Wie ich mir einmal für das nächste Weihnachtsfest etwas vorgenommen habe

Text

von  tulpenrot

Nun sind die beiden Feiertage vorbei. Ich sitze allein im Wohnzimmer. Der Fernseher ist ausgeschaltet, die Weihnachtspyramide dreht sich stattdessen im Kerzenschein. In der Krippenlandschaft jedoch ist das Teelicht ausgebrannt. Dort ist es dunkel.

Eines ist sicher: Nächstes Jahr muss alles anders werden. Alles.

Ich werde kein großes Menü kochen. Ein einfaches Essen spart Geld, das ich spenden werde.
Ich werde keine unnötigen Vorräte einkaufen und keine unnötigen Geschenke machen. Wir haben schließlich alle mehr als genug.
Den Sekt und den Wein können andere trinken.  Und die teuren Säfte und Tees auch.
Die Plätzchen und den Stollen sollen meine Nachbarn backen und essen.
Ich werde meine Wohnung nicht durch blinden Dekorationswahn getrieben mit billigem Klimbim vollstopfen.
Es wird keinen Tannenbaum mehr geben und keinen Adventskranz.
Auf teure Kleidung werde ich verzichten, auch auf Schmuck, besondere Duschgels oder Seifen.
Meine Haare schneide ich selber.
Ich werde alle Erwartungen der mir nahe Stehenden erfüllen.

Habe ich etwas vergessen?
Das Eigentliche! Das Eigentliche?
Es dauert ja noch ein ganzes Jahr, bis wieder Weihnachten ist. Währenddessen habe ich genug Zeit, mich wieder darauf zu besinnen, wo es zu finden ist - das Eigentliche des Weihnachtsfestes.

Ich drücke auf die „Speichern-Taste“. Draußen schneit es vom Abendhimmel. Ein Sturm treibt die Kälte herein. Ich schäle mir eine Apfelsine und hole ein neues Teelicht für die Krippe.


Anmerkung von tulpenrot:

Ein Versuch.
Ob der Text, das hergibt, weshalb er geschrieben wurde, muss sich zeigen.

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Kommentare zu diesem Text


 niemand (04.01.17)
Hört sich gut, sehr gut an, aber eigentlich könnte man damit bereits anfangen. Meiner Meinung nach wäre es zu wenig damit bis zum Weihnachtsfest zu warten. Ein Jahr ist lang und der Mensch neigt zur Vergesslichkeit. Jeden Tag einen Schritt in die angestrebte Richtung und das nächste Weihnachtsfest erhält den inneren Glanz, der so wenig kostet. Mit lieben Grüßen, Irene

 tulpenrot meinte dazu am 04.01.17:
Danke für deinen Kommentar und dein Sternchen.
Wenn das alles so einfach wäre...
LG und dir ein gutes neues Jahr
Angelika

 niemand antwortete darauf am 04.01.17:
Einfach ist sowas auf keinen Fall, wo man doch täglich von Verführungen quasi umlagert wird aber nicht unmöglich. Dir ebenso ein gutes neues Jahr! Irene

 AZU20 (04.01.17)
Sicher ist der ein oder andere Vorsatz lobenswert, aber auf das Weihnachtsfest, viellleicht in leicht abgespeckter Form, solltest Du nicht verzichten und auf einige Dinge, etwa Weihnachtsbaum..., nicht verzichten. Das Eigentliche des Festes zu finden und dann für sich zu bewahren, das ist freilich eine lobenswerte Idee. In diesem Sinne ein gutes neues Jahr mit noch vielen klugen Gedanken. LG

 tulpenrot schrieb daraufhin am 04.01.17:
Danke, Armin, für deine Gedanken dazu und für den Klick.
Zu deinen Worten fällt mir sehr viel ein - ich schreib es aber nicht, denn dann würde ich meinen Text interpretieren.
LG und ein gutes neues Jahr dir auch.
Angelika

 blauefrau (05.01.17)
Vielleicht erkennen wir das Eigentliche erst bei der Betrachtung eines leeren weißen Raumes.

 tulpenrot äußerte darauf am 05.01.17:
Manchmal kann Leere hilfreich sein, ja. Und ja, es geht um das Erkennen des Eigentlichen. Danke dir für deine Gedanken dazu und LG und ein gutes neues Jahr.

