Spaziergang

Kurzgeschichte zum Thema Untergang

von  Erdenreiter

>>Sie haben gesagt, die Menschen sollen in den Häusern bleiben<<, ein verzweifeltes Lachen bahnt sich seinen Weg, >>aber was sollen sie auch sonst sagen? Panik gibt es in diesen Tagen schon genug<<. In der kleinen für Wochen gebuchten Holzhütte stürmt Katrin zur Uhr, >>mich macht das ticken wahnsinnig!<<, die daraufhin von der Wand gerissen und schließlich zerschmettert am Boden liegt. >>Alle, die ich kannte, sind … , verstummt laufen Tränen Wangen hinunter, während Katrin scheinbar durch die Wand starrt. >>Heute ist der erste Tag, seitdem wir nur noch uns haben, und die Galgenfrist ist gleich vorbei. Wir werden bald zerschmettert, verglühen oder sonst was. Zumindest ging es bei den meisten schnell, in einem Bruchteil einer Sekunde war es für sie zu Ende. Vielleicht haben wir auch soviel Glück. Lass uns spazieren, bis es vorbei ist.<< Ihr Endlosblick wandelt sich und sie fixiert mich nun scharf, sie blickt tief in meine Augen. >>Warum eigentlich nicht?<< So machten wir einen Spaziergang, obwohl wir das Leben als solchen sahen, in dem wir uns gemeinsam die Zeit versüßen, der erste nun wirkliche, in dem wir Buchstäblich unserem Untergang entgegen gingen. Der Anblick war völlig surreal. Wir schlenderten in einer abgelegenen Gegend über einen unbefestigten Weg, umgeben von Wiesen und Wald, Vogelgezwitscher und an Bäume kletternde Grauhörnchen, alles in einem unnatürlich wirkenden Lichteinfall.

Aufgrund der in die Atmosphäre geschleuderten Materie kommen die Sonnenstrahlen nur noch gedämpft durch und der Himmel wird durch das flüssige Magma, dem Erdinneren, zusätzlich erleuchtet. Wahrscheinlich wird der zweite ins Meer stürzen, sagten die Wissenschaftler, aber das spielt bei seiner Größe keine Rolle. Faustgroße Himmelsgeschosse schlagen um uns her immer wieder in Sichtweite ein, die Vorhut, bevor das große Finale mit enormer Geschwindigkeit und Wucht einschlagen wird. So viel und lange, wie in letzter Zeit, haben wir noch nie miteinander geredet, bis wir nicht mehr konnten und nur noch Leere in unseren Köpfen herrschte. Unsere Flitterwochen hatten wir uns anders vorgestellt. Ihr größter Wunsch war es einmal Kanada zu erleben, sie ist ein richtiger Naturmensch, und gleich am ersten Tag passierte es, ein ganzer Kontinent ausgelöscht, einfach so. >>Ich habe solche Angst<<, sie legt ihre zitternde Hand in meine, ich streiche ihr mit der anderen zärtlich über ihr Gesicht und möchte sie beruhigen, bekomme aber kein Wort über meine Lippen, und versuche vergeblich nicht zu weinen. Mein Leben bedeutet mir erst etwas, seitdem wir uns gefunden haben. Was Liebe bedeuten und wie tief sie gehen kann, wurde mir erst mit ihr bewusst, erlebbar, und rückblickend ist sie meine Einzige. Alles andere war doch bloß Tand! >>Ich liebe dich<<, mehr bringe ich nicht heraus. Wir hatten uns doch schon alles gesagt, waren uns so nah, wie es sich kaum jemand vorstellen kann. >>Er müsste gleich zu sehen sein, sieh, da drüben!<< Umschlungen Küssen wir uns, und selbst wenn unsere Körper verglühen, nichts, davon sind wir überzeugt, wird uns trennen können. Durch einen letzten Blick werfen wir uns tausend Worte zu, während der Einschlag das Trommelfell zerfetzt. Für den Bruchteil einer Sekunde sehe ich Dich, in Flammen …

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Kommentare zu diesem Text

Absinth (62)
(30.01.17)
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 Erdenreiter meinte dazu am 30.01.17:
Danke für Dein Feedback
und das Vorbeischauen

Liebe Grüße
Marco

 Regina (14.06.19)
Mit der unsterblichen Liebe im sterblichen Leib der Apokalypse trotzen. Hm. LG Gina

 Dieter_Rotmund (06.07.20)
In der kleinen für Wochen gebuchten Holzhütte stürmt Katrin zur Uhr ->
In der kleinen, für Wochen gebuchten Holzhütte, stürmt Katrin zur Uhr
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