Pubbi, das Zauber-Ei

Kurzgeschichte zum Thema Kinder/ Kindheit

von  JulieBerger

Das Ei war noch warm, als es in das Heu plumpste. Gacki, das Huhn, machte sofort Krach, wie bei jedem Ei, das es legte. Ein kleiner Junge mit einer blauen Latzhose, feuerroten Haaren und Sommersprossen im ganzen Gesicht kam in den Hühnerstall gerannt. Gackis Geschrei hatte ihn angelockt.
Er hob das Ei vorsichtig hoch. „Ich habe wieder eins gefunden" rief er aufgeregt, nachdem er die Tür des Hühnerstalls wieder behutsam geschlossen hatte. „Toll, dann können wir ja morgen Rührei essen.“ Die Mutter, die gerade Wäsche von der Leine genommen hatte, strich ihrem Jungen über den feuerroten Schopf.
„Aber doch nicht mit diesem Ei. Das ist besonders schön. Ich nenne es Pubbi.“ entgegnete der Junge. „Elias, du kannst einem Ei doch keinen Namen geben“, lachte die Mutter.

Rührei? Pubbi? Der Name gefiel dem Ei. Rührei gefiel ihm weniger. Sein Leben hatte doch gerade erst begonnen.

„Ok, wenn du meinst. Dann leg Pubbi doch bitte zu den anderen Eiern in den Kühlschrank.“ sagte die Mutter. Aber Elias dachte gar nicht daran. Pubbi war das schönste Ei, das er je gefunden hatte. Und er wünschte sich doch so sehr einen Freund. Warum sollte nicht ein Ei sein neuer Freund sein?
Er nahm Pubbi mit in sein Zimmer und betrachtete das Ei. Irgendetwas fehlte! Elias nahm einen schwarzen Filzstift und malte dem Ei ein lachendes Gesicht. „Schon besser!“ sagte er mit einem zufriedenen Lächeln. Dann nahm er einen roten Filzstift und malte Pubbi rote Haare. Er wollte nicht mehr der Einzige mit roten Haaren sein. Seine Mitschüler gaben ihn Namen wie Feuerjunge oder sagten gemeine Dinge, wie „Dein Kopf brennt“ Elias wünschte sich einen Verbündeten. Denn zu zweit waren sie sicherlich stärker.
Er nahm sein Spielzeug aus der kleinen Spielzeugkiste und legte ein kleines blaues Handtuch, das er zu einer Art Nest formte, hinein. Darauf bettete er vorsichtig Pubbi. „Hier kannst du schlafen.“ sagte er, als er Pubbi sanft streichelte. Fast sah es aus, als hätte Pubbi gerade das Gesicht verzogen. Aber da musste Elias sich wohl getäuscht haben.

„Elias!“ rief die Mutter. „Papa ist da und es gibt Abendessen." Elias schob die Kiste mit Pubbi unter sein Bett und rannte die Treppe hinunter, um seinen Vater zu begrüßen. Hunger hatte er auch. Das wude ihm erst richtig klar, als er deb Geruch von angebratenen Fleisch wahrnahm.

„Und was hast du Rabauke heute gemacht?" fragte der Vater Elias. „Gespielt“ antwortete er knapp. Von Pubbi wollte er lieber nichts sagen. Nachher merkte noch jemand, dass das Ei fehlt. „Gacki hat ein Ei gelegt. Elias hat es gefunden und ihm einen Namen gegeben. Was war das noch gleich, Elias?“ meldete sich plötzlich die Mutter ächelnd Wort. „Äh, nicht so wichtig, ich hab’s vergessen. Morgen kommt der Zahnarzt in die Schule.“ Elias versuchte vom Thema abzulenken. Nevörs wippte er mit seinem Fuß unter dem Tisch. Aber seine Eltern schienen es nicht zu bemerken. „Na, dann hoffe ich, dass du schöne Zähne hast. Und wo wir grad dabei sind. Nach dem Essen kannst du direkt Zähne putzen und dann geht es ab ins Bett. Du musst ja morgen zur Schule.“ sagte der Vater und rückte dabei seine Brille zurecht.

Wie jeden Abend las der Vater Elias nach dem Zähneputzen noch eine Geschichte vor und küsste ihn dann auf die Stirn. „Schlaf gut, mein Junge“.

Elias war ziemlich müde. Schon wähend der Geschichte fielen ihm ständig die Augen zu und er war sich sicher, dass er gleich tief und fest schlafen würde. „Gute Nacht, Pubbi“ flüsterte er, nachdem der Vater aus dem Zimmer gegangen war . „Gute Nacht, Elias. Danke, dass du mir ein so schönes Bett gemacht hast!" Elias rieb sich die Augen. Träumte er? Er knipste die Nachttischlampe an und zog die Kiste mit Pubbi unter dem Bett hervor.

Das Gesicht, das Elias dem Ei gemalt hatte grinste ihm entgegen. Elias sah Pubbi nur mit großen Augen an. „Hab keine Angst!“ sagte Pubbi. „Ich bin ein Zauber-Ei. Danke, dass du mich gerettet hast.“ Elias hatte doch gleich gespürt, dass Pubbi etwas Besonderes war. Der Junge sprang aufgregt aus dem Bett: „Das muss ich sofort Mama und Papa erzählen!" rief er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. „Warte!“ sagte Pubbi ruhig. „Sie würden dir nicht glauben. Denn sie können mich nicht sehen. Nur Kinder können mich sehen, wie ich wirklich bin. Deine Eltern sehen in mir ein ganz normales Ei." „Nur Kinder?“ fragte Elias ungläubig. „Du gehst doch bestimmt auf eine Schule? Nimm mich morgen einfach mit. Dann wirst du sehen. Ich kann auch selber gehen. Du musst mich nicht tragen." Eine gelbe Wolke umgab Pubbi. Es ploppte. Einmal. Zweimal. Und plötzlich stand Pubbi vor Elias. Er hatte Arme und Beine bekommen und war nun fast so groß wie Elias. Seine Haare bestanden aus roten Federn. „Wie cool!“ rief dieser begeistert. „Was kannst du denn noch alles?“ „Das zeige ich dir morgen. Nun sollten wir schlafen. Ich bin müde und wir müssen doch morgen zur Schule." Erneut war die gelbe Wolke zu sehen und dann lag Pubbi wieder in seiner Kiste. Elias wälzte sich noch eine Weile in seiner Rennautobettwäsche hin und her, bevor er schließlich einschlief.

Am Morgen, als der Wecker klingelte, war Elias noch sehr verschlafen und dachte, er hätte das alles nur geträumt. Als er sich die Augen rieb und die kleine Kiste neben seinem Bett erspähte,  wurde ihm klar dass es kein Traum war.

Elias Strich über Pubbis Schale. „Ich gehe schnell frühstücken und dann packe ich dich ein" rief er dem Ei zu, während er schon halb auf dem Weg in die Küche war. Denn seine Mutter hatte ihn bereits ein zweites mal gerufen.
Elias schlang sein Frühstück hinunter, um kurz darauf wieder nach oben zu hasten. Er wickelte das Ei vorsichtig in mehrere Lagen Küchenpapier und legte es in seine Tasche. „Beeil dich Elias. Du bist schon spät dran," ermahnte ihn die Mutter erneut. „Bin ja schon fertig," entgegnete Elias genervt. Er warf seine Schultasche über die Schulter, gab seiner Mutter einen flüchtigen Kuss und stolperte aus der Haustür.
Er freute sich heute ausnahmsweise auf die Schule, denn nun hatte er einen Freund, der ihn begleitete. Als er außer Sichtweite der Mutter war, die ihm wie jeden morgen hinterherwinkte, öffnete er die blaue Schultasche und nahm das Bündel Küchenpapier heraus. Vorsichtig wickelte er Pubbi aus, der kurz darauf wieder von der gelben Wolke umhüllt war und dann schließlich in Lebensgröße vor ihn stand.

Die anderen Kinder staunten nicht schlecht, als Elias mit Pubbi auf dem Schulhof trat. Sofort hatte sich eine Traube neugieriger Kinder um ihn gebildet. Pubbi lachte gemeinsam mit den anderen Kindern, die plötzlich auch freundlich zu Elias waren. Elias lachte mit und es fühlte sich sehr gut an, beliebt zu sein. Dann gongte es und die Kinder gingen in ihre Klasssenzimmer. Den Schülern, die nicht in Elias’ Klasse gingen, fiel es sichtlich schwer, sich von Pubbi zu trennen.
Im Klassenzimmer setzte sich Pubbi auf den freien Platz neben Elias. Die anderen Kinder umringten die beiden weiterhin. „Woher kennt ihr euch“ wolllte Marc wissen. Gerade als Elias zu einer Antwort ansetzen wollte, kam Frau Streusel herein und rief „Guten Morgen“. Die Kinder erwiderten den Gruß, bewegten sich aber nicht vom Fleck. „Was ist denn hier los?“ wolllte die Lehrerin wissen. „Das ist Pubbi. Ist er nicht toll?“ sagte Anne und deutete auf den Platz neben Elias. Da Frau Streusel erwachsen war, sah sie nur einen freien Platz. Ein Ei konnte sie vom Pult aus nicht erkennen. „Ist das euer neuer unsichtbarer Freund? Hört auf mit dem Unsinn.“ Frau Streusel schüttelte den Kopf. „Aber sie können das riesige Ei doch nicht übersehen“ rief Tine, die es kaum fassen konnte. Pubbi drehte sich zu ihr um: „Ist schon gut. Erwachsene sehen mich nicht.“
„Es hat gesagt, dass Erwachsene es nicht sehen.“ rief Jens ganz aufgeregt. Frau Streusel hielt dies für Unsinn und wollte auch nicht weiter diskutieren. „Schlagt bitte Seite 15 im Buch auf.“ sagte sie fest und setze ihren Unterricht aus der letzten Stunde fort. Die Kinder trauten sich nicht mehr etwas zu sagen. Eigentlich war Frau Streusel ganz nett, aber wenn sie so streng über den Rand ihrer Brille guckte wie jetzt machte es vielen von ihnen Angst.
Trotzdem konnten einige ihren Blick nicht von Pubbi wenden und sahen ihn hin und wieder bewundernd an. Frau Streusel ermante sie dann, sich besser zu konzentrieren.

Die Kinder atmeten erleichtern auf als es 40 Minuten später zur Pause läutete. Wieder umringten sie Elias. Tom, ein kräftiger Junge, der mit einigen anderen zusammen schon oft gemein zu Elias war, lud ihn und Pubbi sogar zum Spielen am Nachmittag ein. Zusammen mit den Zwillingen Nina und Sven wollten sie auf den Spielplatz gehen.
Elias genoss die Aufmerksamkeit und erzählte seiner Mutter am Mittagstisch stolz, dass er am Nachmittag zum Spielen verabredet war. Seine Mutter atmete erleichtert auf: „Schön, dass du endlich ein paar Freunde gefunden hast.“

Elias, enige seiner Mitschüler und Pubbi verbrachten einen schönen Nachmittag zusammen. Sie löcherten Pubbi mit Fragen. Erst später nutzen sie die Rutschen, Schaukeln, Wippen und den Sandkasten auf dem Spieplatz. Pubbi konnte die meisten Geräte zwar nicht nutzen, weil er dafür viel zu dick war. Aber das machte ihm nichts. Er sah gerne zu, wie die Kinder gemeinsam Spaß hatten. Tom und Elias schaukelten um wie Wette, wer höher kam und Nina und Sven versuchten im Sandkasten eine möglichst große Sandburg zu bauen. Als Tom und Elias feststellten, dass beide die gleiche Höhe erreichten, schlug Elias vor, den Zwillingen beim Bau der Sandburg zu helfen. Tom willigte sofort ein und auf dem Weg zum Sandkasten geschah etwas Überraschendes: „Es tut mir leid, dass ich dich manchmal geärgert habe. Irgendwie mochte ich dich trotzdem, aber ich habe einfach mitgemacht, wenn die anderen gemeine Dinge sagten. Ich wollte dazugehören. Eigentlich bist du ja ganz nett. Und tausendmal netter als sie. Das habe ich erst jetzt erkannt,“ sagte Tom kleinlaut.
Die vier Kinder waren so damit beschäftigt, Sand auf ihre Burg zu schaufeln, dass sie gar nicht bemerkten, wie sich Pubbi langsam davon schlich. Erst als es langsam dunkel wurde und Elias sich auf den Heimweg machen wollte, bemerkte er sein Fehlen. Verzwiefelt rief er nach dem Ei und schaute hinter jedem Busch nach. Tom, Nina und Sven halfen ihm bei der Suche. Aber diese blieb ohne Erfolg. „Sieh mal. Da liegt ein Umschlag auf der Schaukel“ rief Nina plötzlich und ihr Pferdeschwanz wippte auf und ab, als sie zur Schaukel lief. Sie hob den Umschlag auf und reichte ihn Elias. „Dein Name steht darauf“ sagte sie. „Mach schon auf,“ drängte Sven, der stets ein bisschen ungeduldig war. Elias riss den Umschlag auf. Er war voller Sorge um Pubbi, aber auch neugierig, was in dem Brief stand. „Lieber Elias, vielen Dank für die schöne Zeit. Ich denke, du brauchst mich nicht mehr. Du hast jetzt Freunde gefunden, mit denen du spielen und reden kannst. Ich muss weiterziehen und anderen Kindern helfen. Dein Pubbi“. Elias musste sich ein Weinen verkneifen, aber auch die anderen sahen traurig aus. Tom fing sich als erster. Elias hatte Angst, dass der kräftige Junge nun wieder gemein zu ihm wäre. Aber Tom legte sanft die Hand auf Elias’ Schulter: „Pubbi hat recht. Du hast neue Freunde gefunden. Und wenn er anderen Kindern helfen muss, ist es vermutlich besser, wenn er das tut.“


Anmerkung von JulieBerger:

Ich habe versucht, eine Geschichte für Kinder zu schreiben. Über Anregungen und Verbesserungsvorschläge würde ich mich sehr freuen!

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(19.03.17)
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 19.03.17:
Das sehe ich genauso. Muss man Kinder heutzutage mit Samthandschuhen anfassen, was Geschichten betrifft?

Hinweis am Rande:
"... fürUnsinn und wollte auch nicht weiter diskutieren. „Schlagt bitte Seite 15“ im Buch auf.“

 JulieBerger antwortete darauf am 26.03.17:
Vielen Dank für eure Kommentare, die sehr hilfreich sind. Natürlich muss man Kinder nicht mt Samthandschuhen anfassen, was Geschichten betrifft. Ich werde es mir merken.
Märchen wurden allerdings ja im Ursprung für Erwachsene geschrieben und sind teilweise voler Gewalt
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