 Irma (05.01.17)
Morgen ist ‚Heilige drei Könige‘. Wir werden unseren Weihnachtsbaum abschmücken und vor die Tür stellen. Die Kerzen haben nur ein paar Mal gebrannt, viel zu selten. Aber jetzt traue ich mich nicht mehr, sie noch einmal anzuzünden. (Wir haben noch echte Kerzen, und der Baum ist schon recht trocken.) Irgendwie denke ich auch immer: Kaum hat man alles aufgebaut, die Wohnung geschmückt, weihnachtlich hergerichtet, da ist die schöne Zeit (viel zu schnell) auch schon wieder vorüber.

Die Adventstage rasen nur so dahin mit Adventskalender basteln, diversen Weihnachtsfeiern in der Schule, Plätzchen backen und Basteln mit den Kindern, Weihnachtsbaum kaufen gehen, Weihnachtsdeko hervorkramen usw. Unmittelbar vor Weihnachten habe ich zu allem Überfluss auch noch Geburtstag. Und kurz nach Weihnachten folgt schon wieder Silvester: Große Familie, viele Verwandte und Besucher von auswärts. Die Ruhe und Besinnlichkeit des Weihnachtsfestes kommen da tatsächlich viel zu kurz. (Ich war an Heiligabend dieses Jahr so müde, dass ich mich nicht einmal mehr zum 23-Uhr-Gottesdienst aufraffen konnte, zu dem ich eigentlich gerne gehe.)

Schon oft habe ich mir gewünscht, wir würden hierzulande die Bescherung auch auf den ersten Weihnachtsfeiertag legen wie in Amerika. Oder die Geschenke kämen erst im Januar mit den Heiligen drei Königen, wie in Spanien oder Russland. Sich auf „das Eigentliche“ des Weihnachtsfestes besinnen, auf Christi Geburt in einer kleinen Krippe im ärmlichen Stall? Ja, es ist sicher gut, das Kerzlein vor der Krippe neu zu entzünden und Weihnachten wieder ins rechte Licht zu rücken!

Andererseits wollen wir ja das Kommen Christi mit unserem Weihnachtsfest feiern. Und bei einem „Fest“ geht es eben nicht um Entbehrung und Verzicht, sondern um Frohsinn. Um erwartungsvolle Vorfreude auf Weihnachten (die der Adventskranz symbolisiert). Um Freude, die durch das Schenken und Beschenktwerden entsteht (auch wenn das größte Geschenk das Christkind bleiben sollte). Um Genießen (sowohl kulinarischer Art wie Lebkuchen, Kekse und Stolle als auch den der Gemeinsamkeit, des Zusammenkommens von lieben Menschen). „Blinder Dekorationswahn“ und „billiger Klimbim“ sind sicherlich entbehrlich, ebenso wie „unnötige Geschenke“, die nur aus reiner Pflichterfüllung verschenkt werden.

Verzichten kann man auch gerne auf Ärger und Streit zur Weihnachtszeit. Und auf etwas von dem Stress, der oftmals damit verbunden ist. Sich selbst und den anderen Freude bereiten. Etwas Ruhe gönnen und eben nicht (welch seltsamer Vorsatz für ein besseres Weihnachten) sich unter Druck setzen lassen, um „alle Erwartungen der mir nahe Stehenden zu erfüllen“, sondern sich vielmehr ganz gezielt die Zeit nehmen für Jesus, für Familie und Freunde und für sich selbst. Das ist ein großes und wunderbares Geschenk. Und es kostet nicht viel.

Weihnachten als Fest bewusster gestalten - ja. Aber völlig enthaltsam: nein. Da würde mir doch so einiges fehlen. Und auch der Ich-Erzähler in deinem Text scheint da ambivalent zu empfinden. Zumindest klingt der Titel „Wie ich mir einmal für das nächste Weihnachtsfest etwas vorgenommen habe“ für mich so, als wäre dieser niedergeschriebene Vorsatz-Katalog glücklicherweise niemals ernsthaft umgesetzt worden …

LG Irma
(Kommentar korrigiert am 05.01.2017)

 tulpenrot ergänzte dazu am 05.01.17:
;-) Das ist das Tüpfelchen auf dem i - auf diesem/nach diesem so umwerfend guten und ausführlichen Kommentar. Ich danke dir sehr dafür. Ich muss nur leider gleich zu einem Termin und kann deswegen noch nicht ausführlich antworten, wollte dir aber gleich meine Freude mitteilen.
LG bis später
tulpenrot

Nachtrag:
Es gibt einige Stellen, die ich in deinem Kommentar besonders mag:
Ja, es ist sicher gut, das Kerzlein vor der Krippe neu zu entzünden und Weihnachten wieder ins rechte Licht zu rücken!

Andererseits wollen wir ja das Kommen Christi mit unserem Weihnachtsfest feiern. Und bei einem „Fest“ geht es eben nicht um Entbehrung und Verzicht, sondern um Frohsinn.

... sich vielmehr ganz gezielt die Zeit nehmen für Jesus, für Familie und Freunde und für sich selbst. Das ist ein großes und wunderbares Geschenk. Und es kostet nicht viel.

Weihnachten als Fest bewusster gestalten - ja. Aber völlig enthaltsam: nein. Da würde mir doch so einiges fehlen. Und auch der Ich-Erzähler in deinem Text scheint da ambivalent zu empfinden. Zumindest klingt der Titel „Wie ich mir einmal für das nächste Weihnachtsfest etwas vorgenommen habe“ für mich so, als wäre dieser niedergeschriebene Vorsatz-Katalog glücklicherweise niemals ernsthaft umgesetzt worden

Genauso denke auch ich. Dieser Katalog wird auch in Zukunft nie umgesetzt (obwohl ich mir die Haare tatsächlich seit Jahrzehnten selber schneide. Aber weil es so schön schräg klingt, hab ich es in den Text aufgenommen)

Was mich zu dem Text veranlasst hat, ist das jedes Jahr wiederkehrende Gerede davon, dass wir falsch feiern, dass wir "das Eigentliche" vernachlässigen. Mich ärgert, dass uns immer zur Weihnachtszeit vorgehalten wird, dass wir etwas falsch machen, dass wir zu dem "Eigentlichen" nicht kommen. Was aber ist das Eigentliche? Das bleibt nebulös und unwirklich, wirkt auch abstrakt, freudlos und wenig attraktiv.

Wer "das Eigentliche des Weihnachtsfestes" kennt, wird ihm den gebührenden Raum einräumen, ob mit oder ohne Weihnachtsbaum und all den anderen aufgezählten Dingen. Er wird fröhlich feiern und auch wissen, warum. Muss man ihm aber jährlich aufs Neue Vorhaltungen, ein schlechtes Gewissen machen? So, als ob es doch nicht so ganz im Sinne des "Eigentlichen" sei, wie man zu feiern vorhat? Und mit welchem Recht urteilt man überhaupt über die Menschen und ihre Art des Feierns? Wäre es nicht besser ihnen zu zeigen und vor allem sie erleben zu lassen, wie man feiern könnte?

Ich überlege auch: Was wäre, wenn wir auf alles Äußere verzichten und ganz bescheiden die Weihnachtszeit begehen? Es war ja früher gar nicht üblich, Weihnachten so groß zu feiern, wie wir es heute tun.
(Antwort korrigiert am 05.01.2017)
(Antwort korrigiert am 05.01.2017)

 princess (22.11.17)
Hallo Angelika,

heute sind wir näher am nächsten Weihnachtsfest als zu Beginn des Jahres. Haben die Gedanken des Textes dich weiter durch 2017 begleitet? Jaa, ich bin neugierig!

