Wie ich bei Lodl durch Zufall Neofaschisten erkannte alleine durch meine Gegenwehr (oder, Kaum Neues vom Unsympath)

Kurzgeschichte zum Thema Alltag

von  Karlo

Fast eine Herzattacke zu erleiden, ist gar kein gutes Gefühl. Überhaupt, wenn der Anlass eine Begebenheit von sehr untergeordneter Priorität ist.

Unwichtige Dinge einzukaufen macht sowieso keinen Spaß und Hektik erst recht nicht. Seit ich teilmotorisiert bin, kann ich in entfernteren Supermärkten einkaufen. Auch hier finde ich dann die gleichen Angebote zu den gleichen Preisen, wie in den drei anderen Läden, bei denen ich sonst als Kunde König bin, oder zumindest früher war - Rowe, Aldu und Netta. (Als es noch zum Jahresende Kalender aus der Rowefirmenzentrale gab, also vor drei Jahren, ich noch nicht bei nervenden Sonderangeboten per Lautsprecher geduzt wurde, was für mich schon einen gewaltbehafteten Schritt in Richtung manipulierbarer Konsumsklave darstellt, oder ich mir noch das Reststück vom Käselaib, das sonst in der Tonne landet, nach freundlichem Fragen dazu legen lassen konnte, bei einem "gerne" der Verkäuferin. Heute entsteht bei der gleichen Frage eine senkrechte Stirnfalte zwischen ihren Augen und sie antwortet leise "ich muss es leider auswiegen, Anordnung von Rowe.")

Ich suche meine Artikel immer unten im Regal, ganz unwillkürlich, weil in Augenhöhe und Griffhöhe immer das Teuerste und Entbehrlichste steht, was anscheinend sogar so intensiv beworben werden muss, dass es überhaupt gekauft wird. Zu unglaublichen Preisen. Mein Produkt steht also eins tiefer und kostet manchmal sogar nur die Hälfte. Jeder sollte sich mal die Typen aus den Werbeagenturen mit ihren Praxen vorstellen und die Preise recherchieren, die Werbeminuten im Fernsehen kosten. Wenn ich dann annehme, dass dieser sich im Markenjoghurt wiederfindet, muss ich sogar fragen, warum mein Alternativprodukt nur so wenig billiger ist.

Ich sollte auch unbedingt meine uralten Unterlagen aus Werbepsychologie wiederfinden, um mir nochmal die Verhaltensweisen gegenüber nichtsahnenden Kunden in allen Arten von Geschäftslokalen, besonders aber Supermärkten zu erschließen, die man immer so wissenschaftlich Marketing nennt. Dort wurde noch Tacheles geredet, knallhart, ohne Beschönigung. Der Kunde muss ausgenommen werden, aber so, dass es nicht merkt.

Bei solchen Gedanken, nicht direkt gut gelaunt, steuere ich auf den Frischfleischcontainer mit dem Eingriff  von oben zu. Gerade als ich ihn aufschieben will, drückt mir eine Geschäftsmilf auf der anderen Seite ihre Sicht der Dinge mit solcher Vehemenz in’s Bewusstsein, dass ich froh bin, meine Finger noch nicht dazwischen zu haben. Ich schaue kurz ob ihre save sind und schmeiße den Deckel mit einer kräftigen Bewegung zurück. Es knallt sogar etwas und sie meint völlig verdutzt: "Hey, sie spinnen wohl!"

Als ich sage, dass sie das genau eben mit mir gemacht hätte, bricht die Hölle los! "SIE HABEN DAS ABSICHTLICH GEMACHT???" "Ja klar. Ich war schon fast beim Deckel öffnen!"

"Sie gehören ja weggesperrt!" Und zu ihrem, vermutlich, Söhnchen, so um knapp vierzig rum, eventuell Regenbogenkämpfer, mit ganz weichem und lieben Aussehen - (er hat wahrscheinlich schon ein eigenes Zimmer bei ihr), "Der hat das absichtlich gemacht!" Aus ihm bricht’s ebenfalls heraus, auch  in schwäbisch, wie bei Mutti "unglaublich, sie haben das mit Absicht gemacht! Sie gehören weggesperrt!" Und zur Begründung und Untermalung meines Verbrechens, tönt sie dann sehr laut:  "Ich hab sie doch gaar nicht gesää-hen!!! Sie haben das absichtlich gemacht! Sie gehören weg gesperrt!"

"Ich bin fast zwei Meter groß, wenn sie das jetzt verlangen, sind sie dann etwa ein Nazi? So ein Gutmenschennazi, der von oben herab immer so wegda wegda wegda-mäßig unterwegs ist?" Sie schauen sich an und ich denke - Treffer - das merke ich mir! 

Sie sind ziemlich von der Rolle ab dem Moment. Er wird blass und zischt "Vorsicht jetzt, gaaanz vorsichtig! Jetzt müssen sie aber gaaanz vorsichtig sein!" Ich versuche, so cool und freundlich wie es geht zu sein, aber ich bin herzkrank und bin schon fast am Ende vor Aufregung. Du musst das trainieren, du musst das trainieren, erscheint es vor meinem inneren Auge.

Erleichterung, dass ich eine Frage und keine Behauptung ausgestoßen habe. Es rettet mich meine Praxis aus unzähligen, harten Onlinauseinandersetzungen. Der Grifff an’s Handy war eine Option, das war deutlich zu sehen und zu spüren. Polizei, eine Anzeige und die weitere Aufregung hätte mich viel kosten können. Während ich auf der Ecke der Truhe sitzend den Tumult im wenig besuchten Lodl verdaue und langsam ruhiger werde, kommt so etwas wie Siegesgewissheit in mir auf.

Und dann denke ich, wenn Nazis endlich begreifen, dass sie welche sind, werden sie sich ändern, weniger aggressiv und egoistisch mit Ellenbogen durch die Welt rennen und alles wird wieder in’s Lot kommen.

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Kommentare zu diesem Text

toltten_plag (42)
(06.05.17)
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 Karlo meinte dazu am 12.05.17:
Kino kann ich mir gar nicht mehr leisten. Außerdem, wie hinkommen? Ich müsste mit meinem E-bike in die Kreisstadt, aber beim Rausgehen wär das bestimmt weg, wie ich mich kenne. Du bekommst immer das, was Du verdienst, sagen meine Feinde.
toltten_plag (42) antwortete darauf am 24.05.17:
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