19
 Inhalt 
21 
 19
21 

20

Novelle zum Thema Weihnachten

von  Skala

Kurz darauf hörte er Gläser klirren. „Der Wein schmeckt nicht“, murmelte er draußen auf dem Balkon. Es stimmte. Sie hatten den Wein aus ihrem Sommerurlaub in Frankreich mitgebracht, und erst zu Hause festgestellt, dass er fürchterlich bitter schmeckte und außerdem korkte. Hätten Sie nicht eine dreistellige Summe für eine Kiste auf den Tisch gelegt, Kowalski hätte sich dafür ausgesprochen, das furchtbare Zeug einfach wegzuschütten, aber angesichts dieses Preises gab es keine Diskussion. Das Zeug musste runter durch die Kehle.
Kowalski stellte sich vor, wie sein Ebenbild und Tatjana den Wein schlürften, und er schüttelte sich.

„Der schmeckt ... genau so wunderbar, wie in Frankreich, Schatz“, hörte er seine eigene Stimme durch den Fensterspalt.
„Mach keine Witze, Kowalski“, antwortete Tatjana näselnd. Kowalski erinnerte sich an ihre furchtbare Laune während des ganzen Abends. Eigentlich hatte sie über Weihnachten nach Russland zu ihrer Familie fliegen wollen, aber besagte Familie hatte einen Spontanurlaub in Ägypten gebucht und Tatjana abgesagt, weshalb sie sich mit Kowalski notgedrungen ein Alternativprogramm hatte überlegen müssen. „Der Wein war der größte Fehlkauf meines Lebens.“
„Ich dachte immer, das sei dein blauer Webpelzmantel gewesen.“
„Das nehme ich damit zurück.“
„Gut, dann war der Wein eben ein Fehlkauf. Das Wichtigste ist doch, dass ich kein Fehlkauf für dich war.“

Auf dem Balkon biss Kowalski sich in die Fingerknöchel. Kein Wunder, dass Tatjana bei diesen unterirdischen Flirtversuchen schlechte Laune gehabt hatte. Die verbale Quittung folgte auf dem Fuß.
„Als hätte ich für dich jemals etwas gezahlt.“
„Okay, den hattest du verdient“, murmelte Kowalski unter dem Wohnzimmerfenster.
„Der Braten ist gut“, hörte er sich selbst im Wohnzimmer sagen.
„Findest du?“ Kowalski konnte vor seinem inneren Auge sehen, wie Tatjana das Gesicht verzog. „Ich finde ihn viel zu sehnig, aber wenn er dir schmeckt ...“
„Er ist wunderbar, Schatz. Beinahe so wunderbar, wie du.“
Bis jetzt lief das Weihnachtsfestessen eigentlich ganz harmonisch ab, fand Kowalski, einmal abgesehen von seinen ungelenken Flirtversuchen. Warum, fragte er sich, sollte dieser Heiligabend es in die Top Drei seiner schlimmsten Weihnachtsfeste geschafft haben?
Kowalski rieb seine kalten Hände aneinander. Es begann, ungemütlich auf dem Balkon zu werden, und, so dachte Kowalski, eigentlich saß er doch nur hier und hörte bei einem Gespräch zu, dass ihm zwar etwas weniger peinlich, aber vom Inhalt her noch recht gut im Gedächtnis haften geblieben war. Er rutschte ein wenig von rechts nach links, um eine bequemere Sitzposition zu finden, und versuchte, nicht daran zu denken, wie sein Mantel wohl aussehen mochte, ganz zu schweigen von seiner guten, ledernen Aktentasche, die er achtlos unten im Garten abgestellt hatte.
„Tatjana“, hörte er jetzt wieder seine eigene Stimme aus der Wohnung, „ich finde, wir beide haben es wirklich schön miteinander. Schau, wir feiern unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest, wir trinken Wein, den wir aus dem Urlaub mitgebracht haben ... meinst du nicht, es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen?“
„Was meinst du damit Kowalski?“

Kowalski, der natürlich wusste, was jetzt folgte, kam nicht umhin zu bemerken, dass Tatjana auch nach mehrmaligem Bitten nie davon abgelassen hatte, ihn wie seine Mutter konsequent beim Nachnamen zu nennen. „Frage mich, ob du meinen Vornamen überhaupt kennst“, murmelte er, und erschrak sogleich über sich selbst.
Ein rumpelndes Geräusch drang an sein Ohr, und Kowalski erinnerte sich, dass er in seinem ungeschickten Versuch, auf die Knie zu fallen, seinen Stuhl umgestoßen hatte.
„Pass doch auf!“
„Tatjana“, Kowalski spitzte die Ohren und hoffte, dass er das was jetzt kam nach diesen ungelenken Romantikversuchen nicht auch ruiniert hatte, „Tatjana, es wäre mir eine Ehre, wenn du mich zur Frau ... nein, mich ... nein, ich meine, ich würde mich sehr freuen, wenn wir beide, also irgendwann, man muss ja nichts überstürzen, also, was ich damit sagen will ist: Willst du mich irgendwann vielleicht einmal heiraten?“
Alles klar, dachte Kowalski, das war jetzt natürlich ein ausgesprochen triftiger Grund für die Top Drei.

 19
 Inhalt 
21 
 19
21 
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram