Oberhalb des delphischen Theaters

Sonett zum Thema Mystik

von  Tatzen

Am Rande seines Heiligtums
gewohnten Blicks zerborstnen Steins
erfüllt uns dieses seltne Kains-
gefühl des nicht erblüh‘nden Musentums.

Wir lauschen in das Rund der Bühne
Touristen ziehen ihre Kreise
ein Häkchen für die Bildungsreise
und unsrer Hybris eine erste Sühne:

Wie sich das Tal dem Blick als Bett hinstreckt
Wie sich Athenas Gabe grün darüberlegt,
Vermeinen wir: Apollon wär‘ erweckt

Er bräch sein Schweigen, das er lang gehegt
und plötzlich: dass in jedem Stein ein Gotte steckte
der uns mit einem Schleier Vorahnung bedeckte.


Anmerkung von Tatzen:

Den Blick über das Rund des Theaters beim Orakel von Delphi kennen die meisten noch aus dem Geschichtsschulbuch. Der sich im Tal ausbreitende Ölbaumhain ist der größte zusammenhängende Ölbaumhain der Welt.

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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (20.01.17)
Anschaulich verreimt!
Mal sehen ob die Tatzen auch Krallen haben
FF oder wie man auch sagt "Viel Vergnügen" hier.
LG TT

 Tatzen meinte dazu am 21.01.17:
Die Krallen fahre ich nur manchmal aus - dann fliegen die Fetzen
Vielen Dank für das herzliche Willkommen!
LottaManguetti (59)
(20.01.17)
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 Tatzen antwortete darauf am 21.01.17:
Über Vers 2 habe ich lange nachgedacht - meine Intention ist es, die Behinderung des poetischen Prozesses durch das Streben nach neuen und möglichst intellektuell anmutenden Formulierungen auszudrücken. Der Doppelte Genitiv schien mir dafür sehr geeignet. Wenn das so aber nicht ankommt, mache ich mir nochmal Gedanken. Danke!

Was Vers 4 angeht, halte ich das Präteritum nicht für gleichbedeutend mit dem Partizip I. Es ist ja gerade keine abgeschlossene Handlung, sondern der nicht laufende Prozess, der hier ausgedrückt werden soll.

Zum Sarkasmus: da kommt noch mehr - demnächst stelle ich das Gedicht "Mykene" rein, da geht’s dementsprechend weiter.

Griechenland ist ein unglaubliches Land - ich fahre dieses Jahr wieder hin und begleite eine Studentengruppe als Mit-Reiseleiter. Diesem Land kommen nur Verse bei.
Danke für deinen ausführlichen Kommentar und für den Denkanstoß bzgl. V.2!

Viele Grüße

Daniel

 AZU20 (20.01.17)
Da habe ich auch lange gesessen und herabgeschaut. Eindrucksvoll. Eindrucksvoll in Worte gekleidet. LG

 Tatzen schrieb daraufhin am 21.01.17:
Meine Frau hat auch noch ein tolles Foto über den Rand des Theaters hin gemacht - das hängt jetzt im Großformat in unserem Esszimmer, das sich immer mehr zu einem "Hellas"-Zimmer wandelt. Delphi ist neben dem Poseidontempel von Cap Sounion mein Lieblingsort in Hellas, auch wenn das Theater von Epidauros sicherlich besser erhalten ist.

 EkkehartMittelberg (24.02.17)
Die letzten zwie Verse mit dem "Gotte" sind ein bisschen komisch. Warum nicht
..............dass in jedem Stein die Gottheit steckte
die uns mit einem Schleier Vorahnung bedeckte.

LG
Ekki

 Tatzen äußerte darauf am 25.02.17:
Ja du hast Recht, mit dem "Gotte" bin ich auch gar nicht zufrieden. "Gottheit" passt metrisch leider nicht so gut. Ich hatte auch schon darüber nachgedacht, daraus Genien zu machen - das würde aber den Text inhaltlich anders ausrichten. Was hältst du davon, die Indifferenz aufzulösen und direkt "ein Gotte" durch "Apollon" auszutauschen?

Gruß Tatzen
(Antwort korrigiert am 25.02.2017)
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