Liebe Grüße
Ira

 tulpenrot meinte dazu am 22.11.17:
Ja, immer.
Ich denke in zwei Richtungen.
Es ist einesteils der Gedanke, den ich in meinem obigen Kommentar zu Irma schrieb - der sich gegen den jährlichen Vorwurf sperrt, niemand vermöge "richtig" Weihnachten zu feiern, immer vergäße man "das Eigentliche", ohne dass die Kritiker das benennen.
Ich feiere sehr gerne, koche gerne gute Sachen, backe gerne, schmücke gerne die Wohnung und liebe schön geschmückte Weihnachtsbäume, ich mag die Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen und Geschäften, hab sehr gerne Gäste! Mit dem Schenken hab ein wenig Probleme - ich brauche nichts, und weiß selten, womit ich anderen eine Freude machen könnte. Das ist ein Problem. Ich liebe es jedoch, wenn es überall stimmungsvoll ist, wenn man den Lichterglanz in den Wohnungen von außen ahnt, wenn schöne Musik tönt, mache auch selber welche. Alles würde also passen, um unauffällig im Strom mitzuschwimmen. Ich mag es nur nicht, wenn einem vorgehalten wird, man feiere nicht richtig, wenn einem die Feierfreude z.B. durch miesepetrige Predigten verdorben wird.

Und zum zweiten denke ich darüber nach, was wäre, wenn es gar keine Weihnachtsfeiertage gäbe. Fehlt dann was Wesentliches? Klar, die Stimmung, der Konsumaufschwung, die Musik, das Zusammenkommen in der Familie. Aber würde es nicht auch vieles erleichtern? Die meisten, die Weihnachten ausschweifend feiern, machen sich gar keine Gedanken, warum Weihnachten überhaupt gefeiert wird. Und diejenigen, die das Warum bedenken, brauchen doch den ganzen Rummel nicht - keinen Weihnachtsmarkt, keinen Tannenbaum, keine Straßenerleuchtung usw. - um angemessen der Geburt Jesu zu gedenken. Dazu genügt ein Gottesdienst, eine feierliche Andacht.

Interessant finde ich alle Informationen darüber, wie es gekommen ist, dass wir Weihnachten überhaupt feiern - die ersten Christen haben es bestimmt nicht gefeiert - und wie wir zu all den Bräuchen um das Weihnachtsfest gekommen sind.
Es gibt sehr puritisch eingestellte Leute in unserer Familie, die alle Bräuche ablehnen, weil sie ihrer Meinung nach heidnischen Ursprungs sind und deswegen mit Christi Geburt nichts zu tun haben dürfen. Ich denke nicht so. Es gibt viele Symbole um Weihnachten herum, die eine Botschaft haben, die den biblischen Bericht der Geburt Jesu interpretieren und veranschaulichen. Daran gibt es nichts auszusetzen. Man muss nur darum wissen, wissen, was man tut und warum.

Wenn ich die diesjährigen Weihnachtstage (3 sind es ja dieses Jahr) vermutlich sogar ganz alleine feiere, ohne Familie oder Gäste, ohne Weihnachtsbaum (der lohnt sich nicht), mit wenig Schmuck in der Wohnung und einem normalen Essen, ohne andere Weihnachtsfeiern, nur mit einem (!) Gottesdienst oder einer selbst gebastelten (!) Andacht - würde ich dann am Weihnachtsgedanken vorbeirauschen?
Sicher nicht.

Manchmal erschrecke ich andere Mitchristen, wenn ich laut darüber nachdenke, was an Inhalt verloren ginge, wenn auch die anderen christlichen Feste abgespeckt würden ...

So weit für heute.
Was planst du für die Feiertage?

Liebe Grüße
Angelika

 princess meinte dazu am 22.11.17:
Weihnachten hat sich für meine beiden längst erwachsenen Töchter und mich zu einer wichtigen Familienzeit im Jahr entwickelt. Wir leben auf zwei verschiedenen Kontinenten, da können wir uns nicht oft mal eben so auf einen Kaffee oder einen Plausch treffen. Aber Weihnachten gehört uns. Bis jetzt jedenfalls. Auch dieses Jahr werden wir zu dritt unsere gewohnten Feiertags-Traditionen pflegen. Gemeinsam kochen, backen, den Baum schmücken, lachen, spielen, kuscheln. Und dieses Zuhause-Gefühl genießen.

Liebe Grüße
Ira
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