Brief an Andreas Isensee bezüglich seiner Einladung zum podcast

Brief zum Thema Allzu Menschliches

von  LotharAtzert

Zunächst möchte ich mich bedanken für die Ehre einer Einladung zu eurem äh ... Kotcasten, um  im Folgenden meine Absage näher zu begründen:
Das Format, ein modernes, richtet sich vor allem an jüngere Menschen, die in den sozialen Medien firm sind. Der Ton ist rau(h), salopp, informativ, teilweise witzig-provokativ und auf jeden Fall unterhaltsam.
Letzteres ist aber der Punkt: ich will meine Leser nicht unbedingt unterhalten, auch nicht im sozialen Bereich, den ich Herdenbereich nenne, ein Umarmungs- oder Rauskitzelritual starten, sondern richte mich an eine empfindsam geartete Leserschaft: jene, die nirgendwo in der Welt beheimatet ist, auch in keiner Nische oder im Reservat einer Pazifikinsel überlebt, sondern eben diese Heimat auf der Erde überall vermissen. Denen möchte ich Straßenkehrer, Nachtwächter ... oder stiller Wegweiser zum Bewußteren sein.
 
Ich weiß, daß auch Du ein Heimatloser bist, wie Deine Mitstreiter, wie alle, würden sie nur tief genug in sich graben - aber Du beziehst mir das noch zu sehr auf das soziale Umfeld, in dem Du nach literarischer Verwirklichung suchst, als daß ich mich damit zufrieden geben könnte. Eine Heimat in einer Herde zu finden, ist nicht meine Passion. Ein schönes Weib in der Herberge der Jugend, ja gut ... Jeder in der Herde ist dem Leitbullen unterworfen - mir liefen die Kühe damals alle davon.
Unsere wahre Heimat ist aber das Land zeitlos währender Freude - wo Leben und Tod, Rotten, Herden, Rudel, Wissenschaftler, Künstler nur wie Wolken vorbeiziehen. Wolken am Himmel, wo das Wasser sich in Tropfen voneinander trennt, um die Felder böhmischer Dörfer fruchtbar zu machen.
Eine Sehnsucht nach Erlösung entnehme meinen Worten. Oder wie J.S. Bach es einmal für Christen ausdrückte: "Musik, die nicht Gott geweiht ist, ist sinnloses Gedudel."
 
So komm ich denn zum Schluß, Dir anzubieten, mein Lieber, ob Du denn gemeinsam mit mir schweigen möchtest. "Den Leitbullen einschläfern" - könnten wir es zenmäßig nennen. Einfach nur hören, den eigenen Herzschlag, den eigenen Kreis spüren, die Weihe des unwiederbringlichen Moments. ...
 Toccata und Fuge in D Minor
Ich bedaure den Fortgang von Stefanie (sol) und wünsche ihr alles gute.
 
.

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 toltec-head (26.01.17)
Kotcast - wenns das denn mal wäre. Ich hör das ständig nur Veggie-Prosa raus.

 Access meinte dazu am 26.01.17:
...so hörst auch DU dir dieses Zeugs an? Ich werde die Menschheit nie verstehen, nein. und schwule Männer vermutlich noch nie-er als nie.

 niemand (26.01.17)
"Den Leitbullen einschläfern" -

Och, nee, Lothar. Einen Leitbullen in kurzen Hosen
und mit einem Sandkasten-Schäufelchen im Patschhändchen einschläfern? Dafür ist er zu niedlich, schau doch, wie herzig er spielt ... LG niemand

 LotharAtzert antwortete darauf am 26.01.17:
... sollte auch nur optional sein. Ich will mir da garnix mehr vorstellen ... kV-podcast ist nur ein weiterer modifizierter Schritt zur Verdrängung der Langeweile ...
LG
Lothar

 Access (26.01.17)
... erstaunlich, das der Isensee hier so viele anspricht (ich habe mir noch nichts davon angehört, weil dies ja meine freie Entscheidung ist und meine Intuition sagt mir: DAS brauche ich nicht)...inhaltlich stimme ich dir mit Bezug auf das Vermeiden der Herde zu. Auch wenn ich mir nicht sicher bin...brauchen wir nicht eine Verbindung untereinander und haben wir sie nicht ohnehin in jedem Fall und wäre es nicht besser, wir würden sie uns bewußt machen? Aber vermutlich kann das unbewußte Mitlaufen in einer Herde diese Verbindung eher schädigen.

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 26.01.17:
Naja, ich wurde gefragt und so habe ich mir das angehört und entschieden, daß das nichts für mich ist.
Zu Deiner Frage, ob wir nicht Verbindungen brauchen und haben: sicher haben wir die, das fängt ja schon mit der Geburt an: wir haben Eltern. Bewußt machen schadet nie. Ein unbewußtes Mitlaufen schadet in vielerlei Hinsicht, es wird ja die Entwicklung von Individualität verhindert.
Danke.
(Antwort korrigiert am 26.01.2017)
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram