Lore, der Witz aller Witze und ich - was natürlich Unsinn ist

Geschichte zum Thema Nonsens

von  tulpenrot

„Witz aller Witze, komm raus, du bist umzingelt“, rief Lore.
Da lachte sich der Witz aller Witze `nen Ast, krümmte sich, als ob er ein buckliger Gartenzwerg werden wollte, und knatterte etwas Unverständliches in seinen vergammelten Handschuh.
„Ich weiß genau, wo du steckst“, flüsterte Lore bedrohlich ins Dickicht des Gebüsches.
„Wie bitte?“, fragte der Witz vorsichtig. Er meinte nicht recht gehört zu haben.
„Ich habe dich entdeckt!“, schrie Lore aus Leibeskräften, weil sie sich stark fühlte, obwohl sie eigentlich nur ahnte, wo der Witz versteckt sein könnte. Sie wollte ihn aber aus der Reserve locken.
„Wie kann das sein?“, antwortete der Witz aller Witze so laut, dass Lore sofort wissen konnte, wo er hockte. Sie kroch vorsichtig auf die Stelle zu, wo sie ihn vermutete, und hoffte, er würde sie nicht entdecken.
"Du fängst mich nicht, denn du allein kannst mich ja gar nicht umzingeln", höhnte der Witz und kicherte frech. „Du brauchst Verstärkung!"

Da schlich Lore zurück nach Hause, holte ihre Krone aus der Küchen-Schublade, setzte sie zusammen mit einer dunklen Sonnenbrille auf und schminkte sich die Lippen grün. Zur Sicherheit, und damit sie breiter und damit wuchtiger aussah, warf sie sich ein zerschlissenes graues Lodencape um, wie es die Schäfer tragen, und ging zurück an die Stelle, wo sie vorher gewesen war. Ein großer Spazierstock wäre auch nicht schlecht, dachte sie und zog einen knorrigen Knüppel aus dem Unterholz.
„Au!“, schrie der Witz, „was machst du mit mir?“
Lore hatte doch tatsächlich aus Versehen das krumme Aststück mit dem Witz erwischt. Jetzt hatte sie ihn in der Hand und lachte sich kaputt.

*
Plötzlich guckte Lore mich ärgerlich an.
„Das ist schlecht, was du schreibst“, protestierte sie, „denn kaputt gehen wollte ich eigentlich nicht. Du sollst nicht <kaputt> schreiben!“
Sie machte einen Schmollmund mit ihren grünen Lippen.
„Vor allem wegen der Sonnenbrille geht das nicht. Die war teuer! Die darf doch nicht zerbrechen!“
„Sagen wir also: <Sie lachte sich scheckig>. Ist das besser?“, fragte ich.
„Das passt schon eher. Ich will etwas Besonderes sein“, meinte sie zufrieden, zupfte an ihrem Mantel und setzte sich die Krone zurecht.
Nun war sie also einmalig. Eine einmalige, scheckige Lore mit all dem fummeligen Gedöns um sich herum und an ihr dran und mit einem witzigen Ast in der Hand, an dem ein vergammelter Handschuh baumelte. Sie fand das lustig. Immerhin hatte sie den Witz aller Witze gefangen. Und alle, die das lesen werden, sollten nun lachen.

„Ich bin sehr stolz auf meine Tat“, sagte Lore zu mir. „Und nun bringe meine Geschichte unter die Leute, damit ich berühmt werde.“
„Muss das sein? Ich will eigentlich nicht. Aber weil du es bist, und weil ich so seltsame Gestalten wie dich gerne mag, werde ich es tun. Aber die Leser werden mich verachten“, entgegnete ich. „Willst du das?“
„Du bist nur zu feige, deshalb sagst du das. Und du bist eifersüchtig, weil ich berühmt werde und du nicht.“
Da dachte ich, es ist eigentlich egal – irgendjemand wird immer über mich spotten. Dann kann ich auch die Geschichte veröffentlichen. Dann haben Lore und die anderen wenigstens ihren Spaß.

*

Nur der Witz aller Witze lachte lange nicht. Lore hatte ihn in der Hand und das gefiel ihm nicht sehr. Aber dann erinnerte er sich, dass er eine große Familie hatte.
„Die werden schon dafür sorgen, dass es mit den Witzen nicht zu Ende geht, schon gar nicht durch eine scheckige Lore.“
Und so fing er fröhlich an zu singen: „Leiiii leilei leiiiii leileileileileilei leiiii…Lore Lore Lore Lore, Lore!“ und kicherte vergnügt. Er krümelte sich sogar vor Lachen und wurde dadurch so zerpliesert, dass ein Teil von ihm in seinen Handschuh passte. Dann schaukelte er sich aus lauter Übermut hoch und immer höher, bis sein Gekrümeltes samt Handschuh vom Ast fiel. Alle witzigen Bröckelchen verteilten sich über die Erde, trockneten aus, wurden leicht wie Staub und verwehten dann mit dem Wind in alle Weltkugel-Richtungen. Seine feuchtfröhlichen Verwandten erkannten ihn erst nicht wieder, weil er so staubtrocken war. Aber dann merkten sie, wie viele Menschen ihn trotz seiner seltsamen Art liebten und begannen ihn zu bewundern.

Lore merkte von all dem nichts. Sie trug schwer an dem Ast. Schließlich wurde sie davon so müde, dass sie unterwegs einschlief. Und wenn sie nicht gestorben ist …

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (03.04.17)
Die Leser verachten Dich nicht. Habe die Geschichte mit großem Vergnügen gelesen. LG

 tulpenrot meinte dazu am 03.04.17:
Wie schön! Danke und LG

 jorgetraum (03.04.17)
eine witzige Geschichte
ja, der witz hat es nicht immer leicht
worauf es beim Spaß machen ankommt
und was man besser lassen soll,
kann ich ganz gut zwischen den Zeilen lesen *schmunzel*
eine gelungene Geschichte!

 tulpenrot antwortete darauf am 03.04.17:
Ja, so ist sie nun doch fertig geworden nach so langer Zeit - du erinnerst dich?
Danke für deinen Kommentar.
Ein guter Spaß, ein gelungener Witz sind keine leichte Sache, das stimmt. Ohh, zwischen den Zeilen steht auch was? Da muss ich direkt mal genauer hinschauen - war gar keine Absicht...

LG
Angelika

edit: Hab das "ich" vergessen - hihi
(Antwort korrigiert am 03.04.2017)
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram