Bis ans Ende der Welt

Text zum Thema Entfremdung

von  keinB

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Im Schlaf sind sie Liebende. Traumgut umfängt sie. Sie schmiegen sich aneinander, selige Nähe, die gegen den Alltag verliert, verlieren muss.

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Wenn der Wecker klingelt sind sie Fremde. Sie stehen auf, kämpfen nebeneinander die Leere nieder statt miteinander. Sie sind festgelebt. Es ändert sich nichts.

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Wenn ich könnte, denke ich manchmal, wenn ich könnte, ich würde. Da ist dieses Leben, das mir zuwinkt, dieses andere, Sprung ins kalte Wasser. Das Zurücklassen. Mich schaudern die Möglichkeiten.

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Es endet nicht. Die Festgefahrenheit der Situation ist der Halt, von dem wir leben. Manchmal glaube ich, was sie sagt. Es sind kleine Lügen, aber sie schneiden tief. Ich fliege dir in die Arme, weil meine Flügel schwach sind. Die Feuer, die wir schüren sind die falschen. Es gibt keinen Ausweg und wir - wir scheinen es zu wissen, auch wenn wir es nicht sagen.

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Der Brief. Alles fing mit einem Brief an. Lächerlich. Ein Blatt Papier, einige schnell geschriebene Buchstaben, Worte, Sätze. Das Ende der Welt sollte anders aussehen. Der Brief brachte Tod von aussen in unseren. Ihr Vater. Sein letzter Brief. Das Leben sollte weitergehen, doch sie verdrängte. Man verdrängt so viel über die Jahre.
Ich habe ihn gehasst, sagt sie, sie zupft gedankenverloren an einer Haarsträhne.
Er war kein Mensch, er ... Sie stockt, ich zähle Schattentränen.
Ich konnte nicht verzeihen. Ich wollte nie.
Sie ist mir fremder als sonst. Ich kann nicht hineinsehen in sie, könnte ich, ich würde nicht wollen.
Der Schmerz in ihren Augen, in ihren Worten, in ihrem Leben.
Ich wollte retten, was ich erreicht habe, entfernt sich meiner Absicht immer weiter.

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Du kannst mich nicht retten.
Ich kann es versuchen.
Ich will nicht gerettet werden.
Ich werde es versuchen.
Versprich mir, nicht mir den Vorwurf zu machen, wenn du fehlst.

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Wir fehlen, ich an ihr, sie an mir. Die Vergangenheit mag zu bewältigen sein, aber vergessen, vergessen ...
Der Tod ist nicht regulierbar. Es gibt einfach kein bißchen tot. Das wollte mir nie in den Kopf. Ich musste es lernen, aber jetzt ist es zu spät. Ich habe ein Versprechen gegeben, ich werde es halten. Über kurz oder lang wird es auch mich töten.

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Wenn es an der Zeit wäre zu reden, flutet Stille unsere Ohren. Ihre Ohren sind klein, unvorstellbar, was sie schon alles gehört haben. Nicht auszuhalten in mir, wenn ich daran denke. Das letzte wahre Wort, es ist lange her. Ich fasse sie mit Vorsicht an, wenn. Sie ziert sich, ich schweige. Es ist alles so elend eingespielt.

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Nur im Schlaf kann ich lieben. Ich fühle mich sicher. Am Tag erinnert mich alles. An Alles. Es quält mich, dass das Leben achtlos an mir vorbeizieht. Und - es erlöst mich.

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Der endgültige Tod ist nur der letzte.

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Kommentare zu diesem Text

Teichhüpfer (56)
(16.12.16)
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Graeculus (69)
(16.12.16)
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ues (34) meinte dazu am 18.12.16:
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 keinB antwortete darauf am 27.02.18:
Ha. Ich hab mich hier nie bedankt. Danke :)
fragilfluegelig (49)
(16.12.16)
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