmlischen Umzugstranporter mit auflade und dich fest
binde. Ich nehme dich selbstverständlich mit. Schließlich
ist das mein letzter Wunsch, der mir gewährt wird."
"Da kann ich ja beruhigt und überaus froh sein, nicht unter
all deinen vielen entsorgten Müllbergen gelandet zu sein
und gleich mit verschrottet zu werden ..."

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